Versicherung verzögert Schadensregulierung – was tun?

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Wer einen Schaden erlitten und genau für diesen Fall eine Versicherung abgeschlossen hat, wird sich im ersten Moment freuen, nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben. 

Doch häufig kommt es vor, dass der Versicherer den Schaden nicht begleicht oder sich zumindest sehr viel Zeit nimmt. 

In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, warum es zu einer solchen Verzögerung der Schadensregulierung kommen kann und wie Sie doch noch schnell an Ihr Geld gelangen.

Inhalt

  1. Warum verzögern Versicherer die Schadensregulierung? 
    1. Typische Verzögerungen nach Versicherungsarten 
    2.  Allgemeine Gründe für eine Verzögerung
  2.  Was ist bei einer Verzögerung der Schadensregulierung zu tun? 
  3. Lohnt sich ein eigener Gutachter?
  4.  Welche Folgen hat eine Verzögerung? 
  5. Fazit

1. Warum verzögern Versicherer die Schadensregulierung? 

Warum genau es zu einer Verzögerung bei der Schadensregulierung kommt, ist von Fall zu Fall verschieden. Gründe kann es viele geben. 

Typischerweise ist einer der folgenden Gründe Schuld an der langsamen Schadensregulierung:

1.1 Typische Verzögerungen nach Versicherungsarten 

Je nachdem, welche Art von Versicherung Sie in Anspruch nehmen möchten, kann es unterschiedliche Gründe für eine verzögerte Schadensregulierung geben. 

  • Berufsunfähigkeitsversicherungen sehen vor der Zahlung grundsätzlich Ihre Krankenakten ein und prüfen sehr genau, ob Vorerkrankungen verschwiegen wurden. Diese Prüfung kann unter Umständen lange dauern und je nach Ergebnis sogar in einer Verweigerung der Zahlung münden. Auch streitet Ihr Versicherer unter Umständen ab, dass Sie wirklich berufsunfähig sind und fordert umfangreiche Untersuchungen ein.

  • Private Unfallversicherungen zweifeln oft am tatsächlichen Vorliegen eines Unfalles und prüfen diese Voraussetzung sehr streng und langwierig. Auch führen Sie gerne an, dass eine andere Versicherung Vorrang hat.

  • Betriebsschließungsversicherungen müssen grundsätzlich nicht zahlen, wenn ein Anspruch des Versicherten auf Zahlung gegenüber dem Staat besteht. Die Überprüfung, ob ein solcher Anspruch besteht und der Versicherer daher nicht leisten muss, kann die Zahlung verzögern. Eine Ablehnung der Schadensregulierung ist dann nicht selten. Auch bei Naturereignissen verweigern viele Versicherer die Schadensregulierung. Aktuell stellen sich insbesondere bei Schließungen aufgrund der Corona-Pandemie viele Versicherer quer und lassen es auf Gerichtsverfahren ankommen.

  • Bei Hausrat- und Gebäudeversicherungen berufen sich Versicherer oft darauf, der Versicherte habe den Schaden selbst fahrlässig herbeigeführt. Auch der Verweis auf eine Unterversicherung, also einer zu geringen Versicherungssumme, ist beliebt. Hier müssen in aller Regel Sachverständige hinzugezogen werden. Das verlängert die Dauer der Regulierung meist immens. 

  • Auch Kfz-Versicherungen arbeiten oftmals mit Gutachtern, um Unfallhergänge und Ähnliches genau zu rekonstruieren und Schuldfragen zu klären. Diese zeitaufwändigen Verfahren können zu Verzögerungen im Ablauf führen. Auch bleiben in der Folge sehr häufig Zahlungen aus. Die Branche steht in einem harten Preiskampf, der viele Versicherer zu Sparmaßnahmen zwingt. 

1.2 Allgemeine Gründe für eine Verzögerung 

Unabhängig von der Versicherungsart führen oft folgende Gründe zu einer Verzögerung der Schadensregulierung:

  • Der Versicherte hat nicht genügend Belege für den Schaden vorgelegt oder nicht alle erforderlichen Dokumente eingereicht. 

  • Die Frist für die Schadensmeldung wurde versäumt.

  • Die Schadenssumme ist sehr hoch. Gerade bei hohen Summen prüfen die Versicherer immer sorgfältig nach, um Versicherungsbetrug ausschließen zu können.

  • Der Schaden kam vor Vertragsabschluss zustande. 

Die genaue Vorgehensweise ist von Versicherer zu Versicherer verschieden. 

Aus diesem Grund sollten Sie bereits bei Abschluss Ihrer Versicherung den Vertrag eingehend lesen und überprüfen, wie Ihr Versicherer die Schadensregulierung handhabt und welches Prozedere Sie einhalten müssen.

2. Was ist bei einer Verzögerung der Schadensregulierung zu tun? 

Eine Verzögerung bei der Schadensregulierung ist meist ärgerlich. Dies gilt besonders dann, wenn Sie dringend auf das Geld angewiesen sind. 

Im Folgenden wollen wir Ihnen daher zeigen, wie Sie Ihren Versicherer zu einer schnelleren Abwicklung anhalten können.

  • Die obigen Punkte geben eine Idee davon, warum der Versicherer die Regulierung verzögern könnte. Trotzdem müssen Sie herausfinden, warum konkret bei Ihnen die Regulierung länger dauert als üblich. 

Treten Sie hierfür mit dem Versicherer in Kontakt und fragen Sie nach, wenn Sie nach der Schadensmeldung länger nichts vom Versicherer hören. Gerade bei höheren Schadenssummen ist eine sorgfältigere Prüfung nicht unüblich. Bitten Sie trotzdem um eine schnellstmögliche Bearbeitung Ihres Sachverhaltes. Manchmal klärt sich so schnell auf, warum die Regulierung des Schadens auf sich warten lässt und das Problem kann aus der Welt geschafft werden. 

  • Dokumentieren Sie grundsätzlich alles, was mit Ihrem Versicherungsfall zu tun hat. Behalten Sie Kopien von eingereichten Dokumenten und treten Sie nur schriftlich mit Ihrem Versicherer in Kontakt. Sollte es später auf Beweisfragen ankommen, haben Sie mit einem solchen Vorgehen deutlich bessere Chancen. Im besten Fall haben Sie auch Zeugen, die Ihre Version des Geschehens bestätigen können. 

  • Oftmals beruft sich der Versicherer darauf, gar nicht zahlen zu müssen. Oben sind bereits einige Gründe aufgezählt, die zu dieser Behauptung führen können. Prüfen Sie in diesem Fall sorgfältig, ob wirklich ein Anspruch auf Zahlung gegen den Versicherer besteht. Machen Sie schon im Vorfeld ausschließlich ehrliche Angaben und halten Sie die Fristen Ihres Versicherers ein, um nicht Gefahr zu laufen, von der Regulierung ausgeschlossen zu werden. 

Um herauszufinden, ob wirklich ein Anspruch gegen den Versicherer besteht, lohnt im Einzelfall ein Blick in Ihre Versicherungsunterlagen. Dort sind meist Ausschlussgründe für die Zahlungen aufgeführt. 

  • Kontaktieren Sie für diese Prüfung im Zweifel einen Fachanwalt für Versicherungsrecht. Er hat Erfahrung mit solchen Fällen und kann Ihnen schnell eine kompetente Einschätzung über Ihren Anspruch geben. 

  • Haben Sie einen Anspruch auf die Versicherungsleistung und der Versicherer verweigert oder verzögert die Zahlung weiterhin, weisen Sie ihn darauf hin und setzen Sie ihm gleichzeitig eine Frist zur Zahlung.  Diese Mahnung sollten Sie schriftlich und per Einschreiben/Einwurf übersenden. 

  • Zahlt der Versicherer nicht zur gesetzten Frist, wird Ihnen nur die Möglichkeit bleiben, die Versicherungssumme vor Gericht einzuklagen. Hierbei unterstützt Sie ein Fachanwalt für Versicherungsrecht und berät Sie in Bezug auf die individuellen Details Ihres Falles.

3. Lohnt sich ein eigener Gutachter?

Die Versicherer beauftragen in der Regel eigene Hausgutachter, welche Ihren Fall untersuchen und Ihren Schaden bewerten. Nicht selten kommen diese zum Ergebnis, dass Ihnen die Versicherungssumme nicht zusteht. 

Dies überrascht kaum, da die Gutachter gerade vom Versicherer bezahlt werden. In einem solchen Fall haben Sie grundsätzlich das Recht, einen eigenen (Zweit-)Gutachter zu beauftragen. 

Aber Achtung: Die Kosten für dieses Gutachten tragen Sie zunächst selbst. Auch, wenn das Gutachten zu Ihren Gunsten ausfällt, ist der Versicherer nicht unmittelbar daran gebunden. Geht der Fall aber vor Gericht und der Richter schenkt „Ihrem“ Gutachten glauben, muss der Versicherer die Schadenssumme auszahlen und die Kosten für Ihren Gutachter übernehmen (vgl. dazu Urteil des BGH v. 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13). 

Angesichts der hohen Kosten für einen eigenen Gutachter ist dieser Schritt nur sinnvoll, wenn die Schadenssumme sehr hoch ist oder Sie sicher sind, im Recht zu sein. Vor einer Beauftragung sollten Sie sich anwaltlichen Rat einholen, die eigene Einschaltung eines Gutachters in Ihrem Fall sinnvoll ist.

4. Welche Folgen hat eine Verzögerung? 

Hat der Versicherer die Zahlung verzögert und kann nicht nachweisen, dass dies z.B. aufgrund einer sorgfältigen Prüfung nötig war, haben Sie als Versicherter einen Anspruch auf Ersatz eines eventuell entstandenen Verzugsschadens. 

Typischerweise besteht dieser in den Zinsen, die Sie zur Überbrückung des Liquiditätsmangels an die Bank zahlen müssen. Hier berät Sie ein Anwalt individuell – übrigens muss der Versicherer unter Umständen auch die Anwaltskosten übernehmen. 

5. Fazit 

Dass ein Versicherer die Zahlung verzögert oder gar nicht zahlt, kann viele Gründe haben. Oftmals sind es aber immer wieder die gleichen Argumente, auf welche sich die Versicherer berufen. 

Erinnern Sie den Versicherer bei Verzögerung an die Zahlung und prüfen Sie nach, ob Sie wirklich einen Anspruch haben. Sperrt sich der Versicherer weiterhin, setzen Sie eine Frist zur Zahlung. 

Bleibt die Zahlung auch danach aus, können Sie das Geld vor Gericht einklagen. 

Dokumentieren Sie den Schriftwechsel mit Ihrem Versicherer sorgfältig. So beugen Sie späteren Beweisschwierigkeiten vor. 

Kommt der Gutachter des Versicherers zum Schluss, dass Ihnen keine Versicherungssumme zusteht, können Sie einen eigenen Gutachter beauftragen. Die Kosten müssen Sie aber im Zweifel erst einmal selbst tragen. 

Bei all diesen Schritten kann und sollte Sie ein Fachanwalt für Versicherungsrecht beraten und unterstützen.

Eine Verzögerung der Schadensregulierung kann zu einem Anspruch des Versicherten gegen den Versicherer auf Ersatz des Verzögerungsschadens führen.

Haben Sie noch Fragen oder brauchen Sie Hilfe, weil Ihre Versicherung die Schadensregulierung verzögert? Dann rufen Sie mich an unter 0221 – 953 50 20 oder schreiben Sie mir direkt eine Nachricht hier auf Anwalt.de oder an info@anwalt-zemann.de. Ich berate Sie gerne!

Foto(s): AndreyPopov, Panthermedia

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