Baurecht bleibt spannend!

  • 5 Minuten Lesezeit

Der 1. Fall beschäftigt sich mit der VOB/A. Dem liegt ein Urteil des OLG Hamm vom 14.10.2016 zu Grunde. Das Gericht hat entschieden, dass ein Bieter trotz ausdrücklicher Vorgabe des Auftraggebers in den Vergabeunterlagen nicht verpflichtet ist, vor Angebotsabgabe die künftige Baustelle zu besichtigen. Vielmehr ist es so, dass nach § 7 Abs. 1 VOB/A der Ausschreibungstext den Bieter in die Lage versetzen muss, ohne vorherige Ortsbesichtigung ein umfassendes Angebot abzugeben.

Eine Stadt als öffentliche Auftraggeberin schreibt die Ertüchtigung einer Eisenbahnunterführung aus. Eine Spezialtiefbaufirma bietet spezielle Erdbecken für die anfallende Rücklaufsuspension des Bohrverfahrens in unmittelbarer Nähe der Baustelle an. Der Spezialtiefbaufirma wird der Zuschlag erteilt. Als sie die Baustelle einrichten will, stellt die Tiefbaufirma fest, dass der Platz für die Erdbecken überhaupt nicht ausreicht. Deshalb bietet sie per Nachtrag eine andere Art für die Entsorgung der Rücklaufsuspension mit Containern an. Die Stadt als Auftraggeberin wehrt sich jedoch gegen die Mehrvergütungsforderung und weist auf ihre Vergabeunterlagen hin, die den Bieter verpflichten, sich die Baustelle anzusehen. Die Stadt begründet dies damit, dass die Baufirma den Platzmangel bei Ortsbesichtigung hätte bereits erkennen können. Die Baufirma ist hingegen der Auffassung, dass eine vorherige Pflicht zur Ortsbesichtigung vergaberechtlich unzulässig ist und klagt ihren Nachtrag ein. Das Gericht kommt zu der Auffassung, dass der Auftraggeber bereits in den Vergabeunterlagen in der Bringschuld ist und alle Informationen für den Bieter bereitstellen muss, damit dieser seine Kalkulation richtig erstellen kann. Weiter sagt das Urteil ausdrücklich, dass eine Verpflichtung zur Ortbesichtigung für den Bieter nicht besteht.

Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts muss der Ausschreibungstext allein so viele Informationen enthalten, dass die Bieter in die Lage versetzt werden, ein umfassendes Angebot abzugeben. Diese Entscheidung halte ich für richtig, da es dem einzelnen Bieter nicht zugemutet werden kann, bei einer Vielzahl von Ausschreibungen im Jahr, die von ihm bearbeitet werden, sich jede Örtlichkeit tatsächlich anzuschauen. Darüber hinaus liegen die Baustellen meist weiter entfernt, sodass bei Annahme einer solchen Pflicht, der Bieter vor Ort einen klaren Vorteil hätte. Deshalb ist die Entscheidung des OLG Hamm zu begrüßen.

Der 2. Fall beschäftigt sich mit einer durchaus in der Praxis häufig vorkommenden Fallkonstellation. Ein Auftragnehmer soll alte Fenster aus und neue Fenster einbauen. Mit der Demontage der alten Fensterelemente beauftragt der Auftragnehmer einen Nachunternehmer. Der Nachunternehmer übersendet ein Angebot zu einem Festpreis von 1.500,00 €, dass der Auftragnehmer mit dem Hinweis annimmt, dass die Demontage in der 45. KW 2014 erfolgen muss. Der Bauleiter des Nachunternehmers sagt die Arbeiten telefonisch einfach ab. Auch mit E-Mail wird die Absage nochmals wiederholt. Der Auftragnehmer beauftragt daraufhin ein anderes Abbruchunternehmen zu einem Preis von 3.000,00 € und verlangt vom Nachunternehmer Schadensersatz in Höhe von 1.500,00 €.

Das Amtsgericht Köln gibt dem Auftragnehmer Recht und bejaht den Schadensersatz. Zunächst stellt das Gericht fest, dass ein Werkvertrag zwischen dem Auftragnehmer und dem Nachunternehmer über die Demontage der Fensterelemente zustande gekommen ist. Weiter geht aus dem Vertrag auch eine feste Ausführungsfrist hervor. Unstreitig hat der Nachunternehmer die Abbrucharbeiten nicht erbracht. Eine Fristsetzung gegenüber dem Nachunternehmer war entbehrlich, da der Nachunternehmer die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat. Das Gericht kommt zu dem richtigen Schluss, dass der Nachunternehmer unmissverständlich durch seinen Bauleiter telefonisch als auch schriftlich per E-Mail die Leistungsausführung verweigert hat. Diesem Urteil kann man nur zustimmen, denn es gilt der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind. Eine Partei, die ihren Vertragspflichten dabei nicht nachkommt, wird dann schadensersatzpflichtig.

Dies kann gar nicht anders sein, da ansonsten Verträge überhaupt keine bindende Wirkung haben würden und sich jeder jederzeit aus einem Vertragsverhältnis verabschieden könnte.

Der 3. Fall geht auf ein Urteil des Landgerichts München zu einem Sicherheitsverlangen nach § 650f BGB zurück. Hier geht es darum, dass der Auftragnehmer mit Rohbauarbeiten beauftragt war. Die Parteien kommen zu einem Schlussabrechnungsgespräch zustande. Der Auftraggeber verweigert Zahlung des Werklohns wegen Ansprüchen aus Ersatzvornahmen wegen Mängeln und auch sonstigen Abzügen. Der Auftragnehmer geht hin und erhebt zunächst Zahlungsklage. Während des Klageverfahrens erweitert der Auftragnehmer die Klage und verlangt im Wege eines Teilurteils die Überlassung einer Sicherheit nach § 650f BGB.

Dieser Fall geht auf das Urteil des Landgerichts München I vom 31. März 2016 zurück. Das Landgericht verurteilt den Auftraggeber auf Überlassung einer Sicherheit. In den Augen des Gerichts stellt dies ein abtrennbarer, eigenständiger Streitgegenstand dar und kann im Wege eines Teilurteils zugesprochen werden. Dieser Sicherheitsanspruch ist von anderen Klage- und Widerklageansprüchen unabhängig. Für die Entscheidung über diesen Antrag kommt es rechtlich ausschließlich darauf an, dass eine Forderung in Höhe des Sicherungsbetrags entstehen kann und noch nicht bezahlt ist.

Bei der Prüfung des Werklohnanspruchs ist jedoch nicht darüber zu entscheiden, in welcher Höhe eine Werklohnforderung tatsächlich begründet und fällig ist und ebenso wenig darüber, ob und wenn ja gegenüber dem Zahlungsanspruch Gegenansprüche des Auftraggebers bestehen. Vom Gesetzeszweck ist es vom Gesetzgeber so gedacht, dass beim Streit um die Sicherheit Einwendungen des Auftraggebers nicht zu beachten sind, die dazu führen, dass die Entscheidung des Gerichts erheblich verzögert wird. Diese Entscheidung ist richtig und entspricht dem Gesetzeszweck. Gegenansprüche des Auftraggebers sind in einem Verfahren über die Gestellung einer Sicherheit nicht zu prüfen, wenn diese zwischen den Parteien streitig sind. Deshalb kann der Auftragnehmer hierüber einen Teilsieg erlangen. Das Gericht kann ein Teilurteil erlassen, das so aussieht, dass der Auftraggeber verpflichtet wird, eine Sicherheit in der geltend gemachten Höhe zu stellen. Insoweit verliert der Auftraggeber den Rechtstreit und hat diesbezüglich auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Über diesen Weg kann man schon Einiges erreichen. Auf jeden Fall ist man zumindest klar im Vorteil. Meistens ist es so, dass die Einigungsbereitschaft des Auftraggebers dadurch gefördert wird.

In dem Zusammenhang ist auch der 3. Fall des Landgerichts Berlin vom 23.09.2016 wichtig. Dem Auftragnehmer sollte bekannt sein, dass gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB der Auftragnehmer nach dem erfolglosen Ablauf der Frist ein Wahlrecht zwischen Leistungsverweigerung oder Kündigung zusteht. Ist der Auftragnehmer hingegangen und hat sich für eine Leistungsverweigerung entschieden, so ist die Fristsetzung verbraucht. Wenn er nach der Leistungsverweigerung auch noch den Vertrag kündigen will, so muss er notwendigerweise eine neue Frist zur Sicherheitsleistung setzen und darf nicht auf die alte Frist zurückgreifen. Hierauf soll unbedingt hingewiesen werden. Deshalb kann man entweder nur die Leistung verweigern oder nur kündigen. Wenn man nach der Leistungsverweigerung die Kündigung aussprechen will, so muss eine weitere Fristsetzung erfolgen. Dies sollte in der Baupraxis unbedingt Beachtung finden.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Carsten Seeger

Beiträge zum Thema