BGH-Urteil zur Eigenbedarfskündigung: Kein Räumungsanspruch des Vermieters bei Suizidabsicht des Mieters

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Mietwohnung Symbolbild

Der Bundesgerichtshof hat mit aktuellem Urteil vom 26.10.2022 (Az. VIII ZR 390/21) entschieden, dass ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden muss, wenn der Mieter für den Fall der zwangsweisen Räumung eine konkrete Suizidabsicht äußert und zumutbare Alternativen für den Mieter fehlen. Allerdings betonten die Karlsruher Richter in ihrer Entscheidung, dass im Einzelfall zu klären sei, ob sich die Folgen eines Umzuges durch familiäre oder ärztliche Hilfe gemindert werden können.  

Rentnerin erhielt nach 40 Jahren die Kündigung ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung

In dem Fall vor dem Bundesgerichtshof wohnte die heute 80 Jahre alte Mieterin seit 1977 in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung in Köln. Im April 2017 sprach ihr Vermieter die Kündigung der Wohnung zum 31.12.2017 aus. Als Grund nannte er Eigenbedarf. Der Vermieter gab an, dass er die Wohnung für sich und seinen 75-jährigen Lebenspartner benötige. Ende Oktober 2017 widersprach die Mieterin der Kündigung und berief sich dabei auf das Vorliegen von Härtegründen. Sie leide unter anderem an schwerer rezidivierender Depression und Suizidideen. Der Vermieter bot ihr an, dass sie eine Ersatzwohnung in demselben Haus beziehen könne. Dies schlug die Mieterin jedoch aus. Daraufhin erhobt der Vermieter vor Gericht eine Räumungsklage gegen seine Mieterin.

Vorinstanzen sind sich einig: Starke psychische Beeinträchtigungen stehen einer Räumung entgegen

Die beiden Vorinstanzen (Amtsgericht und Landgericht Köln) wiesen übereinstimmend die Klage des Vermieters ab und ordneten die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit an. Als Ausgleich zugunsten des Vermieters müsse aber die Nettokaltmiete erhöht werden. Die in den Vorinstanzen zuständigen Gerichte entschieden, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für die Mieterin eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Das Amtsgericht Köln ging unter anderem auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens davon aus, dass bei der Mieterin die Suizidgefahr im Falle einer Verurteilung zur Räumung sehr stark ausgeprägt sei. Die 80-jährige Rentnerin sei auf ihre Bleibe so stark fixiert, dass es ihr auch nicht möglich gewesen sei, die ihr angebotene Ersatzwohnung anzunehmen. Der Vermieter war mit diesen Entscheidungen nicht einverstanden und griff das Berufungsurteil des Landgericht Köln vor dem Bundesgerichtshof mit der Revision an. Der Bundesgerichtshof musste die Entscheidung des Berufungsgerichts auf Rechtsfehler überprüfen.  

Vermieter unterliegt auch vor dem BGH: Urteile der Vorinstanzen bestätigt

Der klagende Vermieter musste auch vor dem Bundesgerichtshof eine Niederlage hinnehmen. Der achte Zivilsenat des Bundesgerichtshof stimmte dem Landgericht Köln zu. Dass die beklagte Mieterin eine stationäre Therapie ablehnte, lässt das Vorliegen einer Härte nach § 574 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht entfallen. Nach Ansicht der Karlsruher Richter entfällt die Schutzbedürftigkeit eines Mieters nicht allein dadurch, dass er an der Behandlung seiner psychischen Erkrankung, aus der eine Suizidgefahr resultiert, nicht mitwirkt. Das Landgericht Köln gründete seine getroffenen Feststellungen zum Vorliegen einer Härte auf einer umfassenden Begutachtung und Zeugenvernehmung. Demnach habe bei der Mieterin eine sehr hohe Suizidgefahr bestanden und eine stationäre Behandlung wurde von ihr infolge der Erkrankung und extremen Fixierung auf die Wohnung abgelehnt.  

Auch der Umstand, dass die verklagte Mieterin krankheitsbedingt in der Ersatzwohnung keine Alternative und damit keine Lösung für die aus ihrer Sicht ausweglosen Situation gefunden hätte, stehe nach Ansicht des Bundesgerichtshof einer Härte nicht entgegen. Eine schematische Beurteilung im Rahmen der Interessenabwägung verbiete sich vor allem dahingehend, dass die Ablehnung einer Ersatzwohnung stets zugunsten des Vermieters zu berücksichtigen sei und dazu führe, dass der Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht verlangen könne. Es sei stets im Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen, welche das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen habe.

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Foto(s): Bild von Karsten Paulick auf Pixabay

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