„Duplicate content“ als Kündigungsgrund für die außerordentliche Kündigung eines SEO-Vertrags?

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Die Frage, ob Duplicate Content als außerordentlicher Kündigungsgrund im Rahmen eines SEO-Vertrages anzusehen ist, war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Landgericht (LG) München, das mit Urteil vom 19.03.2021 (Az.: 22 O 14761/19) eine außerordentliche Kündigung bejahte.

Hierbei stritt eine Online-Marketing-Agentur, die ihren Schwerpunkt auf Suchmaschinenoptimierung ihrer Kunden legte, mit einem Kunden. Im Mittelpunkt des Streits standen ausstehende Entgelte aus einem Online-Marketingvertrag, dessen Ziel es sein sollte, die Auffindbarkeit des Kunden bei Google zu verbessern. Nachdem der Kunde den Vertrag mit der Begründung des sogenannten Duplicate Contents und Textplagiaten außerordentlich kündigte, begehrte die Marketing-Agentur mit Erhebung der Klage angemessene Vergütung. Das Landgericht wies die Klage ab.

Ein außerordentlicher Kündigungsrund liegt zunächst vor, wenn dem kündigenden Vertragspartner – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen – die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Duplicate Content meint zunächst einen gleichlautenden Inhalt, der sich auf verschiedenen Internetseiten wiederfinden kann. Dabei handelte es sich um Texte, die bis auf wenige Abweichungen kopiert wurden, sodass auf Seiten der Online-Marketing-Agentur von keiner eigenen geistigen Leistung mehr gesprochen werden konnte. Probleme können sich dahingehend insbesondere im Hinblick auf den eigentlichen Vertragszweck, nämlich die Suchmaschinenoptimierung (SEO), ergeben. Möglicherweise führt Duplicate Content zu Verschlechterungen des Suchmaschinenrankings; dies kann im Einzelfall aber kaum nachgewiesen werden.

Verletzung vertraglicher Pflichten - Außerordentlicher Kündigungsgrund bejaht.

Gemäß Urteil des LG München vom 19.03.2021 führte im vorliegenden Fall die Verwendung von Duplicate Content berechtigt zur außerordentlichen Kündigung des SEO-Vertrages durch den Kunden. Vertragliche Pflichten im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses zwischen Online-Marketing-Agenturen und deren Kunden – mit dem Ziel, deren Auffindbarkeit bei Google zu verbessern – seien dadurch im erheblichen Umfang verletzt, dass bestehende Textpassagen vorsätzlich kopiert und entsprechend an die Kunden weitergeleitet werden. Das Landgericht führt an, dass es nahezu lebensfremd sei, in einem solchen Fall von einem zufälligen Verfassen des gleichlautenden Textes auszugehen. Ferner schlage sich in einem bloßen Plagiat eines Textes kein spezielles Know-How oder ein besonderes Können seitens der Agenturen nieder, sodass in der vorsätzlichen Verwendung von Duplicate Content eine grobe Verletzung vertraglicher Pflichten gesehen werden könne.

„Auffällig ist, dass der Text bis auf wenige Einfügungen komplett kopiert worden ist, also keine eigene geistige Leistung der Klägerin voraussetzt. 

[…]

Berücksichtigt werden muss zum einen, dass nach der Überzeugung des Gerichts die zuständigen Mitarbeiter der Klägerin vorsätzlich gehandelt haben müssen. Bei einer Kopie dieses Ausmaßes erscheint es lebensfremd, dass die Mitarbeiter der Klägerin zufällig einen Text desselben (wortgleichen) Inhalts verfasst haben. Zum anderen ist entscheidend, dass der Beklagte die Klägerin wegen ihrer Kenntnisse bei der Suchmaschinenoptimierung beauftragt hat. In einem bloßen Plagiat eines Textes schlägt sich indes kein spezielles Know-How oder ein besonderes Können der Klägerin bzw. ihrer Mitarbeiter nieder.

Das Landgericht erklärt weiter, dass bereits die abstrakte Gefahr einer Verschlechterung des Suchmaschinenrankings ausreiche, um eine Vertragsverletzung seitens der Online-Marketing-Agenturen anzunehmen. Eine solche Gefahr wie auch letztlich die vorsätzliche Verletzung stünde dem Vertragsinteresse der Gegenseite – so das Landgericht – diametral entgegen.

„Zwischen den Parteien streitig ist zwar, ob bzw. wie sich „Duplicate Content“ auf das Ranking von Google auswirkt. Darauf kommt es aber schon nicht an. Ausreichend ist angesichts der Gesamtumstände vielmehr die bereits abstrakte Gefahr einer Verschlechterung. 

[…]

Der Kündigungsgrund besteht also in einer, zur Überzeugung des Gerichts feststehenden, vorsätzlichen groben Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen. Die vorsätzliche Verletzung birgt die (abstrakte) Gefahr einer Verschlechterung der Auffindbarkeit bei Google, steht dem Vertragsinteresse des Beklagten also diametral entgegen."

Es sei dem Kunden als Vertragspartner auch nach Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar, in einem solchen Fall an dem bestehenden Vertrag festzuhalten, da dieser andernfalls verpflichtet sei, jeden von der Agentur erhaltenen Text auf Duplicate Content bzw. Plagiate zu überprüfen. Dies erscheine indes nicht nur unmöglich, sondern stehe dem Vertragszweck wesentlich entgegen. Die jederzeit zu befürchtende Möglichkeit, die erhaltene Leistung schade mehr als dass sie nütze, sei im Ergebnis unhaltbar.

Vertrauen erschüttert.

Durch ein vorsätzliches Kopieren von Textpassagen mit gleichlautendem Inhalt werde das Vertrauen des Vertragspartners, der ganz bewusst eine professionelle Online-Marketing-Agentur beauftragt hat, missbraucht bzw. nachhaltig gestört. Auch unter diesem Gesichtspunkt könne eine Fortführung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden.

Abstrakte Gefahr der Begehung von Urheberrechtsverletzungen ist massive Pflichtverletzung. 

Das Landgericht stellt in seiner Entscheidung ferner ausdrücklich fest, dass der Kunde der abstrakten Gefahr der Begehung von Urheberrechtsverletzungen ausgesetzt sei, was wiederum als vertragliche Pflichtverletzung zu qualifizieren sei. Zu beachten sei dahingehend, dass die sog. Schöpfungshöhe im Urheberrecht nach dem gesetzgeberischen Willen und der ständigen Rechtsprechung gerade nicht sehr hoch angesiedelt werde (vgl. „Schutz der kleinen Münze“).

„Berücksichtigt werden muss letztlich auch, dass die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten sehr wohl in einem erheblichen Umfang verletzt hat und den Beklagten der Gefahr einer urheberrechtlichen Abmahnung aussetzt. Denn nach Ziffer 2.1.2.2. des Auftrags sicherte die Klägerin gerade zu, dass die erstellten Texte dem Kunden gehören sollten. Der pauschale Einwand der Klägerin, das Urheberrecht sei wegen fehlender Schöpfungshöhe regelmäßig nicht erreicht, vermag wenig zu überzeugen. Zum einen ist die Schöpfungshöhe im Urheberrecht nach dem gesetzgeberischen Willen und der ständigen Rechtsprechung nicht hoch anzusetzen („kleine Münze“), zum anderen genügt auch hier die abstrakte Gefahr einer Urheberrechtsverletzung, um der Leistung der Klägerin den Wert zu entziehen.

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RA Thomas Ritter
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator (MuCDR)

Foto(s): RITTER Rechtsanwälte

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