Corona-Rechtstipp für private Auftraggeber von Bauleistungen

  • 4 Minuten Lesezeit

I. Lage

Wegen der Corona-Pandemie gelten mittlerweile flächendeckend Kontaktverbote und das öffentliche Leben ist erheblich verlangsamt. Die überwiegende Zahl der Geschäfte bleibt geschlossen. Auch die Baubranche ist betroffen.

Vermehrt fragen Bauherren, wer haftet, wenn Handwerksunternehmen oder Bauunternehmer nicht mehr weiterarbeiten (können) und das Bauvorhaben stillsteht.

Die Gründe können mannigfaltig sein. Beispielsweise können Materiallieferungen ausbleiben oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Adressaten von Quarantäne-Maßnahmen geworden. Es kommt in der Folge zu Störungen im Bauablauf.

II. Rechtliche Aspekte

1. Wer haftet für Bauzeitverzögerungen

Grundsätzlich ist der Unternehmer – es wird in diesem Beitrag ausschließlich um den BGB-Werkvertrag, BGB-Bauvertrag oder Verbraucherbauvertrag gehen; die VOB bleibt außer Betrachtung – für die Materialbeschaffung verantwortlich, sofern nicht ausnahmsweise bauseitige Beschaffung vereinbart ist. Sinngemäß selbiges gilt für den Ausfall von Personal: Verzögerungen fallen demnach grundsätzlich in die Risikosphäre des Auftragnehmers/Bauunternehmers, denn er schuldet einen Erfolg zur vertraglich vereinbarten Zeit. Auch können Liquiditätsengpässe eine Rolle spielen. Dies insbesondere, wenn Auftragnehmer nicht mehr pünktlich bezahlt werden. Erforderlich für eine Inanspruchnahme des Auftragnehmers ist allerdings weiterhin dessen Verschulden für die Verzögerung.

In der Zeit einer Pandemie ist es nicht ohne Weiteres möglich, dem Auftragnehmer eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen. Von der Rechtsprechung musste dies – zum Glück – noch nicht entschieden werden, denn man blieb bis zur Stunde von Pandemien und den damit einhergehenden Folgen (u. a. Kontaktverboten) verschont. Es gibt also keine gerichtlichen Entscheidungen, an denen man sich derzeit orientieren könnte.

An einer schuldhaften Pflichtverletzung des Auftragnehmers fehlt es, wenn ein Fall der „höheren Gewalt“ vorliegt. „Höhere Gewalt“ liegt dann vor, wenn ein externes Hindernis der Pflichterfüllung gegeben ist, das der Auftragnehmer weder vermeiden noch überwinden kann. „Extern“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass der Mensch das Phänomen beherrschen kann; es sollen lediglich Hindernisse aus der Sphäre des Auftragnehmers ausgeschlossen werden. Soweit ersichtlich wird die Corona-Pandemie in den Fachkreisen als ein Fall „höherer Gewalt“ angesehen.

Dies kann bedeuten, dass – im Falle ernsthafter Lieferschwierigkeiten aufgrund etwa Quarantäne oder Kontaktverboten – der Auftraggeber gehindert ist, pünktlich seine Leistung zu erbringen. Die Lieferschwierigkeiten müssten auf das Virus zurückzuführen sein und eben nicht auf ein Versäumnis (etwa eine zu späte Bestellung) des Auftragnehmers. Sollte das erforderliche Material beschaffbar sein – obschon zu erhöhten Preisen – so ist der Auftragnehmer nach wie vor in der Pflicht. Hier lohnt der Blick ins Detail.

2. Darf der Auftraggeber den Vertrag kündigen (und ggf. Fertigstellungsmehrkosten beanspruchen)?

Auch unabhängig von einer Pandemie oder Leistungsverzögerungen darf der Auftraggeber einen Bauvertrag kündigen (sogenannte freie Kündigung). Bei einer freien Kündigung setzt sich der kündigende Auftraggeber jedoch weitreichenden Vergütungsansprüchen aus. Interessant ist vielmehr, ob die verzögerte Fertigstellung aufgrund der Pandemie den Auftraggeber zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt und nach der Kündigung etwaige Mehrkosten gegenüber dem ursprünglichen Auftragnehmer durchgesetzt werden können, wenn die Fertigstellung durch einen leistungsbereiten dritten Auftragnehmer teurer ausfällt. Hier gilt oben Ausgeführtes sinngemäß: Es ist zu prüfen, ob der Anlass für die Kündigung dem Auftragnehmer vorwerfbar ist. Sollten die Leistungsverzögerungen pandemie-ursächlich sein, so dürfte kein wichtiger Grund vorliegen. In der Folge dürfte ein Auftragnehmer auch nicht für eine teurere Fertigstellung haften müssen.

III. Rat an den Bauherren und Empfehlungen für das weitere Vorgehen

Da im Streitfall Beweisschwierigkeiten zu erwarten sind, sollte man sich die Gründe für Verzögerungen konkret benennen und belegen lassen. Ist der Auftragnehmer bereits im Rückstand mit seiner Verpflichtung das Bauwerk herzustellen, so sollte die Bauherrschaft eine angemessene – unter Benennung eines konkreten Datums – Frist zur Fertigstellung setzen. Unabhängig davon muss der Bauherr darauf achten, dass er seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachkommt. Ähnlich einem Mieter, der die Mangelhaftigkeit der von ihm gemieteten Wohnung rügt, muss der Bauherr seinerseits dem Auftragnehmer auch Gelegenheit geben, seiner Verpflichtung nachzukommen. Hierzu rechnet insbesondere – je nach vertraglicher Gestaltung – die Beschaffung der erforderlichen Genehmigungen. Sollten diese auf sich warten lassen, weil behördenseitig Verzögerungen eintreten, so ist dies dem Auftragnehmer nicht anzulasten.

Bei einer Kündigung ist ebenfalls Vorsicht walten zu lassen. Insbesondere ist zu bedenken, dass sehr wahrscheinlich auch andere Unternehmer derzeit in der Leistungserbringung gehemmt sein dürften. Insgesamt gilt, dass in der Kommunikation mit dem Auftragnehmer – oder in diesem Zusammenhang besser: Vertragspartner – mit Augenmaß agiert wird. Selbstverständlich sollten Auftraggeber nicht unkritisch die Corona-Krise als Entschuldigung für Bauzeitverzögerungen hinnehmen.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass seit 1.4.2020 eine neue Fassung des Art. 240 EGBGB gilt, die der Pandemie Rechnung trägt: Bestimmte Schuldner – etwa Verbraucher oder Kleinstunternehmer – haben bis zum 30.6.2020 bei Erfüllung weiterer Tatbestandsmerkmale ein Leistungsverweigerungsrecht. Die Vorschrift bezieht sich auf wesentliche Dauerschuldverhältnisse, weswegen diese derzeit auch in der Tagespresse diskutierten Moratoriumsvorschriften auf Bauverträge regelmäßig keine Anwendung finden dürften. Insofern ist bei der vorschnellen Ausübung von Leistungsverweigerungsrechten Vorsicht geboten.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei den obigen Ausführungen um eine Darstellung möglicher rechtlicher Auswirkungen im Überblick handelt, die eine individuelle Beratung nicht ersetzen kann. Insbesondere entbindet dieser Überblick nicht davon, die Vereinbarung zwischen Bauherrschaft und Auftragnehmer im Lichte der Umstände des Einzelfalls genau zu prüfen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Helge Schoenewolf

Beiträge zum Thema