Auskunftsanspruch gegen Klinik: keine anonyme Samenspende

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Erfährt man, dass der eigene Vater nicht der leibliche Vater ist, sondern man mithilfe einer anonymen Samenspende gezeugt wurde, ist das nicht leicht zu verkraften. Verweigert zudem die Klinik, der der Samenspender – also leibliche Vater! – bekannt ist, die Auskunft über diese Person, ist das meist ein zweiter harter Schlag. 

In der Regel berufen sich Kliniken dann auf die ärztliche Schweigepflicht und auf vertragliche Anonymitätsklauseln mit dem Samenspender. Zu Unrecht, entschied nun der BGH: Ein Kind, das mithilfe einer anonymen Samenspende gezeugt wurde, hat einen Auskunftsanspruch gegen die Reproduktionsklinik, die Zugang zu den Daten des Vaters habe (Az.: XII ZR 71/18). Das Rechts des Kindes, seine Abstammung zu kennen, wiege schwerer als das Recht des Vaters auf Anonymität und die ärztliche Schweigepflicht. 

Klage vor dem BGH erfolgreich 

Im Fall, der dem BGH zur Entscheidung vorgelegt wurde, klagte eine junge Frau, die 1990 noch in der DDR mithilfe künstlicher Befruchtung und einer anonymen Samenspende gezeugt wurde. Die leibliche Mutter und ihr Ehemann kannten den Namen des Samenspenders nicht, der Klinik lagen die Daten des Samenspenders bzw. leiblichen Vaters der jungen Frau jedoch vor. 

Auskunft über den Mann wollte die Reproduktionsklinik der jungen Frau aber nicht geben. Das verbiete die ärztliche Schweigepflicht und vor allem ein Vertrag mit dem Samenspender. In einem Vertrag war dem nämlich nach DDR-Recht Anonymität zugesichert worden. Auf Anfrage, ob seine Daten an die junge Frau herausgegeben werden dürften, habe er das außerdem abgelehnt.

Auskunftsanspruch: Kind kann Daten des Spenders verlangen 

Damit wollte die junge Frau sich aber nicht zufriedengeben und klagte. Erfolgreich! Ein Kind, das mithilfe einer anonymen Samenspende gezeugt wurde, hat nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einen Auskunftsanspruch gegen die Reproduktionsklinik. Der (wirksame) Vertrag des Spenders mit der Klinik aus DDR-Zeiten würde daran nichts ändern. 

Der Grundsatz von Treu und Glauben sei „als übergesetzlicher Rechtssatz allen Rechtsordnungen immanent“. Dieser Grundsatz würde einerseits die ärztliche Schweigepflicht in einem solchen Fall außer Kraft setzen. Zudem ist das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung im Grundgesetz verankert. Als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 GG, Art. 1 GG) kann dieses Menschenrecht nicht durch den Vertrag zwischen Samenspender und Klinik ausgehebelt werden. 

Abstammung wichtiger als Anonymität 

Die Richter betonten zwar, dass natürlich auch den grundrechtlichen Belangen des Samenspenders Rechnung zu tragen sei. Aus diesem Grund müsse das Interesse des Kindes in Bezug auf seine Abstammung mit der Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht und dem Recht auf Anonymität des Samenspenders gegeneinander abgewogen werden. 

Jedoch kamen die Richter letztlich zu dem Ergebnis: Das Interesse des Kindes daran zu erfahren, von wem es abstammt, hat letztlich ein so erhebliches Gewicht, dass die Schweigepflicht der Klinik und das Interesse des Samenspenders hinter dem Interesse des Kindes zurückstehen müssen. 

Das Wissen über die eigene Abstammung, den eigenen Vater, sei wesentlich für das eigene Selbstverständnis. Nicht in Erfahrung bringen zu können, von wem man abstammt, könne erheblich belasten und verunsichern, so die Richter. Das gelte vor allem, wenn die Möglichkeit, den leiblichen Vater zu ermitteln, bestünde.

Demgegenüber würde die vertragliche Zusicherung der Anonymität an den Samenspender deutlich weniger ins Gewicht fallen. Der Samenspender hätte sich immerhin bewusst an der Zeugung menschlichen Lebens beteiligt. Der sozialen und ethischen Verantwortung könne man sich nicht einfach vertraglich entziehen.

Fazit

Das aktuelle Urteil des BGH bestätigt eine Tendenz in Deutschland – vor Gerichten und in der Gesetzgebung: Spenderkinder haben ein Recht zu erfahren, vom wem sie biologisch abstammen. Aus diesem Grund sind anonyme Samenspenden nicht mehr erlaubt, seit 2018 existiert ein Samenspenderregister 2018. Dieses Urteil bekräftigt nun erfreulicherweise diese Tendenz. 

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