Corona-Krise: Zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Chancen einer Insolvenz

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Der Bundestag hat am 25.03.2020 im Rahmen des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht das Gesetz zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG, Gesetzestext mit Begründung abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/181/1918110.pdf) beschlossen. Das Gesetz soll plangemäß rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft treten.

Die Änderungen in Kürze

  1. Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB wird vorerst vom 01.03.2020 bis zum 30.09.2020 (nachfolgend „Aussetzungszeitraum“) ausgesetzt.
  2. Dies allerdings nur, wenn die Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Hier greift eine Beweislastumkehr zulasten desjenigen, der die Verletzung der Pflicht zur Insolvenzantragstellung vorwirft.
  3. Nach der Vermutungsregelung im Gesetzesentwurf sind ein Beruhen der Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie und das Bestehen von Aussichten auf Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit anzunehmen, wenn der betroffene Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war.
  4. Auch Insolvenzanträge von Gläubigern werden eingeschränkt: Bei innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellten Gläubigeranträgen setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass der Eröffnungsgrund bereits am 01.03.2020 vorlag.

Empfehlung zur Dokumentation

Da nicht in jedem Fall klar sein wird, ob Corona wirklich ursächlich für die Insolvenzreife ist, ist Betroffenen zu empfehlen, alle relevanten Vorgänge (z. B. Auftragsabbrüche, Zahlungsausfälle, Lieferengpässe, Beschränkungen und Einstellungen des Geschäftsbetriebs) und deren Gründe sehr genau zu dokumentieren.

Die Beweislast liegt allerdings bei demjenigen, der sich auf das Bestehen der Antragspflicht beruft (Staatsanwalt bei dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung oder Insolvenzverwalter bei Haftungsprozessen). So kann im Ernstfall im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die Pandemie konkret ausgewirkt hat. Zusätzlich kann die Vermutungsregelung Antragspflichtige entlasten.

Vorkehrungen treffen

Den Unternehmen soll mit dem Gesetzesentwurf Zeit gegeben werden, notwendige Vorkehrungen zur Beseitigung einer eintretenden Insolvenzreife zu treffen. So können die Möglichkeiten der Inanspruchnahme staatlicher Hilfen und anderer Programme (z. B. von Bürgschaftsbanken) ausgeschöpft werden. Die einzelnen Bundesländer bieten auf unterschiedliche Weise Direkthilfen für Unternehmer und Startups. Dabei ist zu differenzieren, ob es sich um verlorene Zuschüsse, Darlehen oder andere Subventionen handelt. Zudem sollten Finanzierungs- oder Sanierungsarrangements mit Gläubigern und Kapitalgebern getroffen werden.

Für Betroffene gilt es nun, im Einzelfall Grundüberlegungen zur wirtschaftlichen Verfassung und zur Perspektive des Unternehmens anzustellen. So ist eine Umsatz-, Ertrags- und Liquiditätsprognose für die nächsten Monate zu erstellen. Es bedarf unter anderem für die Beantragung von Sanierungskrediten eines plausiblen Liquiditätsplans, aus welchem der erforderliche Kapitalbedarf hervorgeht.

Einschränkung der Insolvenzanfechtung

Geschäftspartner betroffener Unternehmen sollen nicht von Leistungen und Zahlungen abgehalten werden. Soweit die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist, sind daher nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht insolvenzrechtlich anfechtbar; es sei denn, dem anderen Teil war bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.

Kredite keine Gläubigerbenachteiligung

Auch soll das Gesetz zur Gewährung von Krediten anregen. So gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG, dass die bis zum 30.09.2023 erfolgte Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite keine Gläubigerbenachteiligung darstellt. Dies gilt auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Zahlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum sind zudem nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen.

Strategisches Vorgehen

Trotz der Erleichterungen bezüglich der Insolvenzantragspflicht sollte strategisch vorgegangen und der Überblick gewahrt werden. Gegebenenfalls ist die Geschäftstätigkeit Ihres Unternehmens die nächsten drei Monate eingeschränkt. Es sind daher auch die Möglichkeiten und unternehmerischen Perspektiven, die ein Insolvenzverfahren bietet, mit einzubeziehen. So greifen unter dem Schutzschild des Insolvenzverfahrens Mechanismen wie der Vollstreckungsschutz oder der Anspruch auf Insolvenzgeld, wodurch vorübergehend die Lohnzahlungen sichergestellt sind.

Schließlich verbleiben sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens im Insolvenzverfahren. Zudem kann das Unternehmen an sich als ausgeübte Gewerbebetrieb häufig im Rahmen eines Asset-Deals durch eine neu zu gründende GmbH zu sehr vernünftigen Preisen von der Insolvenzmasse der – gegebenenfalls zuvor umfirmierten – alten GmbH abgekauft werden. Gleiches kann – sofern sich der Einzelfall dafür eignet – in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung umgesetzt werden. Die Corona-Krise kann als Entschuldigung dienen, um mögliche Sanierungswerkzeuge zu nutzen und danach befreit neu durchzustarten. Holen Sie sich rechtliche Beratung ein.

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