Baurecht in der Baupraxis - einfach mal anwenden!

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Dazu sollen die nachfolgenden Entscheidungen ermuntern.

Der 1. Fall ist schon sehr relevant für die Praxis. Der Auftragnehmer sollte sich merken: Gleichgültig, was vereinbart ist: Die Leistung muss funktionstauglich sein! Das hat das OLG Celle am 16. Mai 2013 entschieden und der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 7. Mai 2015 zurückgewiesen. Das Urteil stellt fest, dass der Auftragnehmer alle erforderlichen Leistungen zu erbringen hat, die nach den Regeln der Technik notwendig sind, auch wenn sie nicht im Leistungsverzeichnis aufgeführt sind. Andernfalls ist die Leistung des Auftragnehmers mangelhaft. Das sollte man sich bewusst machen. Der Auftragnehmer schuldet den Erfolg der Leistung und somit eine funktionstaugliche Leistung. Die Sache geht in dem Urteil für den Auftragnehmer traurig aus. Der Auftragnehmer wird von einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Sanierung von Loggien einer größeren Wohnanlage beauftragt. Der Auftrag umfasst Malerarbeiten, Betonsanierung, Fugensanierung sowie die Bodenbeschichtung. Dem Auftrag liegt ein Leistungsverzeichnis zugrunde, welches vom Architekten der Wohnungseigentümergesellschaft erstellt wurde. Die im Leistungsverzeichnis beschriebenen Bauleistungen entsprechen nicht den Regeln der Technik und bleiben dahinter zurück. Die Sanierung der Loggien führt nicht dauerhaft zum Erfolg. Die Wohnungseigentümergemeinschaft nimmt den Auftragnehmer auf Schadensersatz in Höhe von 300.000,00 € in Anspruch. Der Auftragnehmer beruft sich darauf, dass er die Arbeiten nach dem Leistungsverzeichnis ausgeführt hat. Das ist nicht genug. Es kommt nicht allein darauf an, dass man ein Leistungsverzeichnis als Auftragnehmer abarbeitet, sondern entscheidend ist, dass die vertragliche Leistung funktionstauglich ist. Das gilt selbst dann, wenn im Vertrag eine bestimmte Ausführungsart vereinbart ist, mit der dieses Ziel nicht erreicht werden kann. Wenn der Auftragnehmer den Werkvertrag nicht mit den vereinbarten Leistungen des Leistungsverzeichnisses mit Erfolg ausführen kann, so muss er nach § 4 Absatz 3 VOB/B Bedenken anmelden. Auch beim BGB-Vertrag besteht die Verpflichtung zur Bedenkenanmeldung. Dies folgt als Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis. Auch der häufig gebrachte Einwand des Auftragnehmers, dass der Auftraggeber eine preiswerte Ausführung gewählt hat, ist nicht zielführend. Nichtsdestotrotz bleibt der Auftragnehmer immer gehalten, den werkvertraglichen Erfolg und damit ein funktionstaugliches Werk herzustellen. Diese Rechtsprechung ist nicht neu, wie viele meinen, sondern entspricht der ständigen Rechtsprechung. Seit 2000 hat der Bundesgerichtshof dies bereits im Dachstuhlfall entschieden, so dann weiter im Blockheizkraftwerkfall von 2007 und Elektrodükerfall von 2011.

Im 2. Fall des OLG München vom 21. Mai 2014, welcher der BGH am 30. Juli 2015 wiederum durch Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hat, geht es darum, dass Auftraggeber und Auftragnehmer seit Jahren in laufender Geschäftsbeziehung stehen. Der Auftragnehmer wird immerzu an verschiedenen Bauvorhaben im gesamten Bundesgebiet mit Bauleistungen beauftragt. Zwischen den Parteien ist ein Rahmenvertrag vereinbart, welches verschiedene Bauleistungen zu bestimmten Preisen vorsieht. Der Auftragnehmer macht aus zwei Bauvorhaben für das Gewerk Elektro und Gewerk Heizung noch einen Restwerklohn von 25.000,00 € geltend. Der Auftraggeber beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen falscher Wärmedämmung einer Fußbodenheizung bei einem dritten Bauvorhaben. Der Auftragnehmer wendet ein, dass dem Auftraggeber aus dem dritten Bauvorhaben kein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Dieser Einwand hat keinen Erfolg. Vielfach wird in der gesamten Baupraxis angenommen, dass der Auftraggeber keine Gegenforderung aus einem anderen Bauvertrag und einem anderen Gewerk geltend machen kann. Diese Ansicht ist jedoch falsch. Der Auftraggeber kann ein Zurückbehaltungsrecht genauso wie einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. In dem Fall kann er sogar die Aufrechnung gegenüber dem Werklohnanspruch des Auftraggebers erklären. Mithin kann der Auftraggeber aus anderen Bauvorhaben immer Gegenrechte geltend machen.

Das Gericht hat den Auftraggeber zur Zahlung des Werklohns Zug um Zug gegen die Mängelbeseitigung verurteilt. Das Zurückbehaltungsrecht ist für den Auftragnehmer grundsätzlich belastend, da prozessrechtlich bei einem Zurückbehaltungsrecht nur eine Zug um Zug Verurteilung in Betracht kommt. Die Vollstreckung des Werklohns wird dadurch erheblich erschwert, wenn über den Erfolg der Mängelbeseitigung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer dann noch Streit besteht. Denn die Vollstreckung setzt voraus, dass der Auftragnehmer im Vollstreckungsverfahren den Erfolg der Nachbesserung nachweist. In dem Fall muss der Auftragnehmer erneut auf Feststellung klagen, dass die Mängelbeseitigung erfolgreich durchgeführt wurde.

Schließlich noch der 3. Fall des OLG Köln vom 30. Juli 2013, indem es um die Umplanung einer Fassade ging, die zu einer Behinderung des Fassadenbauers geführt hat. Der Fassadenbauer wird mit Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten beauftragt. Die vom Auftraggeber nach Vertragsschluss vorgelegte Fassadenplanung wird umfangreich geändert, weshalb es zu einer erheblichen Bauunterbrechung kommt, da zahlreiche Fragen ungeklärt sind.

Der Auftraggeber macht es sich einfach und erklärt nach der Überschreitung der vertraglichen Ausführungsfristen die Kündigung des Bauvertrages und verlangt Fertigstellungsmehrkosten in Höhe von 1,2 Mio. €. Anscheinend war es dem Auftraggeber zu viel, mit dem Auftragnehmer ständig zu kommunizieren. Das ist jedoch kein Kündigungsgrund. Der Auftraggeber hatte keinen Erfolg. Das OLG Köln hat festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine verzugsbedingte Kündigung nicht vorliegen. Das sagt eigentlich schon der gesunde Menschenverstand. Rechtlich dogmatisch wird dies damit begründet, dass die vom Auftraggeber gewünschte Umplanung nach § 1 Abs. 3 VOB/B, die vom ursprünglich vereinbarten Bausoll abweicht, eine Änderungsanordnung darstellt. Somit wird dies als aus der Risikosphäre des Auftraggebers zuzuordnende offenkundige Behinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 VOB/B eingeordnet. Denn die Übergabe aller für die Ausführungen nötigen freigegebenen Pläne gehört zur notwendigen Mitwirkungshandlung des Auftraggebers.

Mithin verlängern sich vereinbarte Ausführungsfristen, soweit die Umplanung ihren maßgeblichen Grund darin hat, dass der Auftraggeber die Umplanung zu vertreten hat. Somit folgert das OLG Köln richtig, dass sich der Auftragnehmer mit der Ausführung seiner Leistungen zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht in Verzug befand. Gleichzeitig stellt das OLG Köln fest, dass der Auftragnehmer nicht verpflichtet war, die Folgen der Behinderung durch die Ergreifung von Beschleunigungsmaßnahmen aufzufangen. In dem Zusammenhang soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass das OLG Köln in dem Fall eine offenkundige Behinderung bejaht hat. Nichts desto trotz kann man nur raten, dass der Auftragnehmer bei Umplanungen oder anderen Änderungsanordnungen durch den Auftraggeber immer Behinderung anzeigt und diese auch wieder abmeldet.

Diese Abmeldung der Behinderung ergibt sich aus § 6 Abs. 3 Satz 2 VOB/B. Nur dann kann man entsprechend auch den genauen Behinderungszeitraum berechnen.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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