Betriebsschließungsversicherungen und Corona-Krise

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Aktuell wurde eine Vielzahl von Betrieben in Folge der auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erlassenen Allgemeinverfügungen bis auf weiteres geschlossen.

Viele der Betroffenen haben eine Betriebsschließungsversicherung. Einige der betroffenen Versicherungen – zum Glück nicht alle – weigern sich jedoch zu zahlen oder bieten lediglich einen geringen prozentualen Zahlungsbetrag zur Abgeltung an.

Natürlich sind die jeweils im Einzelfall vereinbarten Versicherungsbedingungen unterschiedlich, sodass es immer einer genauen rechtlichen Prüfung bedarf, ob die betreffende Versicherung im konkreten Einzelfall leistungspflichtig ist oder nicht.

Gleichwohl lässt sich an dieser Stelle schon etwas grundsätzliches zum Verhalten und der Einwendungen der Versicherer sagen.

Eine Allgemeinverfügung als behördliche Anordnung im Sinne der Bedingungen

Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalls ist in der Regel die Schließung des Betriebes durch eine behördliche Anordnung der zuständigen Behörde aufgrund der Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Die meisten von den Versicherungen verwendeten Bedingungen definieren weder die genaue Art der behördlichen Anordnung, noch fordern Sie eine behördliche Einzelanordnung.

Die Schließung der Betriebe erfolgte im Rahmen der Corona-Krise in der Regel durch Allgemeinverfügungen der zuständigen Ministerien bzw. der kommunalen Behörden.

Von Seiten einiger Versicherungen wird argumentiert, dass eine Allgemeinverfügung keine behördliche Anordnung sei und deshalb kein Versicherungsfall im Sinne der Versicherungsbedingungen eingetreten sei. Dies dürfte schon falsch sein.

Die Allgemeinverfügung ist in § 35 S. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz gesetzlich normiert. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, welche von einer Behörde getroffen wird und auf die unmittelbare Rechtswirkung gegenüber einer unbestimmten Anzahl von Adressaten nach außen gerichtet ist.

Eine Allgemeinverfügung ist also der Sonderfall eines Verwaltungsaktes gemäß § 35 S. 1 VwVfG, also eine behördliche Anordnung.

Der Einwand der Versicherungen, dass ein Versicherungsfall nicht vorliege, da es sich bei den Allgemeinverfügungen die zu den Betriebsschließungen der Versicherungsnehmer geführt haben, nicht um behördliche Anordnungen handelt, läuft also leer, weil er den gesetzlichen Regelungen widerspricht.

Covid-19 ist in der Liste der Krankheiten und Erreger in den Versicherungsbedingungen nicht genannt

Weitere Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalls ist in der Regel die behördliche Anordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten oder Erregern im Sinne des IfSG. Hier unterscheiden sich die verschiedenen Versicherungsbedingungen jedoch teilweise erheblich, so dass an dieser Stelle nur Generelles zu diesem Einwand gesagt werden kann.

Einige Versicherungsbedingungen regeln, dass es sich für den Eintritt des Versicherungsfalles um in §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes namentlich genannte meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger handeln muss. Manchmal folgt eine Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern die aus dem Infektionsschutzgesetz abgeschrieben ist.

Auf eine besondere Fassung oder einen besonderen Stand des Infektionsschutzgesetzes wird dabei meist nicht verwiesen.

Der in Bezug genommene Coronavirus fällt dabei unter die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger des Infektionsschutzgesetzes. Mit Verordnung vom 31. Januar 2020 wurde die Pflicht zur namentlichen Meldung auf den Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie den Tod ausgedehnt, die durch das neuartige Coronavirus („2019-nCoV") hervorgerufen werden, sowie auf den positiven und negativen Nachweis des Virus SARS-CoV-2 (vgl. Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus („2019-nCoV“ vom 31. Dezember 2020 – veröffentlicht im BAnz AT 31. Januar 2020).  

Die Verordnungsermächtigung für das Bundesgesundheitsministerium ergibt sich aus § 15 Infektionsschutzgesetz. Danach fällt nach hiesiger Auffassung auch das Coronavirus unter die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger der meisten Versicherungsbedingungen.

Soweit in den Versicherungsbedingungen auf eine bestimmte Fassung des Infektionsschutzgesetzes verwiesen wird, stellt sich die Frage, was dies in der Rechtsfolge bedeutet. Grundsätzlich gilt hier nämlich, dass der Regelungsgehalt von Versicherungsbedingungen nicht nach objektiven Maßstäben zu beurteilen ist und es ausschlaggebend darauf ankommt, wie ein durchschnittlicher, aufmerksamer und um sachgerechtes Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie verstehen darf bzw. verstehen muss (siehe BGH VersR 94/550).

Bei objektiver Betrachtung ist davon auszugehen, dass die Versicherung im Hinblick auf die Erwähnung der Fassung des Infektionsschutzgesetzes lediglich klarstellen wollte, aus welcher Fassung die im Vertrag oftmals abgeschriebenen Einzelkrankheiten stammen. Ein Ausschluss von Krankheiten und Krankheitserregern die nicht in dieser alten Fassung einzeln erwähnt sind, gibt sich nach hiesiger Ansicht weder aus dem Wortlaut der Bedingungsformulierung noch aus ihrem Sinn und Zweck. Hätte eine Versicherung einen Ausschluss nicht aufgezählter Krankheiten oder Krankheitserreger gewollt, so hätte sie unproblematisch einen entsprechenden Ausschluss deutlich formulieren können.

Aus Sichtweise eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ergibt sich aus dem Fehlen eines positiven klaren Ausschlusses im Hinblick auf bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch nicht bekannte neue Krankheiten oder Krankheitserreger, dass ein solcher Ausschluss gerade nicht vereinbart ist und immer die aktuelle Fassung des Infektionsschutzgesetzes bzw. die aktuelle Liste der meldepflichtigen Krankheiten zu Grunde zu legen ist.

Bei den allermeisten Betriebsschließungsversicherungen dürfte nach der hier vertretenen rechtlichen Ansicht der Eintritt des Versicherungsfalles nicht deshalb ausgeschlossen sein, weil Covid-19 in den Versicherungsbedingungen nicht explizit erwähnt ist.

Sind staatliche Leistungen schadensmindernd anzurechnen?

Ein weiteres Argument der Versicherung zielt darauf ab, dass staatliche Leistungen schadensmindernd anzurechnen seien. Auch das ist falsch.

Bei der Betriebsschließungsversicherung handelt es sich in der Regel eine sog. Summenversicherung und nicht um eine Schadenversicherung, so dass es bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen und Eintritt des Versicherungsfalles für die Zahlung der in der Regel fest vereinbarten pauschalen Leistung – meist ein Tagessatz beschränkt auf eine befristetet Haftzeit – nicht auf die tatsächliche Höhe des Schadens ankommt.

Abschließend lässt sich also – zumindest nach hiesiger Auffassung feststellen – dass die die Regulierung verweigernden Versicherungen in Regel zu Unrecht ihre Leistungspflicht verneinen und ihre Versicherungsnehmer im Regen stehen lassen, obwohl sie meist jahrelang die Versicherungsprämien ihrer Kunden gern vereinnahmt haben.

Aktuell wird insbesondere die wirtschaftliche Not vieler geschlossener Betriebe genutzt, um durch die Verweigerung und Verzögerung der Regulierung den wirtschaftlichen Druck weiter zu erhöhen. Dies führt dann dazu, dass Ansprüche gar nicht durchgesetzt werden oder sich der Kunde mit einem Bruchteil des eigentlich auszuzahlenden Betrages im Wege eines Vergleiches zufriedengibt.

Es empfiehlt sich also in der aktuellen Situation, trotz oder gerade wegen des erheblichen wirtschaftlichen Druckes dem viele Versicherungsnehmer ausgesetzt sind, keine unbedachte Entscheidung zu treffen und kühlen Kopf zu bewahren. Gerade bei unklarer Rechtslage sowie der Regulierungsverweigerung der Versicherung kann einem Versicherungsnehmer nur dringend geraten werden, sich eingehend durch einen mit der Materie vertrauten Rechtsanwalt beraten zu lassen, um abzuklären, welche Ansprüche ihm im konkreten Fall zu stehen.

Wir stehen Ihnen hier als im Versicherungsrecht spezialisierte Kanzlei für eine kompetente Beratung und Einschätzung der rechtlichen Situation jederzeit zur Verfügung. Nutzen Sie dafür gern das Kontaktformular auf unserer Homepage.


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