Bankgeheimnis vs. Schutz des geistigen Eigentums

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EuGH: Das Bankgeheimnis hat keinen uneingeschränkten Vorrang. 

In einer aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Az.: C-580/13) vom 16.07.2015 wurden Bankgeheimnis und Schutz des geistigen Eigentums beachtlich in Verhältnis gesetzt. Ein prinzipieller Vorrang des Bankgeheimnisses muss nach Ansicht des EuGH eine Einschränkung erfahren. Ein Bankinstitut kann sich bei begründetem Auskunftsanspruch des Verletzten nicht unbegrenzt und bedingungslos auf das Bankgeheimnis zurückziehen. Es muss unter Umständen Name und Anschrift des Kontoinhabers benennen.

Die Bekämpfung von Produktpiraterie haben sich europäische Institutionen auf die Fahne geschrieben. Produktpiraterie richtet einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden an. Und gefälscht wird in allen Bereichen: Von Uhren über Autos und Software hinzu Medikamenten.

Oftmals werden Fälschungen dabei über große Internetplattformen zum Verkauf angeboten. Die Identität des Verkäufers kann jedoch nicht über die Internetplattform in Erfahrung gebracht werden. Es bleibt dann einzig und allein ein Bankkonto, über das die Zahlung für die zunächst unentdeckte Produktfälschung abgewickelt wird.

BGH legte Frage zur Vorabentscheidung vor

Der Bundesgerichtshof hatte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 8 III Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Bankinstitut gestattet, eine Auskunft über Name und Anschrift eines Kontoinhabers auf das Bankgeheimnis zu verweigern?

Dieses Ersuchen betraf einen Rechtsstreit zwischen einem betroffenen Unternehmen und einem Bankinstitut, das sich weigerte, Auskünfte über ein Bankkonto zu erteilen.

Sonderfall: Produktpiraterie im Internet

Auf einer Internetauktionsplattform wurde gefälschtes Parfum verkauft. Die Lizenznehmerin kaufte nun die angebotene Ware und zahlte den dem Preis der Ware entsprechenden Betrag auf das ihr vom Verkäufer angegebene Bankkonto. Durch den Kauf konnte sie feststellen, dass sie rechtsverletzende Ware erworben hatte. Sie forderte die Internetplattform auf, ihr den wahren Namen des Inhabers des Nutzerkontos bei dieser Plattform mitzuteilen, über das das Parfum unter einem Pseudonym verkauft worden war. Die Person, deren Name ihr mitgeteilt wurde, räumte zwar ein, dass sie Inhaberin des Benutzerkontos sei. Der Verkauf der Ware wurde allerdings ausdrücklich bestritten. Gem. § 19 Abs. 2 MarkenG forderte sie nun das Bankinstitut auf, Name und Anschrift des Inhabers des Bankkontos mitzuteilen. Aufgrund der Weigerung wurde Klage mit Erfolg in erster Instanz erhoben. Das Urteil ging in die Berufung und wurde daraufhin wieder aufgehoben. Das für die Berufung zuständige OLG Naumburg führte aus, zwar seien die vom Bankinstitut erbrachten Dienstleistungen – Führung eines Girokontos – für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzt worden. Doch sei ein Bankinstitut nach § 19 Abs. 2 MarkenG i.V.m. § 383 Abs. 1 ZPO in einem Zivilprozess zur Zeugnisverweigerung berechtigt (sog. Bankgeheimnis). Der BGH hegte an dieser Entscheidung nun Zweifel und legte sie zur Vorabentscheidung wiederum dem EuGH vor.

Frage der Reichweite des Datenschutzes

Es geht dabei um Datenschutz einerseits und die Rechte des geistigen Eigentums andererseits. Schließlich soll einerseits die Vertraulichkeit von Informationen gewährleistet werden. Die Übermittlung eines Namens oder einer Adresse des Bankkunden durch das Bankinstitut stellt dabei eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar. Auf der anderen Seite stehen die Rechte des geistigen Eigentums. Das betroffene Unternehmen hat aufgrund des wirtschaftlichen Schadens durch Produktpiraterie ein besonderes Interesse, den Verletzer in Anspruch zu nehmen sowie Unterlassung und Schadensersatz zu verlangen. Der EuGH entschied, dass eine unbegrenzt und bedingungslos zulässige Berufung auf das Bankgeheimnis das Recht des geistigen Eigentums vereitelt. Eine solche nationale Vorschrift gewährleistet kein angemessenes Gleichgewicht zwischen den gegeneinander abzuwägenden Grundrechten. Der BGH hat damit eine positive Antwort auf seine Vorlage erhalten. Nun muss der BGH prüfen, ob nicht auch andere Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel im nationalen Recht bereitstehen, um sich als Betroffener im Einzelfall wehren zu können. Bislang bleibt betroffenen Unternehmen nur die Möglichkeit, einen Strafantrag zu stellen, wenn die Auskunft über die Identität des Kontoinhabers verweigert wurde. Allerdings ist damit nicht gewährleistet, dass es auch zu hinreichenden Ermittlungen kommt. Wird das Ermittlungsverfahren beispielsweise ohne weitere Ermittlung eingestellt, ist man nicht sonderlich schlauer als zuvor. Dass dies daher nicht zumutbar sei, hat der vorlegende Senat des BGH bislang signalisiert. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus.

Was heißt das für betroffene Unternehmen?

Das Bankgeheimnis wird bei Produktpiraterie über das Internet nun wohl gelockert. Es sollten künftig die Möglichkeiten des Auskunftsanspruchs nach § 19 Abs. 2 MarkenG auch genutzt und nicht allein auf die Unabwägbarkeiten eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vertraut werden.

Was heißt das für Banken?

Um das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und ihren Kunden zu wahren, muss im Einzelfall geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen Daten nicht mehr geheim gehalten werden können. Denn ein Auskunftsverlangen nach § 19 Abs. 2 MarkenG setzt dabei das tatsächliche Vorliegen einer Rechtsverletzung voraus. Wenn ein Konto zur Abwicklung rechtwidriger Geschäfte genutzt wird, wird ein uneingeschränkter Hinweis auf das Bankgeheimnis nicht mehr genügen.

Thomas Ritter ist Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator bei Dr. Scholz & Weispfenning Rechtsanwälte, Wirtschaftskanzlei für Recht und Steuern in Nürnberg


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