BGH stärkt erneut Fluggastrechte – nach Annullierung flexible Umbuchung auf neuen Termin ohne Zusatzkosten!

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Mit seinem Urteil vom 27.06.2023 – Az. X ZR 50/22 - hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei einer Flug-Annullierung Reisende selbst bestimmen können, wann Sie einen Ersatzflug antreten. Die Fluggesellschaft darf für die Umbuchung auf den Ersatzflug keinerlei Aufpreis oder zusätzliche Kosten verlangen.


Kurz und Knapp


  • Anwendung Fluggastrechteverordnung gem. Art. 3 der EU-Verordnung,

- Start/Abflugort in der EU – unabhängig, wo Airline Sitz hat,

- Zielflughafen in der EU mit Airline aus der EU.


  • Annullierung des Fluges – Unterstützungsleistung nach Fluggastrechteverordnung
  • Wahlrecht auf Erstattung Ticketpreis oder Ersatzflug/Ersatzbeförderung
  • Freie Bestimmbarkeit wann Ersatzflug angetreten wird und ohne Zusatzkosten
  • Voraussetzung laut BGH – freie, verfügbare Plätze
  • Umbuchung entgeltfrei und unter vergleichbaren Reisebedingungen erbringen



Wann gilt die EU-Fluggastrechteverordnung?


Die Fluggastrechteverordnung erfasst alle Flüge, die von einem Flughafen aus dem Gebiet der Europäischen Union starten. Dies gilt unabhängig davon, ob die ausführende Airline seinen Sitz in der EU hat. Zudem werden sämtliche Flüge erfasst, die zu einem Flughafen auf dem Gebiet der EU starten und von einer Airline der Europäischen Gemeinschaft durchgeführt werden.


Welche Ansprüche habe ich bei einer Annullierung?


Bei einer Flug-Annullierung nach Art. 5 der Fluggastrechteverordnung haben Fluggäste Anspruch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 8 der Verordnung, d.h. dem Anspruch nach auf Erstattung des Flug-/Ticketpreises oder den Anspruch auf eine Ersatzbeförderung.


Wahlrecht – Ersatzbeförderung/-Flug


Entscheidet sich der Fluggast für eine Ersatzbeförderung hat die Fluggesellschaft die Umbuchung entgeltfrei und unter vergleichbaren Reisebedingungen zu erbringen.


Diese Rechte gelten auch bei einem außergewöhnlichen Ereignis wie der Corona-Pandemie.




Sachverhalt


In den Monaten März und April 2020 kam es Pandemie bedingt zur zahlreichen Flug-Annullierungen.


Die Flugreisenden nahmen Ihre rechte aus der Fluggastrechteverordnung, insbesondere vom Wahlrecht auf Ersatzbeförderung war und buchten den Flug/die Riese auf Ostern 2021 um.

Die ausführende Fluggesellschaft, die Lufthansa nahm die Umbuchung zwar vor, jedoch nicht ohne zusätzliche Kosten für die Reisenden. Die Lufthansa argumentierte, dass die zusätzlichen Kosten berechtigt seinen, weil eine Umbuchung auf das Folgejahr vorlag und noch dazu diese keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur ursprünglichen Reiseplanung hatte.


In der 1. Instanz vor dem Landgericht Köln wurde der Klage stattgegeben. Begründet wurde dies mit dem Wortlaut der Fluggastrechteverordnung, nach derer den neue Reisezeitraum für den Ersatzflug frei wählen kann.


Das Oberlandgericht (OLG) Köln hab das Urteil des Landgerichts in der 2. Instanz mit der Begründung und dem Verweis auf das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelte Werkvertragsrecht auf, weil, so das OLG, ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem annullierten Reise, dem Flug und dem Ersatzflug, der Ersatzreise bestehen muss. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall.


Anmerkung:


Das OLG liegt mit seiner Entscheidung falsch, so wie der Bundesgerichtshof gerade entschieden hat, weil aus das BGB einen zeitlichen Zusammenhang gerade nicht verlangt, so auch das AG Köln in seinem Urteil v. 29.10.2021 – Az. 132 C 96/21.


Aufgrund der Annullierung eines Fluges wird keine Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB begründet. Flugreisen stellen nach der herrschenden Rechtsprechung lediglich relative aber keine absoluten Fixgeschäfte dar, d.h. es tritt mit Verstreichen des vereinbarten Reisezeitpunkts nicht per se Unmöglichkeit ein.


Rechtsfolge hieraus ist, dass der Fluggast als Gläubiger ohne Fristsetzung vom Beförderungsvertrag zurücktreten kann.


Das Rücktrittsrecht ist ein sog. Gestaltungsrecht, d.h. der Betroffene muss sein Recht anwenden, es ausüben durch eine Erklärung gegenüber dem Schuldner, der Airline.


Sofern ein Fluggast sein Rücktrittsrecht nicht ausübt, verbleibt es bei dem vertrag geschuldeten Anspruch auf Beförderung.




Verhältnis Werkvertrag Fluggastrechteverordnung


Das Luftbeförderungsrecht ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von internationalen, europäischen und nationalen Rechtsquellen, wie bspw. das Montrealer Übereinkommen (MÜ), die Fluggastrechteverordnung (VO-EG Nr. 261/2004), der Luftbeförderungsvertrag mit ABB bei Vertrags-Airline, d.h. im deutschen Recht nach Werkvertragsrecht gemäß §§ 631 ff. BGB.


Es gilt immer das Prinzip des Vorrangs der jeweils höheren Stufe der gesetzlichen Regelungen, d.h. Unionsrecht geht vor nationalem Recht, so Art. 216 II AEUV.


Das Montrealer Übereinkommen greift im internationalen Flugverkehr, danach folgt die Fluggastrechteverordnung und letztlich werden Regelungslücken durch das nationale Recht, wie dem deutschen Werkvertragsrecht und Schuldrecht des BGB geschlossen.


Das BGB greift immer dann ein, wenn deutsches Recht zur Anwendung kommt, insbesondere bei AGB-Klauseln und das vorrangige Unionsrecht und das MÜ den Sachverhalt nicht abschließend regeln, d.h. insbesondere bei der AGB-Kontrolle mit den §§ 305 ff. BGB bei AGB der Fluggesellschaften und das allgemeine Leistungsstörungsrecht der §§ 275 ff. BGB.


Wegen des Vorrangs des Unionsrechts kommt es auf die Frage, ob die Fluggastrechte-Verordnung unberechtigt in die nationalen Luftbeförderungsvertragsregelungen des BGB eingreift, nicht an.


Aber – wie immer im juristischen keine Regelung ohne Ausnahme, sodass der der Rückgriff auf das nationale Recht durch die Fluggastrechteverordnung nicht ausgesperrt ist. Diese sind nebeneinander anwendbar.




Entscheidung


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Revisionsverlangen stattgegeben und untersagte der Fluggesellschaft Ersatzflüge nur zu erhöhten Aufpreise und den damit verbundenen Umbuchungen vorzunehmen.


Auch ein zeitlicher Zusammen zwischen dem Ersatzflug und dem ursprünglichen Reisezeitraum müssen nicht bestehen so die klagende Verbraucherzentrale. Ein flexibler Zeitraum hinsichtlich der Umbuchungen ist für Reisende enorm wichtig.


Der Bundesgerichtshof urteilte nun, dass eine Umbuchung ohne Zusatzkosten auf einem deutlichspäteren Zeitpunkt möglich sein muss, sofern und dies ist laut BGH die einzige Voraussetzungen, dass Plätze verfügbar sind, Urteil vom 27.06.2023 – Az. X ZR 50/22.


Der BGH stellte klar, sofern die Wahl des Reisenden auf eine Ersatzbeförderung fällt, müsse dies auch zum Wunschtermin erfolgen können. Auch ist ein zeitlicher Zusammenhang zur ursprünglichen Reise dann nicht erforderlich, wenn Fluggäste nach einer Flug-Annullierung einen Ersatzflug für ein anderes Reisedatum wählen, jedoch muss der Flug dann bei der gleichen Airline erfolgen.



Fazit


Werden die Regelungen der Fluggastrechteverordnung von den Airlines nicht eingehalten und ist der Anwendungsbereich eröffnet, gibt Sie den Verbrauchern, den Fluggäste ihre Rechte vor und ergänzt nationales Recht der einzelnen EU-Staaten.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27.06.2023 stärkt die Rechte der Fluggäste und Verbraucher ungemein und zeigt den Fluggesellschaften ihre Grenzen auf.


Fluggäste haben Rechte mit denen die Airlines viel zu leichtfertig umgehen. Der BGH zeigt den Airlines auf, dass Verträge einzuhalten sind.


Reisende haben somit vom BGH ihren Weg zur Durchsetzung ihrer Rechte aufgezeigt bekommen. Es gilt der Grundsatz, wer einen Vertrag mit einer Airline geschlossen und für die Beförderung bezahlt hat, aber nicht befördert wurde, hat auch später ein Recht auf Beförderung, wie vertraglich vereinbart, dies entweder durch das Luftfahrtunternehmen selbst oder durch ein anderes Luftfahrtunternehmen.



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