BGH zur Betriebsschließung wegen Corona - wann die Versicherung zahlen muss

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Seit Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 beschäftigt die Gerichte die Frage, ob Versicherungen bei Betriebesschließung wegen Corona einstandspflichtig sind. 


Einstandspflicht nicht pauschal zu beantworten


Wenn sich die Betreiber einer von Gaststätten, Restaurants oder Hotelanlagen fragen, ob die von ihnen abgeschlossene Betriebsschließungsversicherung greift, stellt sich zunächst folgendes Problem: die meisten Versicherer in Deutschland haben verschiedene Versicherungsbedingungen, nach denen sich die Einstandspflicht richtet. Selbst wenn also ein Oberlandesgericht oder gar der BGH entscheidet, dass die Versicherung X für eine coronabedingte Betriebsschließlung einstandspflichtig ist, kann dies keinesfalls auf Versicherung Z übertragen werden, sofern dem Versicherungsvertrag andere Versicherungsbedingungen zugrunde liegen. 

Problem Nummer 2: die Auslegung der Vertragsbedingungen (einfach gesagt "was hat die Versicherung damit gemeint") ist selbst unter Juristen und Gerichten umstritten und daher für den Laien selten erkennbar.


BGH, Urteil vom 26.01.2022 - IV ZR 144/21


Bereits im Januar 2021 hat der BGH über die Einstandspflicht einer Versicherung entschieden, welcher die "Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - 2008 (ZBSV 08)" zugrunde lagen. Letztendlich entschied der BGH in dem konkreten für diese konkreten Versicherungsbedingungen, dass der Versicherer nicht einstandspflichtig ist.  Diese waren wie folgt formuliert:

"§ 2 Versicherte Gefahren

Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

den versicherten Betrieb [...] schließt [...]

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

Krankheiten: (hier folgte einer Widergabe des Gesetzestextes der §§ 6 und 7 IfSG)

Krankheitserreger: …"

Der BGH argumentierte (vereinfacht), durch die Wiedergabe des Gesetzestextes beschränkt sich der Versicherungsfall auf den Stand des Gesetzes in Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht auf die jeweils aktuell gülte Version des IfSG.


BGH, Urteil vom 18.01.2023 - IV ZR 465/21


Fast genau ein Jahr später sprach der BGH einem Versicherungsnehmer nunmehr einen Anspruch gegen die Versicherung zu - obwohl der Wortlaut zunächst sehr ähnlich klingt:

"3 Versicherte Gefahren und Schäden

[...]

Der Versicherer leistet … Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)

3.1.1 den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebs oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung); …

3.4 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG."

Hier entschied der BGH: die Verweisung auf das IfSG §§ 6 und 7 ist "dynamisch" und passt sich gewissermaßen an den aktuellen Stand des IfSG an. Da zum Zeitpunkt der Betriebsschließung SARS-CoV-19 schon im IfSG verankert war, musste die Versicherung hier also zahlen.

Diesem Urteil lagen die "Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)" zugrunde. Der Unterschied: die ZBSV 08 deckt vom Wortlaut nur die folgenden in §§ 6 und 7 IfSG gennanten Krankheiten ab, laut BBSG 19 sind jedoch die in §§ 6 und 7 IfSG benannten Krankheiten versichert.

Sollten Sie also eine Betriebsschließungsversicherung mit den BBSG 19 abgeschlossen haben, lohnt es sich, einen Rechtsanwalt / eine Rechtsanwälting zu kontaktieren, um Ihre Ansprüche prüfen zu lassen. Überdies sind in den nächsten Wochen und Monaten weitere BGH-Urteile zu verschiedenen Versicherungsbedingungen zu erwarten. 

Wir unterstützen Sie gerne bei der Geltendmachung der Ansprüche und halten Sie auf dem Laufenden!


Foto(s): https://unsplash.com/de/fotos/1zO4O3Z0UJA

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