Bestimmung des anzuwendenden Rechts auf Rechtsbeziehungen für Leihmutterschaft in der Ukraine

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Die Zahl der Kindergeburten von Leihmüttern für deutsche Paare in der Ukraine nimmt stetig zu.

Die Frage, die „Wunscheltern“ als rechtliche Eltern einzutragen, bleibt jedoch im Gegensatz zur Ukraine in Deutschland ein langwieriger und meist kontroverser Prozess mit negativem Ausgang.

Unter Berücksichtigung der beiden letzten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 20. März 2019 in den Rechtssachen XII ZB 530/17 und XII ZB 320/17 über die Elterneintragung der Kinder, die von Leihmüttern in der Ukraine geboren wurden, ist in diesen Angelegenheiten die prinzipielle Frage der Anwendung der Kollisionsnorm für Bestimmung, welches Recht auf die umstrittenen Rechtsbeziehungen für die Abstammung eines solchen Kindes anzuwenden ist.

In beiden Entscheidungen hat das höchste Gericht in Deutschland festgestellt, dass das Recht des Staates, in dem das geborene Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, auf diese Rechtsbeziehungen nach Absatz 1 Artikel 19 EGBGB anzuwenden ist. So ist das Recht der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden und nicht das Recht der Ukraine – des Geburtslandes.

Die Schlussfolgerung des Bundesgerichtshofs der BRD scheint jedoch nicht so unbestritten zu sein, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Die Schlussfolgerung darüber, dass „das ukrainische internationale Privatrecht keine ausdrückliche Regelung für die Abstammung eines Kindes von seiner Mutter enthält“, betrifft das Gericht auf der Grundlage von Artikel 65 des ukrainischen Gesetzes „Über das internationale Privatrecht“, wonach sich die Feststellung und Anfechtung der Vaterschaft nach dem persönlichen Gesetz (Personalstatut) des Kindes im Zeitpunkt seiner Geburt richtet.

Durch eine gewöhnliche Übersetzung aus dem Ukrainischen ins Deutsche scheint es, dass sich diese Rechtsnorm nur auf das Recht über Feststellung und Anfechtung der Vaterschaft und überhaupt nicht auf die Feststellung und Anfechtung der Mutterschaft bezieht.

Dies ist jedoch eine falsche Schlussfolgerung.

Die mütterliche Abstammung hat in den meisten Rechtssystemen Priorität über die väterliche Herkunft für die Bestimmung der Staatsangehörigkeit des Kindes.

Der Grund liegt in der Tatsache, dass die Mutter und nicht der Vater das Kind zur Welt bringt und die mütterliche Abstammung durch die Tatsache der Geburt selbst von einer medizinischen Einrichtung leichter festzustellen ist.

In den meisten Fällen kann die Feststellung der väterlichen Abstammung ohne Mutter nicht erfolgen. Die Ausnahme ist, wenn die Vaterschaft vor Gericht und/oder durch eine DNA-Prüfung bestätigt wird.

Daher kann die gesetzliche Regelung der Vaterschaftsfeststellung von einem Gesetzgeber ohne Festlegung des Verfahrens zur Mutterschaftsfeststellung nicht durchgeführt werden, da diese beiden rechtlichen Institutionen eng miteinander verbunden sind.

Und nun zur Übersetzung (zum Interpretieren) der Begriffsbedeutungen „Eltern“, „Elternschaft“ und „Mutterschaft“.

Aus dem Deutschen ins Ukrainische übersetzt man „Eltern“ und „Vater“ mit den Wurzelwörtern „батьки“ und „батько“, wobei das Wort „батьківство“ sowohl die direkte Bedeutung „Vaterschaft“ als auch eine umfassendere Bedeutung beinhaltet, die den Begriff „Mutterschaft“ einschließt.

Im ukrainischen Familienrecht werden beispielsweise solche rechtlichen Begriffe wie „elterliche Rechte“, „elterliche Sorge“ und „elterliche Erziehung“ verwendet. Darunter versteht man die Rechtsausübung einschließlich Sorge um die Kinder und Erziehung der Kinder von beiden Elternteilen (sowohl von der Mutter als auch von dem Vater) und nicht nur die Rechte des Vaters allein. Wörtlich übersetzt man dies aber als „väterliche Rechte“, „väterliche Sorge“ und „väterliche Erziehung“.

Daher ist Artikel 65 des ukrainischen Gesetzes „Über die IPR“ sowohl auf die Beziehungen der Feststellung und Anfechtung der Vaterschaft als auch auf die Beziehungen der Feststellung und Anfechtung der Mutterschaft zweifellos zu deuten und anzuwenden.

Wenn diese Argumente nicht als ausreichend gelten, wird Artikelnorm 65 des Gesetzes auf die Beziehungen zur Feststellung der Mutterschaft als ihnen am ähnlichsten angewendet werden aufgrund der Analogie des Gesetzes nach dem Artikel 8 des BGB der Ukraine („Analogie“).

Laut Artikel 16 des Gesetzes der Ukraine „Über die IPR“ als (1) persönliches Gesetz (Personalstatut) des Kindes gilt das Recht des Staates, dessen Staatangehörigkeit es hat (2). Wenn eine Person Staatsangehöriger zweier oder mehrerer Staaten ist, ist ihr persönliches Gesetz das Recht des Staates, mit dem sie am engsten verbunden ist, insbesondere wo sie ihren Wohnsitz oder ihre Haupttätigkeit hat.

In Artikel 7 des ukrainischen Gesetzes „Über die Staatsangehörigkeit in der Ukraine“ ist verankert, dass eine Person, deren Eltern oder Elternteil zum Zeitpunkt ihrer Geburt Bürger der Ukraine waren/war, ein ukrainischer Staatsangehöriger ist. Eine Person, die das Recht hat, die ukrainische Staatsangehörigkeit durch Geburt zu erwerben, ist seit dem Moment der Geburt ein ukrainischer Staatsangehöriger.

So erwirbt nach ukrainischem Recht ein Kind, das in der Ukraine von einer Leihmutter geboren wurde, automatisch die ukrainische Staatsbürgerschaft.

Nach § 4 Staatsangehörigkeitsgesetz erwirbt ein Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Das Bundesgesetz gibt es direkt nicht an, ob das Kind zum Zeitpunkt der Geburt im Ausland automatisch die Staatsangehörigkeit der BRD erwirbt, wenn einer der Elternteile die deutsche Staatsangehörigkeit hat.

Auf der Website der deutschen Botschaft in der Ukraine wird darauf hingewiesen, dass das geborene Kind die deutsche Staatsangehörigkeit nicht automatisch erwirbt, wenn es im Ausland geboren wird oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates automatisch erwirbt.

Es erwirbt die Staatsangehörigkeit der BRD erst zu dem Zeitpunkt der Tatsachenbeurkundung seiner Geburt durch einen deutschen Staatsbürger. Dies soll innerhalb eines Jahres durch Beantragung erfolgen.

Nach § 1591 BGB ist Mutter eines Kindes die Frau, die es geboren hat.

Die ukrainische Leihmutter bestätigt dies zusammen mit dem Vater des Kindes durch die Einreichung einer Erklärung zur Vaterschaftsanerkennung vor der deutschen Botschaft.

Nach ukrainischem Recht ist sie die Mutter des Kindes gemäß der ärztlichen Bescheinigung seit dem Zeitpunkt der Geburt und bis zur Eintragung in das Zivilstandsregister beim Standesamt deutscher „Wunscheltern“ als rechtliche Eltern des Kindes.

So erwirbt ein Kind, das von einer Leihmutter geboren wurde, die ukrainische Staatsbürgerschaft von dem Zeitpunkt seiner Geburt an, da seine Mutter in diesem Zeitpunkt ukrainische Staatsbürgerin ist.

Und es erwirbt die deutsche Staatsbürgerschaft erst zu dem Zeitpunkt der Antragseinreichung vor der Botschaft, in dem die Beurkundung seiner Geburt von einem deutschen Staatsbürger bestätigt wird und ein Kinderpass beantragt wird.

Falls das Kind nach ausländischem Recht auch die Staatsangehörigkeit des Vaters automatisch erwirbt, soll die Feststellung des persönlichen Gesetzes des Kindes auf der Grundlage von Teil 2 Artikel 16 des Gesetzes der Ukraine „Über die IPR“ erfolgen. Dabei hat das Kind mit der Ukraine am engsten auf den folgenden Gründen verbunden:

  • Tatsächliche Geburt und dementsprechend Wohnsitz bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus der Ukraine;
  • Die biologische (Leih-) Mutter und der Staat Ukraine tragen die volle Verantwortung für das Kind bis zum Zeitpunkt, wenn ihre „Wunscheltern“ als Eltern im Standesamt nicht eingetragen werden und das Kind zu einem neuen ständigen Wohnsitz nicht verbracht wird. Gerade diese Verbindung kann nicht in Frage gestellt werden, weil „Wunscheltern“ auch das Kind aus verschiedenen Gründen nicht nehmen können. Sie haben zum Beispiel ihre Meinung geändert, weil das Kind krank geboren wurde. Oder andere Umstände sind entstanden, die dies unmöglichen. Es gibt solche Fälle, und sie sind keine einzelnen Fälle;
  • Die Geburt eines Kindes erfolgt auf der Grundlage eines Vertrags über die Behandlung von Unfruchtbarkeit und über die Kindesaustragung, die eben in der Ukraine nach ukrainischer Gesetzgebung abgeschlossen und erfüllt wird.

Der letzte rechtliche Aspekt ist auch wichtig, weil er berücksichtigt, dass die Geburt eines Kindes auf der Grundlage eines Vertrags zwischen den „Wunscheltern“ und der Leihmutter erfolgt. Und der Vertragsabschluss wird vom Staat durch die Annahme geeigneter Rechtsvorschriften gefördert.

Ein solcher Vertrag wird auf der Grundlage der Willenserklärung von dem Staat, der Leihmutter und den „Wunscheltern“ abgeschlossen.

(Fortsetzung des Rechtstipps siehe im 2.Teil)


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