BGH: Klausel der ARB bei Rechtsschutzversicherung unwirksam

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Aus der anwaltlichen Berufspraxis ist folgende Situation bekannt: 

Die Mandantschaft berichtet von ihrem rechtlichen Problem. Die Mandanten haben als Darlehensnehmer ihre Willenserklärungen auf Abschluss des Kreditvertrags widerrufen, mit dem das Eigenheim oder die Eigentumswohnung finanziert wurde. 

Anstatt mit den Kunden eine konstruktive Lösung zu finden, folgt jedoch die Verweigerung der Bank, den aus ihrer Sicht "spät" erklärten Widerruf im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag zu akzeptieren. Die Mandantschaft möchte aber aus dem Kredit wegen der hohen Zinsen raus und dies ohne Vorfälligkeitsentschädigung zu bezahlen. Die Option besteht, weil die Widerrufsbelehrung feherhaft ist und bzw. oder weil die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB in dem Vertrag nicht richtig oder nicht vollständig benannt sind oder weil die Widerrufsinformation mit Fristbeginn nach Erteillung aller Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB weder klar noch prägnant ist und daher irreführend sein könnte, vgl. EuGH Az.: C-66/19.

Die Bank hat also den Widerruf zurück gewiesen und damit den Rechtsschutzfall geschaffen, der im Rahmen der Deckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung gemeldet wird. Nun wird bei der Rechtsschutzversicherung eine Deckungsanfrage gestellt und zum Sachverhalt vollständig vorgetragen, sowie die maßgeblichen Unterlagen beigefügt und die Beweismittel benannt. Hierzu gehört beispielsweise auch die Korrespondenz mit der Bank.

Überraschenderweise lehnt die Versicherung dann die Deckung ab und verweist auf § 4 Abs. 1 Buchstabe c) ARB 2016. Dort ist ausgeführt, dass die Bestimmung des sogenannten verstoßabhängigen Versicherungsfalls auch von den gegnerischen Tatsachenbehauptungen im Ausgangsstreit abhängig ist. Dies ist überraschend und benachteiligt den Versicherungsnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn der Versicherungsnehmer muss nicht damit rechnen, dass eine solche Ausschlussklausel seinen Versicherungsschutz beseitigt.

Diese Klauseln der ARB lauten auszugsweise wie folgt:


§4  Voraussetzung  für  den  Anspruch  auf  Versicherungsschutz

(1) Sie haben Anspruch auf Versicherungsschutz, wenn ein Versicherungsfall eingetreten  ist.  Diesen  Anspruch  haben Sie  aber  nur,  wenn  der Versicherungsfall  nach  Beginn  des Versicherungsschutzes und vor dessen Ende eingetreten ist. Der Versicherungsfall ist 

...

(c)  in  allen  anderen  Fällen  der  Zeitpunkt,  zu  dem  Sie  oder ein anderer (zum Beispiel der Gegner oder ein Dritter) gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen hat oder verstoßen haben soll.

Hierbei berücksichtigen wir 

alle  Tatsachen  (das  heißt  konkrete  Sachverhalte  im Gegensatz zu Werturteilen),

die durch Sie und den Gegner vorgetragen werden,

um die jeweilige Interessenverfolgung zu stützen


Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 31.03.2021, Az.: IV ZR 221/19 wie folgt ausgeführt:

Die Klausel  in §  4  (1)  Buchst.  c)  ARB enthält die Worte  "und den Gegner" und macht so die Bestimmung des Versicherungsfalles auch von  den gegnerischen  Tatsachenbehauptungen  im  Ausgangsstreit  abhängig. Deshalb  hält die  Klausel  der  Inhaltskontrolle  nicht  stand,  weil sie  die Versicherungsnehmerin  entgegen  Treu  und Glauben unangemessen  benachteiligt  (§  307 Abs. 1 Satz 1 BGB), vgl.  BGH vom 31.03.2021, Az.: IV ZR 221/19, Rn. 37.


Die Rechtsschutzversicherung soll den Rechtsschutzversicherer verpflichten,  die für  die  Wahrnehmung  der  rechtlichen  Interessen  des Versicherungsnehmers  oder Versicherten  erforderlichen  Leistungen  im  vereinbarten Umfang zu erbringen, vgl. § 125 VVG.

Das  Wesen  des  Rechtsschutzversicherungsvertrages besteht im Versprechen von einer Unterstützung der Interessenwahrnehmung der Versicherungsnehmerin, die daran zu Recht eine Solidaritätserwartung knüpft. 

Zum Kern des Leistungsversprechens des Rechtsschutzversicherers zählt eine Solidaritätszusage gegenüber  seinem  Versicherungsnehmer  (vgl. Senatsurteil vom 3.Juli 2019 -IV ZR 111/18, BGHZ 222, 354 Rn. 28). Dieser Grundsatz wird von den Versicherern häufig ausgeblendet, wenn es darum geht, für einen konkreten Fall Rechtsschutz zu gewähren.

Für Versicherungsnehmer bedeutet dieses Leistungsversprechen,  dass  der Rechtsschutzversicherer es gegen Prämienzahlung übernimmt, die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Versicherungsnehmer zu unterstützen (Senatsurteil vom 25. Februar 2015 -IV ZR 214/14, r+s 2015, 193 Rn. 15 m.w.N.; vgl. auch Maier,  r+s  2017,  574,  581;  2015,  489,  492;  Cornelius-Winkler,  r+s  2020, 545, 548). 

Wichtig ist, dass der Rechtsschutzversicherer  bei der  Bestimmung  des  Versicherungsfalles  eben diejenigen  Tatsachen zugrunde legt, mit denen die Versicherungsnehmerin ihr Rechtsschutzbegehren begründet,  denn  nur  so  wird  dieser  die  erwartete Unterstützung ihres Rechtsschutzversicherers zuteil. 

Auf den  Wahrheitsgehalt oder die Beweisbarkeit der Tatsachen und deren  Überprüfung kommt es nicht an.  Der Gegner der Versicherungsnehmerin, wäre auch auf sein Vorbringen abzustellen, hätte es in der Hand, der Versicherungsnehmerin den Rechtsschutz mittels bloßer Tatsachenbehauptungen von vorn herein zu entziehen  (Senatsurteile  vom 25.  Februar  2015  aaO  Rn.16;  vom  3.  Juli  2019 -IV  ZR  111/18, BGHZ  222,  354  Rn.  28;  jeweils  m.w.N.),  ohne  dass  es danach noch auf die Erfolgsaussichten der Interessenwahrnehmung oder Weiteres ankäme. 

Der Vertragszweck des Rechtsschutzversicherungsvertrages steht dem jedoch entgegen und verbietet es, den Behauptungen des Gegners schon bei der Festlegung des Versicherungsfalles derart weitreichenden Einfluss beizumessen.

Auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder die Entscheidungserheblichkeit der  Behauptungen  des  Versicherungsnehmers kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht an (Senatsurteil vom 19. November 2008 -IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Rn. 22). 

Der Bundesgerichthof hat daher in seiner Entscheidung vom 31.03.2021, Az.: IV ZR 221/19 deutlich ausgesprochen, dass die oben genannte Klausel, soweit jedenfalls die Worte "und den Gegner" verwendet werden, unwirksam ist.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Georg Hemmerich aus Heidelberg hierzu: "Es zeigt sich wieder einmal, dass die Rechtsschutzversicherungen gerne versuchen, bestimmte Streitigkeiten aus dem Versicherungsschutz heraus zu nehmen, bei denen sie von einer Vielzahl von Betroffenen ausgehen. Eine Überprüfung einer Deckungsablehung bzw. Deckungsabsage kann daher sinnvoll sein."



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