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BGH hebt Urteil wegen Amoklauf in Winnenden teilweise auf

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Mit einem Beschluss vom 22.03.2012, Aktenzeichen: 1 StR 359/11, ist das Urteil gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden auf eine Verfahrensrüge des Angeklagten vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden. Mit dieser Rüge wurde beanstandet, dass die Verteidigung eine Belastungszeugin nicht befragen konnte.

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht Stuttgart den Vater des Amokläufers von Winnenden am 10. Februar 2011 wegen tateinheitlich begangener fahrlässiger Tötung in 15 Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen und wegen eines Waffendelikts zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil hatte der Angeklagte Revision eingelegt.

Dieses Urteil wurde nun aufgehoben.

Das Landgericht hat der als Zeuge vernommenen ehrenamtlichen Betreuerin der Familie des Amokläufers zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt. Diese war über drei Verhandlungstage hinweg vernommen worden. Am ersten Tag bekundete sie, der Angeklagte habe ihr gesagt, er sei von der Klinik auch über die Tötungsfantasien seines Sohnes informiert worden. Dieses Wissen um die Tötungsfantasien war für den Fahrlässigkeitsvorwurf des Landgerichts besonders bedeutsam. Anders als die übrigen Verfahrensbeteiligten konnte die Verteidigung die Betreuerin an diesem Tag jedoch nicht mehr befragen. Am zweiten Vernehmungstag verlas sie eine von ihr vorbereitete schriftliche Erklärung, mit der sie ihre Aussage widerrief. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung ein. Deswegen billigte ihr das Landgericht für die weitere Vernehmung ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zu. Am dritten Vernehmungstag bestätigte die Betreuerin zwar ihre erste Aussage, machte jedoch im Hinblick auf das Auskunftsverweigerungsrecht keine weiteren Angaben. Die Verteidigung hatte deshalb auch am zweiten und dritten Vernehmungstag keine Möglichkeit, die Betreuerin zu befragen.

Das Landgericht hat angenommen, dass die Zeugin schon durch die Anfertigung der von ihr verlesenen Erklärung eine versuchte Strafvereitelung begangen habe. Deshalb wurde ihr ein Aussageverweigerungsrecht zugebilligt. Dies ist rechtsfehlerhaft. Erst mit der Verlesung der Erklärung vor Gericht bei ihrer Zeugenvernehmung hat die Betreuerin gegebenenfalls eine Strafvereitelung versucht. Für Straftaten, die ein Zeuge erst durch seine Vernehmung begeht, besteht jedoch bis zum Abschluss der Vernehmung kein Auskunftsverweigerungsrecht. Aus diesem Grund wäre die Zeugin also weiter zur Aussage verpflichtet gewesen und hätte auch Fragen der Verteidigung beantworten müssen. Dieser Verfahrensfehler musste zur Aufhebung des Urteils führen. Der Bundesgerichtshof hat allerdings die Feststellungen zum Amoklauf selbst aufrechterhalten, so dass hierzu insbesondere keine Zeugen mehr gehört werden müssen.


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