Bewährung: Warum ist sie wichtig und warum kann niemand sie ihnen verprechen!

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In vielen Fällen, die man als Strafverteidiger bearbeitet, geht es nicht um die Frage, Freispruch oder Gefängnisstrafe! In den allermeisten Fällen kann man als Verteidiger "nur" an dem Strafmaß etwas machen. Manchmal ist es aber auch nur eine Frage, ob man noch Bewährung bekommt oder nicht. 


1. Was bedeutet Bewährung?

Wird eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, bedeutet dass, dass man erst einmal nicht ins Gefängnis muss. Man verlässt den Gerichtssaal als freier Mensch. Allerdings steht man für einen bestimmten Zeitraum (maximal 5 Jahre) unter Bewährung. Kommt es in dieser Zeit zu einer erneuten Verurteilung, dann kann die Bewährung widerrufen werden und man muss die alte Haftstrafe absitzen. 

2. Wann bekomme ich Bewährung? 

Die einzig richtige Antwort auf diese Frage lautet: Grundsätzlich nie! Rechnen Sie niemals (!) damit, dass das Gericht eine Strafe zur Bewährung aussetzt. 

Die Frage, ob in ihrem Fall eine Bewährung möglich ist oder nicht, hängt von verschiedenen Umständen ab, die im Gesetz geregelt sind. 

Wichtigste Norm ist hier §56 Absatz 1 StGB. Danach kann (!) eine Freiheitsstrafe, die nicht mehr als 2 Jahre beträgt, zur Bewährung ausgesetzt werden. Sollte das Urteil also mehr als 2 Jahre sein, gibt es (grundsätzlich) keine Bewährung mehr! 

Das "kann" deutet bereits an, muss nicht. Ich habe einen Fall gehabt, bei dem mein Mandant zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt wurde, aber ohne Bewährung!

Das Gericht darf aber nicht willkürlich entscheiden! Natürlich sind Richter auch nur Menschen und das Gesetzt gibt einen gewissen Spielraum. Wichtig ist, dass das Gericht alle Umstände in seine Entscheidung, ob Bewährung gegeben wird oder nicht, mit einbezieht. 

3. Kriterien für und gegen eine Bewährung!

Welche Umstände muss das Gericht also berücksichtigen?

Neben der Strafhöhe sind verschiedene Fragen zu beantworten:  

a) Wie Tat verübt: Sollte jemand extrem Brutal vorgegangen sein, kann auch bei einer niedrigeren Strafe als 2 Jahren die Bewährung verweigert werden. 

b) Welche Vorstrafen liegen vor: Jemand der ein langes Strafregister hat, wird wohl nicht auf eine Bewährung hoffen dürfen als ein Ersttäter. Einschlägige Vorstrafen (also wegen taten aus ähnlichem Bereich) wiegen dabei schwerer als allgemeine Strafen. 

4. Das vielleicht wichtigste Kriterium: positive Sozialprognose

Obwohl meine Nr. 3 hier ebenfalls mit hereinspielt, möchte ich diesem Punkt einen eigenen TOP widmen. Die entscheidende Frage ist, traut das Gericht ihnen zu, in Zukunft keine Straftaten mehr zu begehen? Die Frage ihrer Vorstrafen spielt hier natürlich eine Rolle, aber auch die Frage, nach ihrem bisherigem, aktuellem und potentiell zukünftigem Lebenswandel. 

Ein fester Wohnsitz, geordnete persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Beziehung zu Kindern und Eltern spielen eine entscheidende Rolle. Auch ihr Alter kann relevant sein. 

Ich hatte einen Fall, der grob wie folgt war: Mein Mandant hat in Jugendjahren eine Reihe unterschiedliche Straftaten begangen (Sachbeschädigung durch Graffiti, Körperverletzung durch Barschlägereien, Einbruch, Diebstahl, kleine Drogendelikt). Mit Eintritt in das Erwachsenenalter hat er lange keine Straftaten mehr begangen. Irgendwann wurde der am Steuer eine Fahrzeuges erwischt, obwohl er keinen Führerschein hatte. In den folgenden Jahren folgten eine Reihe an Verurteilungen deswegen (Fahren ohne Fahrerlaubnis). In dem Verfahren ging es nur um die Frage, bekommt er nochmal Bewährung oder nicht? Wir haben, neben einem Geständnis seine persönlichen Verhältnisse in die Waagschale geworfen: Er lebt mit seiner Freundin zusammen, kümmert sich um seine beiden Kinder aus erster Ehe, zahlt Unterhalt und auch darüber hinaus alles was notwendig ist an finanziellen Aufwendungen. Er hat einen guten Job in Festanstellung. Er kümmert sich um sein "Stiefkind". Einziges Manko: Vorstrafen (vor allem einschlägige). Die Staatsanwaltschaft wollte keine Bewährung. Das Gericht hat lange gerungen und noch ein letztes mal Bewährung gewährt mit der maximalen Bewährungszeit von 5 Jahren. Nur wegen der geordneten Verhältnisse! 

5. Bewährungsauflagen: Nicht aus den Augen verlieren!

Das Gericht kann, neben der allgemeinen Auflage keine Straftaten mehr zu begehen (bei Bewährung immer mit dabei auch wenn das Gericht dies nicht erneut anspricht) weitere Auflagen festlegen. Das kann neben Meldeauflagen auch Geldzahlungen an soziale Einrichtungen sein. Das Gericht kann die Bewährung auch dann widerrufen, wenn diese Auflagen nicht erfüllt werden. 

Sollten Sie eine Bewährung bekommen und das Gericht stellt ihnen eine Auflage: Erfüllen Sie diese oder teilen dem Gericht RECHTZEITIG (!) mit, sollte was dazwischen kommen. Bei Geldzahlungen kann die Frist zur Zahlung verlängert werden oder es können Raten vereinbart werden. Das muss aber das Gericht entscheiden!

6. Warum ist die Bewährung (so) wichtig?

Zum einen müssen Sie nicht ins Gefängnis! Sie müssen nicht zu einer bestimmten Zeit aufstehen, können Essen und Duschen, wann immer Sie wollen und ihre Zelle (Zimmer) wird nicht durchsucht! 

Weiterhin können Sie ihrem Beruf nachgehen! Wenn sie 5 oder 6 Monate weg sind (von 2 Jahren ganz zu schweigen), wird wohl kein Arbeitgeber auf Sie warten! Die personenbedingte Kündigung folgt auf dem Fuße. 

Wenn Sie nun aber ihre Arbeit verlieren, wovon bezahlen Sie dann Ihre Wohnungsmiete? Da kommt auch ganz schnell die Kündigung! Ihr Kredit für das Auto wird gekündigt, da Sie auch diese Raten nicht bezahlen können und das Auto wird gepfändet, weil das Autohaus alles retten will, was es noch zu retten gibt! 

Ihre Kinder müssen Sie nicht im Gefängnis besuchen! Oder Sie verzichten darauf, ihre Kinder 2 Jahre zu sehen! Kein schöner Gedanke! 

Wird ihr Lebenspartner noch bei ihnen bleiben, wenn Sie ca. 2 Jahre weggesperrt sind (vorzeitige Haftentlassungen nehme ich mal aus, ist ein Thema für sich)? 

7. Fazit: 

Ein Anwalt sollte nie nur das Ziel Bewährung ausgeben. Aber manchmal sind die Fälle anders nicht "gewinnbar".  

Aber: Ein Strafverteidiger, der sich mit der Frage des Bewährung auskennt, der wird auch hier alle Kräfte reinstecken! Dies kann für den Mandanten der letzte Rettungsanker sein. Manche Mandanten verlieren alles, wenn sie auch nur kurzzeitig ins Gefängnis müssen! Aber: Ob sie Bewährung bekommen oder nicht, kann ihnen kein Anwalt sagen! Nur eines: besteht die Möglichkeit auf Bewährung: Das kann man einschätzen, aber auch nur das! Da das Gericht einen Entscheidungsspielraum hat und niemand sagen kann, in welche Richtung es diesen ausüben wird, ist mehr als, "Chance ist da", unseriös! 

(Dieser Rechtstipp ist ein grober und unvollständiger Überblick über ein kleines Rechtsgebiet. Der Autor hat lediglich Grundsätze und allgemeine Hinweise weitergegeben! Daher können Details ihres Falles, die dem Autor nicht bekannt sind, zu einer anderen Einschätzung führen. Es kann keine Gewähr dafür übernommen werden, dass die Rechtslage und die Rechtsprechung dauerhaft unverändert bleiben. Daher gilt: Je älter dieser Rechtstipp ist, mit desto mehr Vorsicht ist er zu genießen. Ich rate davon ab, ohne Rechtsberatung durch einen Anwalt, der sich mit ihrem Fall auskennt, nur auf Grundlage dieses Rechtstipps zu handeln.)




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