Betroffene des FATCA-Steuerabkommens werden alleine gelassen

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Im Sommer letzten Jahres erhielt eine Mandantin ein Schreiben ihrer Bank, einer deutschen Großbank, in welchem sie aufgefordert wurde, anzugeben, „ob Sie US-steuerpflichtig sind oder nicht“ und außerdem in Form einer eidesstattlichen Versicherung („under penalties of perjury“) in englischer Sprache nähere Angaben über sich zu machen sowie, im Falle der US-Staatsbürgerschaft oder vergleichbarer Verbindungen zu den USA ihre „korrekte“ US-Steueridentifikationsnummer bzw. US-Sozialversicherungsnummer anzugeben. Sollte die Bankkundin der Aufforderung der Bank nicht nachkommen, sei es letzterer „leider nicht mehr möglich …, Ihre Konten und Depots zu führen“. Bei „grundsätzlichen Fragen zur US-Steuerpflicht“ möge sich die Kundin „bitte an ihren Steuerberater oder an die für Sie zuständige Steuerbehörde“ wenden.

Hintergrund für das ominöse Schreiben der Bank war das am 31. Mai 2013 unterzeichnete „Abkommen zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten“, kurz „FATCA-Abkommen“ (FATCA steht für den US-amerikanischen „Foreign Account Tax Compliance Act“) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA. Dieses Abkommen nötigt deutsche Banken unter dem Damoklesschwert des faktischen Ausschlusses vom lukrativen US-amerikanischen Finanzmarkt, im einzelnen definierte Daten von Personen, die bestimmte Merkmale besitzen, über das deutsche Bundesamt für Steuern an die USA zu melden. Verschärft wird das Ganze dadurch, dass die USA das einzige Land auf der Welt sind, das Einkommensteuer selbst von solchen Staatsbürgern erhebt, die mit den USA keinerlei Verbindung haben, außer derjenigen, dass sie dort geboren sind und dass das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland selbst deutsche (Doppel)Staatsbürger mit Lebensmittelpunkt in Deutschland vor dieser Praxis nicht in Schutz nimmt.

Die Mandantin war in den USA geboren, jedoch bereits im Kleinkindalter von den USA weggezogen und hatte seither ihren alleinigen Lebensmittelpunkt in Deutschland; sie besaß keine US-Steuernummer oder US-Sozialversicherungsnummer, hatte keinerlei Kontakt zu US-Behörden oder gar einem US-Steuerberater und besaß im Übrigen nicht einmal die nötigen Sprachkenntnisse, um die Ihr ohne Übersetzung (!) übersandten englischsprachigen Formulare auch nur ansatzweise zu verstehen oder sie gar auszufüllen, was ihr angesichts des Fehlens einer US-Sozialversicherungsnummer im Übrigen auch gar nicht möglich gewesen wäre.

Aus ihrer völlig unverschuldeten misslichen Lage konnte sich die Mandantin nur dadurch befreien, dass sie sich auf die – von ihrer Bank offenbar „übersehene“ – Übergangsregelung in § 8 Abs. 5 der deutschen Umsetzungsverordnung zum FATCA-Abkommen (FATCA-USA-Umsetzungsverordnung vom 23. Juli 2014, BGBl. I S. 1222) berief, wonach die in dem Schreiben der Bank angeforderten Daten vor dem Kalenderjahr 2017 gar nicht erhoben werden mussten und damit nach den AGB der Bank auch nicht erhoben werden durften. (Wegen der diesbezüglichen Pflichtverletzung hat die Mandantin gegen die Bank eine Klage auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Kosten anhängig gemacht.) Längerfristig wird für die meisten derart „gebeutelten“ Doppelstaatsbürger die Lösung darin zu suchen sein, dass sie, nach (rechtzeitiger) Nachholung der von den US-Steuerbehörden geforderten steuerlichen Erklärungen, auf die US-Staatsbürgerschaft formell verzichten – auch wenn die USA zwischenzeitlich das Entgelt für diesen Verzicht kräftig erhöht haben.



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