Keine Eigenbedarfskündigung bei Härtefall für Mieter*in

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Spricht ein Vermieter bzw. eine Vermieterin eine Kündigung wegen Eigenbedarf aus, versetzt das betroffene Mieter*innen nicht selten in Unruhe. Nicht zu Unrecht, denn besteht tatsächlich Eigenbedarf, ist das einer der wenigen rechtlich zulässigen Gründe, Mieter*innen einer Wohnung den Mietvertrag zu kündigen.

Allerdings ist nicht jede ausgesprochene Eigenbedarfskündigung wirksam. Damit beendet nicht jede derartige Kündigung das Mietverhältnis. So kann z.B. ein Härtefall auf der Seite des Mieters bzw. der Mieterin dazu führen, dass der Mietvertrag zeitlich befristet oder unbefristet fortgesetzt werden muss.

So im Fall einer Mandantin unserer Kanzlei in Köln, für die wir nach einer Eigenbedarfskündigung eine Räumungsklage ihrer Vermieterin abwehren konnten (AG Köln, Urteil v. 10.02.2021, Az.: 214 C 58/19).

Anforderungen an Eigenbedarfskündigung sind hoch

Will ein(e) Vermieter*in einem Mieter bzw. einer Mieterin den Mietvertrag für eine Wohnung kündigen, stellt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) dafür recht hohe Hürden auf. Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist eine Kündigung wegen Eigenbedarf nur möglich, wenn ein Eigennutzungsinteresse für den Vermieter bzw. die Vermieterin selbst, Familienangehörige (wie z.B. Kinder, Enkelkinder) oder für Haushaltsangehörige (Pflegepersonal etc.) besteht.

Aber auch in einem solchen Fall ist die Eigenbedarfskündigung nicht immer wirksam: treffen Kündigung und Umzug Mieter*innen besonders hart, ist ein Widerspruch gegen die Kündigung möglich. Außerdem können Mieter*innen dann den Auszug aus der Wohnung verweigern und die Fortsetzung des Mietvertrages fordern: befristet, bis kein Härtefall mehr vorliegt (z.B. akute Erkrankung), oder dauerhaft, wenn der Härtefall nicht zeitlich begrenzt ist (z.B. sehr hohes Alter und schlechter Gesundheitszustand).

Worum ging es vor Gericht?

Die Mutter eines erwachsenen Sohnes vermietet in Köln eine barrierefreie Wohnung in einem Erdgeschoss an eine Mieterin. Der Sohn der Vermieterin wollte mit seiner Frau und seinem Kleinkind in eben diese Wohnung einziehen. Deshalb kündigte die Vermieterin der Mieterin wegen Eigenbedarf den Mietvertrag.

Die Mieterin wollte jedoch die Eigenbedarfskündigung nicht akzeptieren, verweigerte den Auszug und erhob form- und fristgerecht Widerspruch gegen die Kündigung (§ 574b BGB). Sie zweifelte einerseits den Eigenbedarf an und berief sich wegen ihrer schweren Gehbehinderung (Grad der Behinderung / GdB 100 % nach einem Verkehrsunfall 2012) und psychischer Probleme darauf, dass die Kündigung sie unverhältnismäßig hart treffen würde.

Deshalb erhob die Vermieterin Klage auf Räumung der Wohnung vor dem Amtsgericht Köln.

Kündigung unwirksam – trotz Eigenbedarf!

Allerdings hatte die Räumungsklage keinen Erfolg. Die Richter erkannten zwar den Eigenbedarf und den Eigennutzungswillen der Klägerin für ihren Sohn an. Gleichzeitig kamen sie aber aufgrund eines medizinischen und eines psychologischen Gutachtens zu dem Ergebnis, dass die Kündigung und ein Umzug die Mieterin unverhältnismäßig stark belasten würden. Die Kündigung war deshalb nach Auffassung der Richter unwirksam – der Mietvertrag sei in diesem Fall außerdem auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

Der Grund dafür: Die Mieterin ist – gutachterlich bestätigt – nach einem Verkehrsunfall im Jahr 2012 schwer gehbehindert und auch mit Gehhilfen nicht in der Lage, Treppen zu überwinden. Aus diesem Grund sei sie auf eine EG-Wohnung angewiesen. Hinzu komme eine unfallbedingte psychische Anpassungsstörung, die bei einem Umzug zur einer erheblichen chronischen depressiven Dekompressionsstörung führen könne.

Die Räumung der Wohnung und ein Umzug würden die Mieterin deshalb unverhältnismäßig hart treffen. Zwar seien die Interessen des Sohnes der Vermieterin am Einzug in die EG-Terrassen-Wohnung grundsätzlich ausreichend und von Belang. In diesem konkreten Fall müssten der Sohn und seine Interessen wegen der drohenden Härte für die Mieterin allerdings zurückstehen. Und nicht zuletzt berücksichtigten die Richter, dass die Vermieterin und Mutter ihrem Sohn in Köln auch andere Wohnungen zur Verfügung stellen kann.

Bedeutung des Urteils für die Praxis

Nicht jede Eigenbedarfskündigung ist wirksam, selbst wenn der Mieter tatsächlich Eigenbedarf nachweisen kann. Denn trifft einen Mieter bzw. eine Mieterin eine solche Kündigung besonders hart, kann eine Eigenbedarfskündigung auch unwirksam sein. Eine Räumungsklage des Vermieters ist dann zum Scheitern verurteilt.

An diesem Fall aus unserer Beratungspraxis kann man exakt das sehr gut erkennen. Insofern ist es für Mieter*innen immer ratsam, eine Eigenbedarfskündigung von einem Rechtsanwalt im Einzelfall überprüfen zu lassen, bevor man „die Flinte zu schnell ins Korn wirft“.

Ihnen wurde eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen? Gegen Sie wurde Räumungsklage erhoben und Sie benötigen nun anwaltlichen Rat? Sprechen Sie uns gerne telefonisch unter 0221 / 1680 65 60 an oder senden Sie uns eine Nachricht über das anwalt.de-Kontaktformular.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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