Berufsunfähigkeitsversicherung – hafte ich für falsche Angaben des Versicherungsvertreters?

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BGH, Beschluss vom 05. Juli 2017 – IV ZR 508/14

Berufsunfähigkeitsversicherung – hafte ich für falsche Angaben des Versicherungsvertreters?

Für die Frage, ob bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung eine Anzeigeobliegenheit verletzt wurde, genügt es nicht, dass die im Antragsformular schriftlich festgehaltenen Antworten auf die Fragen zum Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers objektiv falsch sind. Wenn der Versicherungsnehmer nachvollziehbar behauptet, seinen Versicherungsvertreter über Vorerkrankungen, ärztliche Untersuchungen oder Behandlungen informiert zu haben, hat der Versicherer die Beweislast für das Gegenteil. Allein die mündlichen Angaben des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherungsvertreter sind bei der Frage danach, ob diese objektiv falsch waren, maßgeblich. 

Die Angaben im Versicherungsantrag

Der Versicherungsnehmer schloss im Jahre 2010 eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Den Versicherungsantrag nahm ein Versicherungsvertreter des Versicherers auf, indem er nach mündlicher Befragung des Versicherungsnehmers die Eintragungen in das Antragsformular tätigte. Dabei beantwortete der Vertreter sämtliche Gesundheitsfragen (unter anderem nach ärztlichen Beratungen, Behandlungen und Untersuchungen wegen Krankheiten und Beschwerden während der letzten fünf Jahre, insbesondere auch Rückenbeschwerden) mittels Ankreuzen des "Nein"-Formularfeldes. Darüber hinaus enthielt der Antrag folgenden Passus „Falls Sie keinen Arzt angeben, bestätigen Sie bitte, dass in den letzten 5 Jahren kein Arztbesuch stattgefunden hat“. Der Vertreter kreuzte hier das Kästchen mit der Antwort „ja, ich habe keine Ärzte aufgesucht“ an.

Tatsächliche Vorerkrankungen und Arztbesuche 

Tatsächlich hatte der Versicherungsnehmer 11 Jahre zuvor eine Bandscheibenvorwölbung erlitten und seine Hausärztin in den fünf Jahren vor Antragstellung insgesamt zehnmal wegen Rückenbeschwerden aufgesucht. Ebenfalls in den fünf Jahren vor Antragstellung war es zu einer Facharztüberweisung, einer Krankschreibung und weiteren ärztlichen Behandlungen – auch wegen des Rückens – gekommen. Noch Anfang 2010 hatte die Hausärztin des Versicherungsnehmers darüber hinaus eine „Lumboischialgie durch Bandscheibenschaden, Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei Bandscheibenschäden“ dokumentiert. Dem Versicherungsnehmer waren schmerz- und entzündungshemmende Medikamente verordnet worden. Mitte 2011 machte der Versicherungsnehmer Ansprüche aus seiner Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung wegen einer behaupteten Erkrankung an Morbus Bechterew (chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung) geltend. Nachdem der Versicherer die Krankengeschichte des Versicherungsnehmers ermittelt hatte, focht sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an und lehnte Leistungen ab. 

Wer hat was gesagt und was verschwiegen?

Der Versicherungsnehmer zog vor Gericht, verlor in zwei Instanzen und schaltete dann den BGH ein. Dieser gab ihm vorerst recht, hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück. Die Vorinstanzen hatten die Klage aus zwei Gründen abgewiesen. Zum einen seien die Angaben im Antragsformular objektiv falsch gewesen. Es hatte schließlich in den letzten fünf Jahren Arztbesuche gegeben. Zum anderen wurde dem Versicherungsnehmer Arglist vorgeworfen, weil er – so die Vorinstanzen – bewusst einen unzutreffenden Eindruck über seinen Gesundheitszustand hervorgerufen und seine Beschwerden bagatellisiert habe. 

Es stellte sich nämlich heraus, dass der Versicherungsnehmer dem Vertreter auf entsprechende Fragen nur erklärt hatte, dass er wegen Rückenschmerzen in Behandlung gewesen war, allerdings bei den Untersuchungen nichts herausgekommen sei. Die Ärzte hätten ihn wie einen Simulanten behandelt. CT-Untersuchung, Krankschreibung und Medikamente erwähnte er nicht. Die Entscheidung aber, ob die Gesundheitsfragen in den Anträgen mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden, habe der Versicherungsvertreter getroffen. 

Der Vertreter bestätigte die Angaben des Versicherungsnehmers vor Gericht. Ihm sei bekannt gewesen, dass der Versicherungsnehmer wegen Rückenschmerzen ärztlich untersucht worden ist. Er habe ihn deshalb gefragt, ob etwas dabei herausgekommen sei. Dies habe der Versicherungsnehmer verneint. Deswegen habe er die Rückenprobleme nicht aufgenommen, weil er nichts mehr versichern würde, wenn er das in jedem Fall machte. Soweit er wisse, habe der Versicherungsnehmer nichts verschrieben und auch keine Behandlung bekommen, es sei nichts gewesen, deshalb sei der Versicherungsnehmer in seinen Augen gesund gewesen. 

Der BGH stellt alles richtig

Der BGH hielt beide Klageabweisungsgründe für hinfällig. Nur weil die Angaben im Antragsformular objektiv falsch seien, heiße das nicht, dass der Versicherungsnehmer objektiv unrichtige Angaben gemacht hat. Der Senat begründete dies mit seiner „Auge- und Ohr-Rechtsprechung“. Der Versicherungsagent steht danach dem Antragsteller während des Antrags und Abschlusses eines Versicherungsvertrages bildlich gesprochen als das Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Alles was ihm gesagt und vorgelegt wird, ist damit auch dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden. Auch den Arglistvorwurf ließ der BGH nicht gelten. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung setze voraus, dass eine etwaige Täuschung durch den Versicherungsnehmer einen Irrtum des Vertreters kausal hervorgerufen hat. Hier hatte aber der Versicherungsvertreter ausgesagt, dass er sich trotz der Angaben des Versicherungsnehmers gedacht habe, es sei nichts, weil er im Übrigen ja auch sonst keine Versicherungen verkaufen würde (sprich: wenn er alles wahrheitsgemäß angeben würde). 

Nochmal Glück gehabt

Der BGH hielt es für möglich, dass hier das eigene wirtschaftliche Interesse des Agenten Triebfeder für die objektiv falschen Angaben im Antragsformular war. Zwar habe der Versicherungsnehmer lückenhafte Angaben gemacht und womöglich seinen Zustand bagatellisiert. Er habe dem Vertreter jedoch wahrheitsgemäß gesagt, dass er wegen seines Rückens bei Ärzten gewesen war. Der Vertreter hatte trotzdem „Nein“ angekreuzt. Ein Irrtum war damit nicht gegeben. Versicherungsnehmer sollten sich trotz dieser Rechtsprechung allerdings bewusst sein, dass lückenhafte Angaben im Antragsformular nicht immer einen solch glimpflichen Ausgang haben.


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