Bundesweite Strafverteidigung bei Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte - § 184b StGB

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Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte im Sinne des § 184b StGB nehmen nach Auffassung des Autors, welcher in diesem Deliktsbereich Mandanten aus dem gesamten Bundesgebiet vertritt, auch innerhalb des strafrechtlichen Gefüges eine Sonderstellung ein. Aus der jahrelangen Erfahrung im Bereich der Strafverteidigung im Sexualstrafrecht und insbesondere bei Strafverfahren wegen Kinderpornografie ist bekannt, dass gerade in diesem Deliktsbereich immer wieder Problemstellungen auftreten, welche sich durchaus von anderweitigen Strafverfahren unterscheiden.


Deutlich wird dies aus dem Umstand, dass nahezu in keinem anderen strafrechtlichen Bereich, bereits der Tatvorwurf – wohlgemerkt unabhängig davon, ob zutreffend oder unzutreffend erhoben – eine derart stigmatisierende Wirkung hat, wie beim Tatvorwurf Kinderpornografie.


Es drohen daher neben den rein strafrechtlichen Konsequenzen regelmäßig auch erhebliche Auswirkungen im beruflichen, familiären oder sozialen Bereich. Grundvoraussetzung für eine effektive Strafverteidigung ist daher absolute Diskretion sowie das Bewusstsein um die existenzvernichtende Wirkung, welche ein solcher Tatvorwurf im ungünstigsten Fall entfalten kann.


Es kommt ferner hinzu, dass die Gesetzesnorm des § 184b StGB, welche die Strafbarkeit wegen Besitz, Erwerb und Verbreitung von Kinderpornografie regelt, in den letzten Jahren immer wieder massiv verschärft worden ist. Während etwa zu Beginn des Jahres 2015 der Strafrahmen für den Besitz von strafbaren Inhalten im Sinne des § 184b StGB noch bei Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren lag, wurde nunmehr der Strafrahmen für den Besitz in verschiedenen Zwischenschritten auf eine Mindeststrafe von 1 Jahr erhöht – dies wohlgemerkt bereits bei einem wissentlichen Besitz von 1 Bild.


Seitens des Autors wurde bereits in zahlreichen Fachbeiträgen in diesem Forum, aber auch auf der Kanzleihomepage auf die erfahrungsgemäß immer wieder auftretenden Fragestellungen im Bereich der Strafverteidigung bei Kinderpornografie hingewiesen. Die bundesweite Strafverteidigung in diesem Bereich zeigt, dass dieses Spezialgebiet auch weiterhin einen permanenten Wandel unterlegen ist.


1. Was droht nach der Gesetzesverschärfung bei § 184b StGB?

Durch die Neuregelung des § 184b StGB, welche am 01.07.2021 in Kraft getreten ist, wurde die Norm nunmehr als sogenanntes Verbrechen hochgestuft. Dies bedeutet, dass nach derzeitigem Sachstand eine gesetzliche Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe für den Besitz von Kinderpornografie existiert. Dies hat als weitere Konsequenz, dass die Strafen in diesem Deliktsbereich insgesamt deutlich höher ausfallen, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Weiterhin ist zu beachten, dass es für eine Strafbarkeit nach der derzeitigen Gesetzeslage auch völlig irrelevant ist, ob beim Beschuldigten eine sexuelle Präferenz für diesen Deliktsbereich besteht oder nicht. Dies hat zur Folge, dass Verfahren, die früher in der Rechtspraxis häufig eingestellt wurden, nunmehr mit einem deutlich höheren Risiko vor Gericht landen. Beispielhaft sei auf Fallkonstellationen hingewiesen, bei denen etwa Eltern, die entsprechende Fotos auf den Handys ihrer Kinder gefunden haben und an andere Eltern der Schulklasse zur Warnung oder Prüfung weiterschicken oder Lehrer, die solcher Bilder bei Schülern finden und sichern, sich selbst strafbar machen. Gleiches kann für Vorschaubilder im Internet oder auch für vermeintliche „Spaßvideos“ gelten, die in WhatsApp-Gruppe verschickt werden.


Derzeit ist beim Bundesverfassungsgericht zu dem Az. 2 BvL 11/22 ein sogenanntes Normkontrollverfahren anhängig, welches ausgerechnet von einem Strafrichter angestrengt wurde. Dieser sieht durch die Gesetzesnorm in der aktuellen Fassung einen Verstoß gegen das sogenannte Übermaßverbot als gegeben. Eine Entscheidung des BVerfG ist allerdings derzeit noch nicht absehbar.


Es gilt daher eindeutig:

Beim Besitz strafbarer Inhalte im Sinne des § 184b StGB, erstrecht bei deren Verbreitung, drohen ganz erhebliche rechtliche Konsequenzen. Dies auch „bereits“ bei 1 Bild, bei Vorschaubildern, bei vermeintlichen Spaßvideos oder auch bei Aufnahmen, die nach früherer Rechtslage eher dem sogenannten Posingbereich zugehörig waren.


2. Welche Rolle spielt das NCMEC beim Tatvorwurf Kinderpornografie?

Die Erfahrung im Bereich der Strafverteidigung bei Strafverfahren wegen Kinderpornografie zeigt, dass die entsprechenden Ermittlungsverfahren in der Vergangenheit sehr häufig in Zusammenhang mit sogenannten anlassunabhängigen Recherchen der Landeskriminalämter oder des Bundeskriminalamts, etwa auf Tauschplattformen standen. Mittlerweile spielt das National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) bei einer Vielzahl der Verfahren eine erhebliche Rolle. Es handelt sich dabei um eine Organisation in den USA, welche dort in erster Linie vom Justizministerium finanziert wird und weltweit die Ermittlungsbehörden bei der Verfolgung und Verhinderung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch unterstützt. Den Bereich der Kinderpornografie, aber auch den Bereich der Jugendpornografie betreffend ist es so, dass in den USA die Provider verpflichtet sind, dort bekannt gewordene strafbare Inhalte an das NCMEC zu melden. Dieses sammelt die Hinweise in sogenannten Cyber Typeline Report, auf die dann das Deutsche Bundeskriminalamt Zugriff hat.


Über einen regelmäßigen Austausch der Informationen werden dann die deutschen Behörden unterrichtet, wobei sehr häufig auch die IP-Adresse mitgeteilt wird. Dies ist auch der Grund, weshalb in vielen Durchsuchungsbeschlüssen, natürlich nicht in allen, der Hinweis enthalten ist, dass der Tatverdacht auf Erkenntnissen beruht, welche seitens des NCMEC mitgeteilt wurden.


Wichtig an dieser Stelle zu wissen:

Spätestens nach Kenntnis über die Einleitung des Strafverfahrens, dies ist regelmäßig mit einer Wohnungsdurchsuchung verbunden, sollte der Kontakt mit einem Strafverteidiger gesucht werden. Fehler im Ermittlungsverfahren können häufig nur sehr schwer und im ungünstigsten Fall überhaupt nicht korrigiert werden. Allgemeine Ausführungen im Internet bieten zwar ggf. eine erste Orientierung. Diese sind allerdings nicht dazu geeignet, eine individuelle Beratung und effektive Strafverteidigung im Einzelfall zu ersetzen.


3. Was passiert mit den sichergestellten Speichermedien?

Die Speichermedien werden ausgewertet. Es lässt sich dabei grob zwischen einer Auswertung seitens der Fachdezernate der Kriminalpolizei und einer Auswertung durch private Sachverständigengutachter unterscheiden. Die Praxis der Strafverteidigung im Internetstrafrecht zeigt, dass es durchaus erhebliche qualitative Unterschiede zwischen den Auswerteberichten geben kann. Dies wohlgemerkt unabhängig davon, ob letztlich die Auswertung durch einen privaten Sachverständigen oder durch die Kriminalpolizei erfolgt ist. Unterschiede können sich u. a. aus der Tiefe der Auswertung, der Rekonstruktion von gelöschten Bereichen, der Übersichtlichkeit des Auswerteberichts, einer Abgrenzung zu der Anzahl von legalen pornografischen Inhalten etc. ergeben.


Wichtig hier zu wissen:

Unabhängig davon, ob die Auswertung von staatlicher oder von privater Seite vorgenommen wird, beträgt die Auswertedauer einige Zeit. Diese Zeit sollte genutzt werden, um eine effektive Strafverteidigung vorzubereiten.


4. Was sind die Ursachen für den Konsum von Kinderpornografie?

Nach Auffassung des Autors kann der Umgang mit strafbaren Inhalten im Sinne des § 184b StGB die verschiedensten Gründe haben. Natürlich existieren Beschuldigte, bei denen eine sogenannte „pädophile Hauptströmung“ vorliegt. Dies ist allerdings keineswegs der Regelfall. Betrachtet man den Begriff der Pädophilie, liegt diese gemäß ICD-10 in medizinischer Sicht nur dann vor, wenn eine sexuelle Präferenz für Kinder, welche sich meistens bereits in der Vorpubertät entwickelt hat, besteht. Häufiger in der Praxis anzutreffen sind neben pädophilen Nebenströmungen auch mangelnde Empathie im Hinblick auf Kinder, das Ausleben von Machtfantasien oder die Angst vor Sexualität mit Erwachsenen. Zudem kommen auch immer wieder Fallkonstellationen der „Sammelwut“ vor, bei denen im Einzelfall hunderttausende von Bildern/Videos gesammelt werden, welche zuvor über Datenpakete auf den Rechner gelangt sind. Ein Umfang, welcher schon wegen der puren Datenmenge nicht mehr wirklich „konsumiert“ werden kann. Gerade nach der eingangs beschriebenen Gesetzesverschärfung spielen in der Anwendungspraxis mittlerweile auch Bilder und Videos eine Rolle, welche in Verkennung der strafrechtlichen Relevanz als vermeintliche „Spaßvideos“ in WhatsApp-Gruppen, teils auch auf dem Schuldhof, getauscht wurden.


Wichtig daher:

Je nach Fallgestaltung macht es im Einzelfall Sinn, ergänzend professionelle therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Dies kann sowohl für den Beschuldigten selbst, als auch für das Strafverfahren eine positive Wirkung haben.


5. Durchsuchung wegen Kinderpornografie – Ist es schlimm, dass bereits Angaben gemacht wurden?

Eine Vielzahl von Mandanten berichtet davon, dass im Rahmen der Durchsuchung bereits Angaben gemacht wurden. Häufig wurden dabei auch Passwörter, PINs oder Wischkombinationen mitgeteilt, was rein juristisch nicht notwendig ist. Ob die Mitteilung dieser und weiterer Informationen allerdings schädlich war oder nicht, stellt sich in aller Regel erst nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte heraus. Die Strafverteidigung muss nach Auffassung des Autors stehts nach dem „Prinzip des sichersten Weges“ erfolgen. Dies bedeutet, dass jedenfalls keine unbedachten Äußerungen zur Akte gereicht werden sollen. Auch wenn keine förmliche Vernehmung am Durchsuchungstag stattgefunden hat, fertigt der Kriminalbeamte meist einen Vermerk über die Äußerungen bzw. Spontanäußerungen bei der Durchsuchung. Es hängt dann von der jeweiligen Einzelfallkonstellation ab, ob selbige verwertet werden können oder ob ggf. ein erfolgreicher Verwertungswiderspruch erhoben werden muss.


Daher wichtig zu wissen:

Auch wenn bereits im Rahmen der Durchsuchung Angaben gemacht wurden, müssen diese nicht schädlich sein, sie können allerdings ggf. eine ungünstige Wirkung entfalten. Daher sollte jedenfalls für das künftige Verfahren der Beschuldigte aus der Kommunikation mit der Polizei genommen und selbige ausschließlich über den Strafverteidiger geführt werden. Es empfiehlt sich daher, spätestens nach einer Wohnungsdurchsuchung wegen Kinderpornografie Kontakt mit einem Rechtsanwalt aufzunehmen, der die Strafverteidigung in diesem Bereich übernimmt.


6. Welche weiteren Straftatbestände können in Kombination mit dem Tatvorwurf § 184b StGB auftreten?

Auch wenn der Besitz bzw. die Verbreitung von illegalen Inhalten gem. § 184b StGB zumeist das Hauptproblem darstellt, kann es immer wieder dazu kommen, dass auch weitere Straftatbestände eine zusätzliche Rolle spielen. Neben der Norm des § 184c StGB, also der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes von Jugendpornografie, betrifft dies insbesondere auch die Vorschriften des §§ 176, 176a StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) oder des § 201a StGB, wenn etwa im Rahmen der Auswertung Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass auch heimlich Bildaufnahmen, etwa mit sogenannten Spy Cams, gefertigt wurden. Nicht völlig ausgeschlossen ist auch die Erweiterung des Ermittlungsverfahrens wegen Urheberrechtsverletzungen. Dies kommt in der Praxis allerdings eher selten vor.


Wichtig zu wissen:

Zu den Erfordernissen einer umfassenden Strafverteidigung gehört es auch, mit dem Mandanten zu klären, ob im Rahmen der Auswertung die Gefahr entstehen kann, dass zusätzliche Tatvorwürfe erhoben werden. Selbige müssen dann frühzeitig in die künftige Verteidigungsstrategie einbezogen werden. Je eher ein im Sexualstrafrecht tätiger Strafverteidiger mit seiner Arbeit und Beratung beginnt, desto rascher kann eine erste Weichenstellung für den Mandanten vorgenommen werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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