BAG gibt Spielregeln für die Pauschalvergütung von Überstunden durch Betriebsvereinbarungen vor

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Am 26. Juni 2019 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, wonach Überstunden pauschal vergütet werden, (teil-) unwirksam ist. Damit hat es die Spielregeln für eine Pauschalabgeltung von Überstunden, die es bereits für Arbeitsverträge vorgegeben hat, nun auch für Betriebsvereinbarungen vorgegeben. Die Pauschalvergütung von Überstunden in einer Gesamtbetriebsvereinbarung verstieß im vorliegenden Falle gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichheitssatz und widersprach dem Gebot der Normenklarheit (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juni 2019, Az: 5 AZR 452/18).

Betriebsvereinbarung sah unterschiedliche Regelung für Gewerkschaftssekretäre versus den übrigen Arbeitnehmern vor

Geklagt hatte ein ver.di-Gewerkschaftssekretär. Er hatte für vier Monate, in denen er neben seinen sonstigen Aufgaben in einem Projekt arbeitete ca. 255 Überstunden gearbeitet, die er mit ca. 9300 € brutto vergütet haben wollte.

Die Vergütung der Überstunden war aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung in den Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di Beschäftigten (kurz: ABB) geregelt. Diese sah Folgendes vor: Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, erhalten als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr. Die anderen Beschäftigten erhalten dagegen für jede geleistete Überstunde Freizeitausgleich bzw. eine entsprechende Überstundenvergütung von 1 Stunde und 18 Minuten, d. h. 30 % Überstundenzuschlag.

Dies bedeutet, dass es für Gewerkschaftssekretäre eine andere Regelung hinsichtlich der Vergütung von Überstunden gab als für die anderen Beschäftigten.

Betriebsvereinbarung verletzt Gleichbehandlungsgrundsatz 

Der fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts sprach dem Gewerkschaftssekretär die geltend gemachten ca. 9.000,00 € brutto zu. Dies mit der Begründung, dass eine Pauschalvergütung für Überstunden für Gewerkschaftssekretäre unwirksam sei, da die ABB, in denen die pauschale Vergütung von Überstunden geregelt war, teilunwirksam sei. Die ABB seien, so die Richter, deshalb teilunwirksam, weil sie für bestimmte Gewerkschaftssekretäre eine Pauschalvergütung von Überstunden vorsehen, andere Arbeitnehmer jedoch unter anderen Voraussetzungen einen Anspruch auf eine andere Überstundenvergütung haben. Die Regelung genüge nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen willkürlich benachteilige. Ausgangspunkt für den Anspruch auf eine Vergütung von Überstunden sei bei den Gewerkschaftssekretären, dass sie regelmäßig Überstunden leisten. Eine wie auch immer geartete Regelmäßigkeit von Überstunden sei aber, so die Richter, kein taugliches Differenzierungskriterium dafür, ob die Vergütung von Überstunden pauschaliert oder exakt nach den tatsächlich geleisteten Überstunden zu bezahlen seien, so die Richter. Daher stelle die Regelung eine willkürliche Benachteiligung der Gewerkschaftssekretäre dar und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Betriebsvereinbarung verstößt gegen das Gebot der Normenklarheit

Zudem verstießen die ABB nach Auffassung des fünften Senats gegen das Gebot der Normenklarheit. Voraussetzung dafür, dass ein Anspruch auf Überstundenvergütung bestehe sei eine „regelmäßige Mehrarbeit“. Wann jedoch eine regelmäßige Mehrarbeit vorliege und wann nicht, sei für die Beschäftigten nicht klar ersichtlich.

Was hat die Teilunwirksamkeit der Betriebsvereinbarung/ABB zur Folge?

Die Teilunwirksamkeit der ABB hatte zur Folge, dass die ausschließlich für Gewerkschaftssekretäre einschlägige Regelung, wonach als Ausgleich für regelmäßige Mehrarbeit neun freie Arbeitstage im Jahr gewährt würden, unwirksam war. Die übrigen Regelungen in den ABB, wonach die anderen Beschäftigten für jede geleistete Überstunde Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. auf entsprechende Überstundenvergütung haben, blieb jedoch wirksam. Dies war auch der Grund dafür, dass sich nunmehr auch der Gewerkschaftssekretäre auf die noch verbleibende Regelung zur Überstundenvergütung berufen konnte und Anspruch auf Vergütung der geleisteten Überstunden hatte, die er unter Berücksichtigung der für Überstundenvergütungsprozesse erforderlichen Darlegungs- und Beweislast nachweisen konnte.

Fazit:

Die pauschale Vergütung von Überstunden ist zulässig, wenn gewisse Spielregeln eingehalten werden. Diese Spielregeln hatte das Bundesarbeitsgericht bisher für Klauseln in Arbeitsverträgen vorgegeben. Durch die Entscheidung vom 26. Juni 2019 hat es die Spielregeln nunmehr auch für Betriebsvereinbarungen ergänzt.

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