Autokredit: Widerruf wegen fehlender Informationen zum Schlichtungsverfahren auch noch im Jahr 2022 möglich

Widerruf des Kfz-Kreditvertrags wegen fehlender oder unvollständiger Informationen zum außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren  – der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Sitz in Luxemburg entschied mit Urteil "Volkswagen Bank" vom 09.09.2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20: Auch nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist kann ein Vertrag über ein Verbraucherdarlehen, mit dem ein Autokauf finanziert werden soll, widerrufen werden, wenn die Vertragsunterlagen keine vollständige Information zum Schlichtungsverfahren enthalten.

Worum geht es?

Streitgegenstand war die Gültigkeit des Widerrufs von mehreren Kreditverträgen, die Verbraucher zur Kfz-Finanzierung geschlossen hatten. Auf Seiten der Autohersteller und ihrer Banken waren die Volkswagen Bank GmbH, die Skoda Bank als Zweigniederlassung der Volkswagen Bank GmbH und die BMW Bank GmbH beteiligt. Die Verbraucher hatten den Widerruf jeweils erst nach Ablauf der regulären 14-tägigen Widerrufsfrist erklärt. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte die Verfahren dem EuGH vorgelegt.

Die 14-tägige Widerrufsfrist bei einem Verbraucherkreditvertrag setzt voraus, dass die finanzierende Bank dem Kreditnehmer vor Abschluss des Darlehensvertrages alle notwendigen Pflichtangaben mitgeteilt hat. Fehlen diese Angaben, sind sie unvollständig oder wurden sie zu spät mitgeteilt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und zwei Wochen.

Bei einem Verbraucherkreditvertrag umfassen diese Pflichtinformationen auch Angaben zum außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren.

Wie entschied der EuGH?

Der EuGH entschied in seinem Urteil vom 09.09.2021, dass diese Angaben zum Schlichtungsverfahren nur dann vollständig sind, wenn sie

• die wesentlichen Informationen über alle dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren,
• Informationen über die mit einem solchen Verfahren verbundenen Kosten,
• Informationen darüber, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf per Post oder elektronisch einzureichen ist,
• die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist,
• Informationen zu den sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt,

mit umfassen. Ein bloßer Hinweis im Kreditvertrag auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Schriftstück oder Dokument, in dem die Modalitäten der außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren festgelegt sind, reicht nicht aus.

Auswirkung auf die Praxis

Jedenfalls bis in den Spätsommer 2021 hinein verwendeten mehrere Banken und Finanzierungsgesellschaften der Autohersteller Vertragsformulare, in denen die Pflichtangaben zum Schlichtungsverfahren unvollständig waren. Zum Beispiel enthielten die Formulare keine Informationen zu den formalen Voraussetzungen der Beschwerdeschrift oder sonstigen Eingabe, die ein Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren in Gang setzt. Lediglich enthielten die Vertragsunterlagen Angaben, in welcher Form die Verbraucher eine Antwort der Bank erwarten durften.

Die Folge: Viele Kreditverträge aus dem Jahr 2021, mit denen ein Autokauf finanziert werden sollte, können weiterhin innerhalb der verlängerten Widerrufsfrist von 12 Monaten und 14 Tagen auch noch im Jahr 2022 widerrufen werden. Diese erweiterte Widerrufsmöglichkeit ist eine Chance für all diejenigen, die nachträglich feststellen mussten, dass der Autokredit ihre Möglichkeiten übersteigt, weil sie beispielsweise als Folge der Corona-Lockdowns oder von Krankheit die Raten nicht mehr aufbringen können oder weil sich die Lebensumstände auf andere Weise verändert haben.

Es lohnt sich, die genaue Wortwahl im Vertragsformular und in den weiteren Unterlagen zum Darlehensvertrag zu überprüfen.