Corona-Notbremse verpflichtet Arbeitnehmer zu Homeoffice

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Die Corona Pandemie hat in Bezug auf das Homeoffice einiges durcheinandergebracht. Zuvor wurde dieses eher seltene Gut gewöhnlich tageweise an interessierte Arbeitnehmer verteilt. Diese erfreuten sich sodann an den ersparten Arbeitswegen und einer ungestörten Arbeitsumgebung. Nicht wenige Arbeitgeber hatten jedoch dem Homeoffice gegenüber grundsätzliche Vorbehalte wie mangelnde Kontrollmechanismen und erhöhte finanzielle Aufwendungen. Im Frühjahr des Jahres 2020 fanden sich sodann viele Arbeitnehmer ganz plötzlich im Homeoffice wieder. Tatsächlich klappte dies in weiten Strecken besser als erwartet. In rechtlicher Hinsicht hatte sich allerdings nichts geändert, so dass homeoffice-skeptische Arbeitgeber nach wie vor berechtigt waren, auch hierfür geeignete Tätigkeiten im Büro ausführen zu lassen. Im Februar 2021 hat sich der Gesetzgeber dieses Themas angenommen und aktuell die getroffene Regelung maßgeblich verschärft.

Kurze Einführung in die Begriffe

Arbeitsrechtlich definiert sind die gebräuchlichen Begriffe im Bereich des außerbetrieblichen Arbeitens nicht. Relativ klar ist einzig der Begriff der „Telearbeit“: Hier wird die Arbeitsleistung im eigenen häuslichen Umfeld erbracht (das, was landläufig als Homeoffice bezeichnet wird). Der Begriff „mobiles Arbeiten“, der häufig synonym verwandt wird, bezeichnet hingegen etwas anderes. Im Gegensatz zu Telearbeit/Homeoffice findet mobiles Arbeiten ortsungebunden statt. Wenn Sie mit ihrem Notebook im Park oder einem Kaffee arbeiten, sind Sie also „mobile worker“. Diese etwas romantisierte Vorstellung hat allerdings, jedenfalls in einem Angestelltenverhältnis, oft wenig mit der Wirklichkeit gemein, da sie in der Regel keine offenen WLAN-Netze nutzen dürfen. Faktisch arbeiten sowohl Arbeitnehmer in Telearbeit/Homeoffice als auch im mobilen arbeiten regelmäßig zu Hause.

Vor der Corona Pandemie: Nicht jeder wollte ins Homeoffice und musste auch nicht

Klassischerweise arbeiten Arbeitnehmer in den Betrieben des Arbeitgebers. Für viele Tätigkeiten wie Handwerk, Verkauf oder Industrie ist hier auch keine Änderung absehbar. Für Büroarbeitsplätze wurde dieser Umstand durch die fortschreitende Digitalisierung infrage gestellt. Auch hier war allerdings die Arbeit vor Ort auch in den letzten Jahren noch der Normalfall. Der Arbeitgeber hat die Entscheidungshoheit über den Arbeitsort (§ 106 Satz 1 Gewerbeordnung). Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gezwungen, sich bereits im Arbeits- oder Tarifvertrag abschließend auf einen Arbeitsort festzulegen.

Bei allen Freiheiten konnte er allerdings einen Arbeitsort in der Regel nicht nachträglich und einseitig festlegen und wird dies wohl auch nach der Pandemie nicht können: das Homeoffice. Die Gerichte sind diesbezüglich - ohne pandemische Lage im Land - der Auffassung, dass sich in diesem Fall die Tätigkeit im Homeoffice so weit von der arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit entfernt, dass dem Arbeitgeber dieses – inhaltliche, nicht örtliche – Weisungsrecht nicht mehr zustellt (siehe z.B. Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10.10.2018, Az. 17 Sa 562/18).

Corona-Arbeitsschutzverordnung: Homeoffice Angebot verpflichtend

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 regelte bis vor Kurzem den Anspruch der Arbeitnehmer, die Versetzung ins Homeoffice zu verlangen. Dieses Recht stand Arbeitnehmern bis dahin unzweifelhaft nicht zu. Verweigern konnte der Arbeitgeber das Verlangen auf Arbeit im Homeoffice nur im Fall hierfür ungeeigneter Tätigkeiten oder sofern zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstanden. Die Beweislast hierfür lag beim Arbeitgeber. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung waren bereits etliche Arbeitnehmer ins Homeoffice versetzt. Die Regelung zielte also auf Arbeitgeber, die das Homeoffice bis dahin nicht von sich aus angeboten hatten. Man mag sich vorstellen, dass Arbeitnehmer in dem Wissen um eine Abneigung ihres Arbeitgebers bei diesem Thema von der Durchsetzung ihres Rechtes abgesehen haben. Dies mag Anlass für den Gesetzgeber gewesen sein, die Vorschrift zu ergänzen.

Seit 23.04.2021: Arbeitnehmer müssen gegebenenfalls ins Homeoffice wechseln

Der Gesetzgeber hat am 21.04.2021 die sogenannte Corona-Notbremse beschlossen. In Kraft ist das Gesetz seit dem 23.04.2021. Die oben genannte Regelung aus der Corona Arbeitsschutzverordnung wurde mit einer Erweiterung in das Infektionsschutzgesetz überführt. In Paragraf 28b Abs. 7 des IfSG heißt es nun:

„Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die (…) Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag die folgenden Maßnahmen:

Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.“

Das Angebot auf den Wechsel ins Homeoffice ist also nach wie vor unter den bisherigen Bedingungen verpflichtend. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer grundsätzlich gehalten sind, dieses Angebot anzunehmen. Hier ergibt sich jedoch ein entscheidender Unterschied: Während Arbeitgeber sehr stichhaltige Gründe gegen den Wechsel ins Homeoffice anführen und gegebenenfalls auch nachweisen müssen, genügt für Arbeitnehmer, die diesem Angebot nicht nachkommen möchten, jeder Grund. Hierbei kann es sich um zu erwartende Lärmbelästigung oder um technische Hindernisse handeln. Arbeitnehmer können sich dieser gesetzlichen Verpflichtung also recht einfach entziehen. Dies mag darauf hindeuten, dass die Regelung mittelbar doch auf die Arbeitgeber in der oben beschriebenen Situation zielt. Keine der beiden Parteien hat allerdings Konsequenzen im Fall der Nichtbeachtung zu fürchten.

Lesen Sie bei Interesse auch unsere weiterführenden Hinweise zum Thema Homeoffice, unter anderem über die sich hier ergebenden Arbeitgeberpflichten und den Versicherungsstatus unter https://kanzlei-kerner.de/corona-und-homeoffice/#toggle-id-5-closed . Die Langversion dieses Blogbeitrags finden Sie unter https://kanzlei-kerner.de/jetzt-also-doch-homeoffice-pflicht-fuer-arbeitnehmer/ .


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