Berufsunfähigkeitsversicherung – Klausel "versicherter Beruf"

  • 3 Minuten Lesezeit

BGH, Urteil vom 15. Februar 2017 – IV ZR 91/16

Verbraucherverband vs. Allgemeine Versicherungsbedingungen – die Klausel über den Begriff „versicherter Beruf“

Der BGH hat sich erneut den Allgemeinen Versicherungsbedingungen gewidmet und die Abweichung vom allgemeinen Verständnis des versicherten Berufs in einer Klausel für intransparent befunden. Die Entscheidung traf das Gericht ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und unter Berücksichtigung seiner Interessen.

Was war passiert?

Es klagte ein Verbraucherverband gegen einen Versicherungsverein u. a. auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel in Verträgen über Berufsunfähigkeitsversicherungen, die als Leistungsversprechen die Zahlung einer Rente sowie die Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit vorsehen. Als „versicherter Beruf“ sollte die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit gelten, allerdings mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 % als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird, demnach sitzend.

Der Klage vorangegangen war folgende Situation: Ein Versicherungsinteressent bat seine Versicherung um zwei verschiedene Vertragsangebote zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Im "Angebot Nr. 1" bot die Versicherung den Abschluss eines Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu einem Jahresbeitrag von 1.593,58 € an. Nach den hier maßgeblichen Allgemeinen Bedingungen sollte als versicherter Beruf die berufliche Tätigkeit, die zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübt wurde, gelten. Das "Angebot Nr. 2" zu einem Jahresbeitrag von 1.127,16 € enthielt zusätzlich die o. g. streitgegenständliche Klausel. Zum Abschluss des Vertrages kam es in der Folgezeit nicht. Der Verbraucherverband schaltete sich ein und hielt die Klausel sowohl wegen fehlender Transparenz als auch wegen inhaltlicher Unangemessenheit für unwirksam. Der Versicherungsverein verlor in zwei Instanzen und legte Revision beim BGH ein. 

BGH bestätigt Verstoß gegen das Transparenzgebot

Der BGH bestätigte den Verbraucherverband und das Urteil des Berufungsgerichts als rechtsfehlerfrei und widmete sich ebenfalls der inhaltlichen Prüfung der Klausel. Das Gericht hatte bereits erhebliche Bedenken, ob die angegriffene Klausel nicht schon wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam ist und stellte dabei auf den Sinn und Zweck einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die gerade der Absicherung der konkreten beruflich geprägten Lebensstellung dient, ab. Entschieden werden musste dies aber nicht. Denn die Klausel verstieß bereits gegen das gesetzlich verankerte Transparenzgebot. Hiernach ist der Verwender Allgemeiner Geschäfts- (hier: Versicherungs-)bedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. 

„Fingierter“ Beruf zählt nicht – konkrete Tätigkeit entscheidend

Das Gericht verwies auf die eigene Auffassung des Versicherungsvereins, wonach für die Berufsunfähigkeit in dieser Klausel auf einen fingierten Beruf (mindestens 90 % als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei) abgestellt wird. Das erachtete der BGH als intransparent und betonte insbesondere, dass das in der streitgegenständlichen Klausel gezeichnete Berufsbild von sonst allgemein üblichen Klauseln der Berufsunfähigkeitsversicherungen sowie vom Berufsbild im Gesetz, genauer § 172 Abs. 2 VVG, abweiche. Grundsätzlich werde auf den tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet ist; hier aber auf einen fingierten Beruf, der mit der tatsächlichen Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers nichts zu tun haben muss. Der BGH befand, dass sich diese Abweichung vom allgemeinen Verständnis des versicherten Berufs einem durchschnittlichen Versicherungsinteressenten bei der Entscheidung über die Auswahl der beiden ihm unterbreiteten Angebote nicht hinreichend erschließt und damit intransparent ist. 

BGH stärkt erneut die Rechte von Versicherungsnehmern

Die Versicherung durfte demnach früher gemäß der nunmehr unwirksamen Klausel davon ausgehen, dass der Versicherungsnehmer, ganz gleich welchen Beruf er nun ausübte, 90 % seiner Arbeit sitzend am Schreibtisch verrichtete. Berufsunfähigkeit lag damit selten vor, wenn die Tätigkeit grundsätzlich stehend, gehend und/oder wenig sitzend verrichtet wurde. Dass dies so nicht richtig sein kann, hat der BGH nun deutlich klargestellt. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Krings

Beiträge zum Thema