BGH – Härtefall bei der Eigenbedarfskündigung.

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Laut Münchener Merkur suchten doppelt so viele Mieter beim Mieterverein München Rat wegen Eigenbedarfskündigungen wie zuletzt 2017. Dies hänge damit zusammen, dass viele Eigentümer selbst keinen Wohnraum fänden. Eigenbedarf sei laut dem deutschen Mieterbund der häufigste Kündigungsgrund, jährlich gebe es ca. 80.000 Fälle.

Mieterverein: 20 % der Eigenbedarfskündigungen seien vorgetäuscht

Der Eigenbedarf sei vorgeschoben, um die Wohnung zu einer höheren Miete weiter zu vermieten. Der Mieterbund fordert unabhängig davon, dass nur noch der Eigentümer und dessen Abkömmlinge Eigenbedarfsberechtigte sein sollen.

Der BGH lockert teilweise die Anforderungen an den Eigenbedarf

Diese Forderung ist nicht von der Hand zu weisen. Der BGH hat in letzter Zeit die Anforderungen an den Eigenbedarf gelockert oder ausgeweitet. So hat der BGH entschieden (Urt. v. 29.03.2017; Az.: VIII ZR 45/16), dass es – entgegen einer verbreiteten Praxis – nicht zulässig ist, den Berufs- oder Geschäftsbedarf als ungeschriebene weitere Kategorie eines typischen Vermieterinteresses an der Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses zu behandeln.

So weise der Entschluss eines Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen (sog. Mischnutzung), eine größere Nähe zum Eigenbedarf nach § 573, Abs. 2, Nr. 2 BGB auf, da er in solchen Fallgestaltungen in der Wohnung auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen will. In diesen Fällen werde es regelmäßig ausreichen, dass dem Vermieter bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter Nachteil entstünde – was bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen der Lebens- und Berufsplanung des Vermieters häufig der Fall sein dürfte. Entsprechendes gilt, wenn die Mischnutzung durch den Ehegatten oder Lebenspartner des Vermieters erfolgen solle. 

Entscheidend ist der Einzelfall

Die Gerichte haben im Einzelfall festzustellen, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht (§ 573, Abs. 1 Satz 1 BGB).

Eigenbedarf setzt (stellvertretend für viele: Entscheidung des BGH vom 16.12.2009; Az. VIII ZR 313/08) voraus, dass der Vermieter den Selbstnutzungswunsch ernsthaft beabsichtigt und die Wohnung benötigt (§§ 573, 573c BGB). 

Ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausspricht, der in Wahrheit nicht besteht, ist dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dazu kann gehören: höhere Neumiete, Maklerkosten, Umzugskosten. Dieser Schaden ist regelmäßig erheblich. Der Tatbestand des Betruges kann erfüllt sein.

Der Knackpunkt: Der sogenannte Härtefall

Die Beendigung des Mietverhältnisses bedeutet dann eine nicht zu rechtfertigende Härte für den Mieter, wenn die Kündigung auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist bzw. angemessener Ersatzwohnraum unter zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffen ist (§ 574 BGB).

BGH: Verschärfung der Anforderungen an die Härtefallprüfung

Der BGH (Urteile v. 22.05.2019, Az. VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17) hat seine Rechtsprechung am Mittwoch präzisiert und dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass viele Gerichte diese Prüfung nicht in gebotener Tiefe durchführen. Denn auf beiden Seiten seien Grundrechtsgüter von staatlicher Seite, und damit auch von den Gerichten, zu berücksichtigen. Für den Vermieter spreche das Recht auf Eigentum, für den Mieter hingegen das Recht auf Gesundheit. In beiden Fällen ging es um hochbetagte Mieter, die schon über 40 Jahre die streitgegenständlichen Immobilien bewohnten.

Ausschlaggebend: Sachverständigengutachten

Zu prüfen ist also z. B., welche physischen Verschlechterung für den Mieter eintreten. Auch psychische Gründe können ausschlaggebend sein. Der BGH weist auf eine seiner früheren Entscheidung hin, nach der bei entsprechendem Sachvortrag des Mieters das Gericht stets durch Sachverständigengutachten die gesundheitlichen Umzugsfolgen zu prüfen habe. Insbesondere müsse festgestellt werden, wie schwer die Gesundheitsbeeinträchtigungen sein und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eintreten könnten. 

Das Sachverständigengutachten bewertet die besondere Härte des Einzelfalles, da hohes Alter oder lange Mietdauer regelmäßig nicht pauschal für eine besondere Härte sprechen. Erforderlich ist ein qualifizierter Sachvortrag des Mieters mit Vorlage von ärztlichen Attesten, die eine Überprüfung des Gesundheitszustandes erforderlich machen. 

Rechtsanwalt Holger Hesterberg, Wolfratshausen, München

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein



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