Das Gericht findet in der Ukraine statt und der Angeklagte ist in Deutschland. Wie können Ihre Rechte geschützt sein?

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Es kann geschehen, dass ein Unternehmen oder ein deutscher bzw. ausländischer Bürger, die nicht in der Ukraine sind, von einem ukrainischen Gericht eine offizielle Benachrichtigung bekommt, dass gegen sie eine zivile oder wirtschaftliche Klage in der Ukraine eingereicht wurde und rechtshängig ist.

Zweifellos gibt das Gerichtsverfahren in einem anderen Staat keine Gewissheit und keine zusätzlichen Chancen auf Erfolg. Die Gerichtskosten sind in diesem Fall auch kaum prognostiziert.

Darum geben die Ausländer, meisten von denen in vertraglichen Geschäftsbeziehungen mit ukrainischen Auftragnehmern stehen, keine Zustimmung für Gerichtsbarkeit der Rechtsstreite mit ausländischem Element vor ukrainische Gerichte.

Die Eröffnung der Sache beim Gericht gegen einen Ausländer in der Ukraine, der im Ausland ist, ist nach Änderungsanträgen zu Artikel 76 des Gesetzes der Ukraine "Über internationales Privatrecht" möglich geworden, der die Gründe der Rechtszuständigkeit für Fälle mit ausländischem Element vor ukrainische Gerichte festlegt, sogar wenn sich der Angeklagte nicht innerhalb der Ukraine befindet.

Insbesondere nach Art. 76 des Gesetzes ist ein ukrainisches Gericht zuständig, ein Verfahren gegen eine ausländische Person in folgenden Fällen zu eröffnen und zu verhandeln:

- Wenn die Parteien im Vertrag die Zuständigkeit der Sache mit ausländischem Element bei den ukrainischen Gerichte vorgesehen haben, außer den Fällen der ausschließlichen Zuständigkeit  gemäß Artikel 77 dieses Gesetzes;

- Wenn der Angeklagte einen Wohnsitz oder Standort, Mobilien oder Immobilien in der Ukraine hat, auf die die Vollstreckung verhängt werden kann, bzw. wenn sich eine Niederlassung oder Vertretung von ausländischer angeklagter juristischer Person in der Ukraine befindet;

- In Schadensersatzansprüchen, falls der Schaden in der Ukraine verursacht wurde;

- Wenn eine Privatperson mit Wohnsitz in der Ukraine als Kläger oder eine juristische Person mit dem Standort in der Ukraine als Angeklagte in Schadensersatzansprüchen ist;

- Eine Handlung oder ein Ereignis, was zu Klagegrund geworden ist, fand in der Ukraine statt.

In den meisten Fällen, wenn die Parteien die Zuständigkeit bei ukrainischen Gerichten nicht vereinbart haben, benutzt man in Klagen gegen Ausländer, die in der Ukraine rechtshängig sind, gerade „die Handlung oder das Ereignis, welche/welches zu Klagegrund geworden und in der Ukraine stattfand ist" für die Begründung der Gerichtsbarkeit vor ukrainische Gerichte.

Unter dem Begriff «Handlung» und «Ereignis» versteht man die juristischen Tatsachen, mit denen Folgen in Form einer Entstehung, Änderung oder Beendigung von bürgerlichen Rechten und Pflichten verbunden werden, wie z. B. Vertragsabschluss, Eheschließung, Geburt eines Kindes, Verkehrsunfall usw.

Wenn ein Geschäfts- oder Zivilvertrag in der Ukraine abgeschlossen wurde und ein Rechtsstreit aufgrund dieses Vertrags entstand, wird der Kläger eine Grundlage haben, die Zuständigkeit eines solchen Rechtsstreits gerade in einem ukrainischen Gericht zu begründen.

Was ist zu tun, um einen unerwarteten Gerichtsverfahren gegen Sie oder Ihr Unternehmen in der Ukraine zu vermeiden?

Wenn die Beziehungen in der Ukraine ziviler oder geschäftlicher Art aufgrund eines Vertrages sind, soll man den Gerichtszuständigkeit im Rahmen einer solchen Vereinbarung vorzeitig klären und der ukrainischen Gegenpartei eine Rechtsgrundlage entziehen, die oben genannten Rechtsnormen zu benutzen.

Handelt es sich um Geschäftsbeziehungen, kann man das Recht anwenden, das in New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New York, 1958) und im Europäischen Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1961 vorgegeben ist, und eine selbständige Schiedsklausel im Vertrag angeben, wo das Land, das zuständige Schiedsgericht (Schiedsgerichtsbarkeit), sein Einrichtungsverfahren und das Recht des Staates vorgesehen werden, das bei der Gerichtsverhandlung eines möglichen Handelsstreits angewendet wird.

Es ist auch möglich, im Vertrag die Rechtszuständigkeit vor ukrainische Gerichte auszuschließen, indem es festgestellt wird, dass alle Rechtsstreite aus diesem Vertrag durch das Gericht am Standort des Angeklagten beigelegt werden.

Die Parteien können diese Klauseln in Geschäfts- oder Zivilverträgen vorgesehen, und solche Fassung entspricht Art. 23 der Handelsprozessordnung und Art. 22 der Zivilprozessordnung der Ukraine, was dem Kläger erlaubt, bei keinem ukrainischen Gericht zu verklagen, wenn sich der angeklagter Ausländer in der Ukraine nicht befindet.

Eine Vereinbarung über die Gerichtszuständigkeit  kann getrennt von dem grundlegenden Vertrag abgeschlossen werden, auch durch Briefwechsel, wenn die Geschäftsbeziehungen nur aufgrund der  Rechnungen von einer Partei und Zahlungen von anderer Partei  entstehen.

Wie soll eine ausländische Person in der Situation tun und worauf achten, wenn sie eine Mitteilung von einem ukrainischen Gericht über die Rechtshängigkeit nach der Klage einer ukrainischen Partei doch bekommen hat?

Das ordnungsgemäße Rechtsverfahren in der Ukraine, besonders das gewährleistete Zugangsrecht zu Gericht für einen Ausländer als Bestandteil des gerechten  Gerichtsverfahren, muss seit dem Zeitpunkt der Benachrichtigung und Sendung aller erforderlichen Unterlagen an die Parteien von einem ukrainischen Gericht unvermeidbar gewährleistet werden.

Die Frage der Benachrichtigung ausländischer Personen wird durch die Bestimmungen Haager Zustellungsübereinkommens „Über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil oder Handelssachen“ vom 15.11.1965 verordnet, deren Mitglieder die Ukraine und EU-Staaten sind.

Mögliche Verstöße gegen das Verfahren der Benachrichtigung einer Partei im Ausland vom ukrainischen Gericht können sein:

- Keine Benachrichtigung oder die Benachrichtigung des Angeklagten im Ausland von einer nicht zuständigen Behörde gemäß den Bestimmungen des Haager Übereinkommens;

- Sendung gerichtlicher Unterlagen einem Angeklagter in einem nicht vollen Umfang oder mit bestimmten Mängeln, besonders ohne ordnungsgemäße Übersetzung der Unterlagen, die von einem Übersetzer gemäß den Anforderungen der Ukraine angefertigt und notariell beglaubigt sein soll;

in diesem Fall ist darauf zu achten und festzustellen, welche Dokumente der Ausländer von zuständigen Justizbehörden in seinem Land erhält hat, da nicht alle Behörden, insbesondere in Deutschland, entsprechende Nachweise über Bestandteile des Postpakets geben.

Die Ukraine ist ein Mitglied Europäischer Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.XI.1950, daher ist es in den ukrainischen Prozessordnungen vorgesehen, dass die Gerichte verpflichtet sind, die Anforderungen dieser Konvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Rechtsquelle anzuwenden.

Unter diesen Voraussetzungen wird die Nichteinhaltung des Rechts eines Ausländers auf eine gerechte Gerichtsverhandlung, insbesondere im Teil für Prinzipe der Unabhängigkeit des Gerichts, der  Gleichheit der Parteien und des Zuganges zum Gericht, als Rechtsverletzung eines ausländischen Angeklagter angesehen.

Die vom Gericht zugelassenen Regelverstöße gegen die Rechtszuständigkeit und die Rechte eines Ausländers als einer Partei in der ukrainischen Gerichtsverhandlung, sowohl die Rechte auf ein gerechtes Gerichtsverfahren sind Grund, gegen Gerichtsurteil erster Instanz vor Berufungs- und Revisionsbeschwerde einzulegen.

Weisen die Gerichte der Ukraine die Beschwerden eines Ausländers ab, wird dann zuständiges ausländisches Gericht, beispielsweise deutsches Gericht, alle Gründe haben, den Antrag eines ukrainischen Klägers auf Anerkennung und Vollstreckung eines ukrainischen Gerichtsurteil in Deutschland abzuweisen gemäß §328 BGB Deutschlands (Anerkennung ausländischer Urteile).

In diesem Fall ist es wichtig, alle Beweise aufzubewahren, die bestätigen würden, dass ukrainische Gerichte die Anforderungen des internationalen Übereinkommens und innerer Gesetzgebung nicht einhalten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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