Betriebsschließungsversicherung und Corona

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Die Betriebsschließungen während Corona bringen zahlreiche Unternehmen in erhebliche Schwierigkeiten. Viele Betriebe haben allerdings eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. 

Wir erklären, ob Sie Zahlungen der Betriebsschließungsversicherung verlangen können, wenn Ihr Betrieb wegen Corona schließen musste.

Inhalt

  1. Betriebsschließungsversicherung im Allgemeinen
  2. Zahlt die Betriebsschließungsversicherung bei Schließungen wegen Corona?
  3. Vergleiche bei Corona-Schließungen
  4. Was tun?
  5. Fazit

1. Betriebsschließungsversicherung im Allgemeinen

a. Was ist eine Betriebsschließungsversicherung?

Schon ihrem Namen nach schützt die Betriebsschließungsversicherung Betriebe vor wirtschaftlichen Schäden, die durch die (vorübergehende) Schließung entstehen. 

Hauptanwendungsfall ist, dass der Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) schließen muss. Dies dürfen Behörden unter anderem anordnen, wenn vom Betrieb eine „Seuchengefahr“ ausgeht. 

Im Regelfall geht es dann darum, dass in den Räumlichkeiten eine meldepflichtige Krankheit oder ein Krankheitserreger gefunden wird. 

Betroffen von solchen Schließungen ist vor allem die Gastronomie.

Beispiel: In der Küche eines Restaurants werden Salmonellen gefunden. Der Betrieb wird durch die Behörde geschlossen.

b. Was deckt eine Betriebsschließungsversicherung ab?

Im Versicherungsvertrag wird individuell vereinbart, unter welchen Umständen der Versicherer Schäden übernehmen muss und wie hoch seine Leistungspflicht ist. Was genau abgedeckt ist, hängt also von den Inhalten Ihres Vertrags ab. 

Im Allgemeinen aber werden meist diese Posten vom Versicherer übernommen:

  • Fortlaufende Kosten während der Schließung (z.B. Pacht, Stromkosten für laufende Kühlschränke usw.) sowie der entgangene Gewinn durch die ausbleibenden Umsätze. Dieser Posten ist meist auf 30 bis 60 Tage begrenzt.

  • Gehaltszahlungen für Mitarbeiter.

Die Zahlungspflicht des Versicherers entfällt meist, wenn Sie für den Ausgleich der entstandenen Schäden bereits einen Anspruch gegen den Staat haben. 

Das kann bei einer behördlichen Schließung in Ausnahmefällen durchaus möglich sein (vgl. § 56 Abs. 1 IfSG).

2. Zahlt die Betriebsschließungsversicherung bei Schließungen wegen Corona?

Im Zuge der Corona-Pandemie wurden zuletzt über einen langen Zeitraum hinweg Restaurants, Kneipen und zahlreiche andere Betriebe durch staatliche Anordnung geschlossen. Dies geschah weitgehend auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes. 

Daher scheint es naheliegend, dass die Betriebsschließungsversicherung die entstandenen Schäden übernehmen muss.

Trotzdem weigern sich aktuell die meisten Versicherer, Schäden der Corona-Schließungen zu regulieren. Es liege laut den Versicherern schon kein Versicherungsfall vor, da das Corona-Virus nicht in den Vertragsbedingungen aufgeführt sei. 

Außerdem müsse bei einer Betriebsschließungsversicherung der Betrieb durch eine einzelne, konkrete Behördenmaßnahme geschlossen werden. Auch dies sei hier nicht gegeben, denn die Corona-Verordnungen wurden und werden jeweils von den übergeordneten Landesregierungen erlassen.

Auf diese Argumentation sollten sich Versicherte nicht verweisen lassen. Deshalb haben viele bereits auf Zahlung der Versicherungssumme geklagt. Leider hat auch das nicht zu einer endgültigen Klärung der Situation geführt, denn die Gerichte haben in der Folge höchst unterschiedliche Urteile gefällt. 

Wir geben Ihnen im Folgenden einen Überblick über den aktuellen Stand der Rechtsprechung. Daraus lassen sich erste Schlüsse für Ihre Situation ziehen.  

a. Landgerichte Mannheim (29. April 2020) und München (22. Oktober 2020)

Das erste relevante Urteil fällte das LG Mannheim im April 2020. Es stellte sich auf die Seite der Versicherungsnehmer und verurteilte den Versicherer zur Auszahlung der Versicherungssumme. Insbesondere wies das Gericht das Argument des Versicherers zurück, es liege kein Versicherungsfall vor, weil das Corona-Virus nicht in den Vertragsunterlagen erwähnt sei. Vom Gesetz erfasst würden sämtliche meldepflichtigen Krankheiten, auch solche, die bis dato noch unbekannt gewesen seien.

Der Linie des LG Mannheim folgte im Oktober 2020 auch das LG München und sprach den Versicherten ihre Versicherungssumme zu. 

Das Gericht betonte in seinem Urteil zudem, dass staatliche Unterstützungsmaßnahmen (z.B. Kurzarbeitergeld oder auch Corona-Hilfsprogramme für Betriebe) nicht als Ausgleich für entstandene Schäden geleistet worden seien. 

Wäre dem so, würde dies einen Anspruch gegen den Versicherer nämlich ausschließen (vgl. bereits oben 1. b. letzter Absatz).

b. Oberlandesgerichte Schleswig (10.05.2021) und Stuttgart

Während die Landgerichte also zunächst Betriebsinhaber-freundlich urteilten, verließen verschiedene Oberlandesgerichte diese Linie. 

So lehnte das OLG Schleswig einen Anspruch des Versicherten gegen seinen Versicherer aus mehreren Gründen ab:

  • Das OLG legte die Versicherungsbedingungen des betroffenen Versicherers aus. Aus diesen ergebe sich, dass nur solche (Infektions-)Gefahren versichert seien, die aus dem Betrieb selbst stammten. Aufgrund dieser Gefahr müsse dann eine Behörde eine einzelfallbezogene Maßnahme zur Bekämpfung der Infektionsgefahr erlassen. Erst dann liege ein Versicherungsfall vor.Mit diesem Ergebnis lässt sich die Corona-Krise nicht als Versicherungsfall auffassen. Hier gibt es keinen einzelnen Infektionsherd in einem einzelnen Betrieb. Vielmehr erfolgen die Schließungen bekanntermaßen wegen einer weltweiten Pandemie für alle Gastronomen gleich.

  • Zudem sei das Corona-Virus in den Versicherungsbedingungen bei den versicherten Krankheiten und Krankheitserregern nicht aufgeführt. Das schließe den Versicherungsschutz zusätzlich aus.

Die Entscheidung des OLG Schleswig ist brisant. Allerdings wurden im Verfahren nur die Versicherungsbedingungen des konkret betroffenen Versicherers ausgelegt.

Auch das OLG Stuttgart folgte der Ansicht des OLG Schleswig in verschiedenen Entscheidungen. Versicherer dürften insbesondere ihre Leistung auf Krankheiten und Erreger beschränken, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schon bekannt gewesen seien. 

Auf das Corona-Virus trifft das meist nicht zu. 

c. Weitere unternehmerfreundliche Urteile

Die Argumentation der Oberlandesgerichte verfolgen nicht alle Landgerichte. So schlug sich das LG Hamburg am 04.11.2020 auf die Seite der Betriebsinhaber und sprach ihnen die Versicherungssumme zu. 

Eine Beschränkung der Versicherung auf bereits bekannte Krankheiten sei für einen durchschnittlichen Verbraucher nicht zu erkennen gewesen. Die Versicherer dürften sich deshalb nicht darauf berufen. 

Das bestätigten Anfang diesen Jahres auch die Landgerichte Düsseldorf (19.02.2021) und Darmstadt (10.02.2021). 

d. Oberlandesgericht Celle (01.07.2021)

Das jüngste Urteil zur Thematik stammt vom OLG Celle. Es betont, dass eine Zahlungspflicht des Versicherers für jeden Einzelfall individuell geprüft werden müsse. 

Maßgeblich sei, ob in den jeweiligen Versicherungsbedingungen die Leistung des Versicherers auf bereits bei Vertragsschluss bekannte Krankheiten beschränkt sei. Dann müsse der Versicherer nicht zahlen. 

Das OLG Celle folgt damit im Grunde den Urteilen der Oberlandesgerichte Schleswig und Stuttgart.

3. Vergleiche bei Corona-Schließungen

Wie oben dargelegt, ist die Rechtslage noch nicht endgültig geklärt. Diese Unsicherheit nutzen aktuelle viele Versicherer aus und bieten Ihren Kunden einen Teil der Versicherungssumme an, wenn diese im Gegenzug auf den Rest der Summe dauerhaft verzichten.

Das mag verlockend klingen. Stellt sich Ihre Forderung hinterher aber als berechtigt heraus, bleiben Sie trotzdem auf der Teilsumme sitzen! Deshalb sollten Sie ein solches Vergleichsangebot immer von einem Anwalt prüfen lassen, bevor Sie darauf eingehen.

4. Was tun?

Zunächst sollten Betriebsinhaber umgehend Ihrem Versicherer den Schaden melden und zur Zahlung auffordern. Andernfalls droht Ihr Anspruch wegen Fristversäumnissen unterzugehen.

In aller Regel wird der Versicherer sich weigern, für Ihren Schaden aufzukommen. Ob Sie nun Klage erheben, einen Vergleich annehmen oder abwarten sollten, hängt stark von Ihren Vertragsbedingungen ab. Kleinste inhaltliche und sprachliche Details können entscheidend sein. 

Im Fall vor dem Landgericht Stuttgart war z.B. von großer Bedeutung, dass der Vertrag „nur“ auf die im Anschluss genannten Krankheiten abstellte. Wir prüfen Ihre Bedingungen für Sie und geben Ihnen eine fundierte Einschätzung und Handlungsempfehlung. 

Dabei greifen wir auf unsere weitreichende Erfahrung mit Betriebsschließungsversicherungen zurück.

Zurzeit steht noch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus. Verschiedene Oberlandesgerichte haben in ihren Urteilen die Revision zum BGH bereits zugelassen. Manch ein Versicherter möchte daher abwarten. 

Selbst ein Urteil der höchsten Zivilrichter wird allerdings nicht jede Rechtsunsicherheit beseitigen. Auch der BGH entscheidet nur den einzelnen Fall, der ihm vorgelegt wird. Ihre Bedingungen können von diesem Sachverhalt stark abweichen. 

Außerdem riskieren Sie, dass der BGH zu Ungunsten der Versicherten urteilt und sich die Landgerichte an dieser Entscheidung orientieren.

5. Fazit

Betriebsschließungsversicherungen übernehmen die Schäden, die entstehen, weil ein Betrieb durch eine behördliche Anordnung vorübergehend geschlossen wird.

Ob diese Versicherungen auch bei Betriebsschließungen im Rahmen der Corona-Pandemie greifen, ist aktuell umstritten. Diverse Landgerichte hatten den Betriebsinhabern nach Klagen die Versicherungssumme zugesprochen.

Verschiedene Oberlandesgerichte gaben in jüngerer Vergangenheit aber den Versicherern Recht darin, die Zahlungen zu verweigern.

Versicherer bieten wegen der unklaren Sachlage oftmals Vergleichszahlungen an. Diese sollten nicht leichtfertig angenommen, sondern vorab von uns bewertet werden.


Möchten Sie prüfen, ob Sie ein Anrecht auf die Zahlung Ihrer Betriebsversicherung haben? Rufen Sie uns an unter 0221 – 953 50 20. Wir beraten Sie gerne! Sie können uns natürlich auch schreiben. Nutzen Sie dafür einfach das Eingabefeld weiter unten.


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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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