Balance zwischen Homeoffice und Büro: Streit um Präsenzpflicht

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Brücke im Arbeitsrecht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Seit dem Ende der verpflichtenden Home-Office-Regelung im März 2022 kehren immer mehr Beschäftigte in ihre Büros zurück. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, wie Unternehmen eine ausgewogene Balance zwischen Homeoffice und Büro finden. Viele Arbeitnehmer schätzen nach wie vor die Freiheit und Flexibilität eines mobilen Arbeitens. Täglich ins Büro pendeln, wie es noch vor der Pandemie üblich war, möchten sie nicht.

In einigen Unternehmen gibt es Konflikte über die Zukunft der Arbeitsweise. Teilweise werden diese vor Gericht ausgetragen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Rückversicherer Allianz Re. Bei dem Unternehmen hat der Betriebsrat vor dem Münchner Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Gesellschaft beantragt. Die Vertreter der Arbeitnehmer möchten damit unterbinden, dass die Rückkehr ins Büro zur Pflicht wird. Diese Regelung bedeutet, dass das bisherige Freiwilligkeits-Prinzip aufgehoben wird.

Etwa 280 Angestellte am Standort München haben dann die Pflicht, mindestens vier Arbeitstage im Monat im Büro zu verbringen. Diese Tage nennen sich "Teamdays". Sie werden mit engsten Mitarbeitern abgestimmt. Für jeden Angestellten sind sie Pflicht. Der Betriebsrat der Allianz Re befürchtet "Willkür der Vorgesetzten". Diese führt möglicherweise dazu, dass die Beschäftigten wieder die komplette Arbeit in Präsenz verrichten müssen.


Betriebsvereinbarung ermöglicht Beschränkung der Arbeitsplatz-Wahlfreiheit

Das Arbeitsgericht München bestätigte die Argumente der Allianz-Vertreterin in der mündlichen Verhandlung. Diese basierten auf einer seit 2006 geltenden Betriebs-Vereinbarung. Die darin enthaltenen Regelungen seien weiterhin gültig. Wenn also die Führungskräfte beschließen, die bisherige Freiheit bei der Wahl des Arbeitsplatzes zu beschränken, handeln sie gemäß dem damaligen Abkommen in rechtmäßiger Weise.

Nahezu 90 Prozent aller Angestellten der Allianz Re arbeiteten während der Corona-Pandemie von daheim aus. Vor etwa zwei Jahren betonte die Personalchefin der Allianz, Renate Wagner, in einem FAZ-Interview, dass der Konzern mit Heimarbeit positive Erfahrungen gemacht hat. Die Führungskräfte würden nicht beabsichtigen zu Arbeitsmodellen zurückzukehren, die vor der Pandemie üblich waren. Auch eine vollständige Anwesenheit im Büro werde nicht erwartet. Weiter verweist die Allianz auch auf die Möglichkeit, die Arbeit jährlich an bis zu 25 Tagen aus dem Ausland zu verrichten. Diese Option besteht seit 2016 für alle Mitarbeiter.


Streit um Präsenzpflicht: Vorwürfe von Einschüchterung und Vergebliche Verhandlungen

Vor dem aktuellen Konflikt bezüglich der Präsenzpflicht haben Betriebsrat und Arbeitgeber mehrere Monate versucht, eine Einigung zu erzielen - allerdings erfolglos. Beide Parteien geben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern der Verhandlungen. Einige Betriebsräte berichten von Versuchen der Einschüchterung durch ihren Arbeitgeber. Dieser strebte an, sie vom Einsatz für die Arbeitnehmer abzubringen. Eine Allianz-Sprecherin bestätigt, dass Abmahnungen tatsächlich erfolgten, jedoch äußerst selten vorkämen und lediglich bei schwerwiegenden Verstößen angewandt würden.

Anfang April führte der Arbeitgeber eine neue Pflicht zur Präsenz ein. Die Zustimmung des Betriebsrats erfolgte jedoch nicht. Die Vertreter der Arbeitnehmer meinen, dass diese neue Regelung der Mitbestimmungspflicht bedürfe. Dem widerspricht allerdings die Sprecherin der Allianz Re. Die Frage, ob es eine Pflicht zur Beteiligung des Betriebsrats beim Thema Home-Office gibt, ist allerdings umstritten. Das Direktionsrecht hat der Arbeitgeber. Er entscheidet, ob er das mobile Arbeiten gestattet oder nicht. Allerdings hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um die Ausgestaltung der mobilen Arbeit geht.


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