Das „Corona-Gesetz“ – Sonderregelungen im allgemeinen Vertragsrecht

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Die Corona-Pandemie hat bislang ungeahnte weitreichende staatliche Eingriffe in unser Wirtschaftsleben hervorgerufen. Mit Gesetz vom 27.03.2020 hat der Gesetzgeber mit Art. 240 EGBGB befristete vertragsrechtliche Sonderregeln erlassen, um die wirtschaftlichen Folgen für Verbraucher und Kleinstunternehmen abzumildern.

Die Regelungen verfolgen das ZielVerbraucher und Kleinstunternehmen vor dem Verlust wesentlicher Leistungen der Daseinsvorsorge wie z. B. Pflichtversicherungen, Strom, Gas, Wasser, Telefon und Internet zu schützen. Es geht um eine die Vermeidung existenzbedrohender Folgen von wirtschaftlich schwächer aufgestellten Marktteilnehmern.

Moratorium für Verbraucher 

Danach können Verbraucher die Zahlungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses, welche vor dem 08.März 2020 abgeschlossen wurden bis zum 30. Juni 2020 verweigern. Dies allerdings nur, wenn die Gefahr besteht, dass der Verbraucher sonst seinen Lebensunterhalt oder den seiner Familie nicht mehr bestreiten kann. Die finanzielle Existenzgefährdung muss auf die Pandemie zurückzuführen sein. Ein mittelbarer Zusammenhang genügt insoweit, da das Gesetz lediglich von „Umständen, die auf die Pandemie zurückzuführen sind“ spricht.

Der Verbraucher muss sich ausdrücklich gegenüber dem jeweiligen Gläubiger auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen. Einfach keine Zahlungen mehr zu veranlassen, führt nicht zu einem Kündigungsschutz durch die Moratoriumsregelungen.

Der Gläubiger muss für den Fall der Leistungsverweigerung durch den Schuldner die jeweilige Leistung trotzdem weiter erbringen, es sei denn dies ist für ihn selbst wiederum existenzgefährdend und damit unzumutbar.

Moratorium für Kleinstunternehmen 

Kleinstunternehmen soll das gleiche Recht zustehen, wenn das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre. Als Kleinstunternehmen gelten Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsätze bzw. Bilanzen 2 Millionen Euro nicht übersteigen. Auch kleine und mittlere Unternehmen sollen im Notfall von dem Gesetz profitieren. Als kleines Unternehmen gilt ein Unternehmen, welches weniger als 50 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz bzw. eine Jahresbilanz von unter 10 Mio. EUR hat. Als mittleres Unternehmen gilt ein Unternehmen, welches weniger als 250 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von unter 50 Mio. EUR bzw. eine Jahresbilanz von unter 43 Mio. EUR hat.

Beweislast

Sowohl die Gefahrenlage als auch der Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind von dem leistungsverweigernden Schuldner nachzuweisen. Dies gelingt etwa mit Belegen über Umsatzrückgänge, Geschäftsschließungen, Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit, sowie schlicht mit Nachweisen über die wirtschaftliche Lage des Schuldners.

Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen 

Für Mietverhältnisse steht dem Mieter zwar kein Leistungsverweigerungsrecht zu, jedoch darf ein Vermieter das Mietverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 01. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit der Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Dies betrifft auch Mietverhältnisse, bei welchen eine Kündigung bei Zahlungsverzug vertraglich vereinbart ist. Dieser Zusammenhang ist dem Vermieter gegenüber glaubhaft zu machen. Dasselbe gilt für Pachtverhältnisse.

Bei Wohnräumen kommt als pandemiebedingter Zusammenhang beispielsweise der Verlust des Arbeitsplatzes ohne Ausgleichszahlungen und Barreserven, sowie erhebliche Einkommensverluste durch die Kurzarbeit in Betracht. Die Schließung eines Ladengeschäfts oder Lokals allein, hingegen genügt für die Anwendung des Moratoriums nicht. Es müssen darüber hinaus erhebliche finanzielle Belastungen aus der Schließung resultieren, welche nicht durch liquide Mittel aufgefangen werden können. Um sich wirksam auf den Kündigungsausschluss berufen zu können, werden Unternehmen daher wohl nicht umhin kommen, ihre wirtschaftliche Situation gegenüber dem Vermieter offen zu legen.

Regelungen zum Darlehensrecht 

Für Verbraucherdarlehensverträge, welche vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, tritt automatisch eine Stundung im Hinblick auf die Rückzahlungsverpflichtungen, sowie die Zins- und Tilgungsleistungen in Kraft, welche zwischen dem 01. April und dem 30. Juni 2020 fällig werden. Voraussetzung ist auch hier, dass die Leistung für den Schuldner unzumutbar aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wegen der Corona-Krise ist. Die Stundung tritt für 3 Monate ein. Soweit ein Verbraucher Zahlungen vertragsgemäß weiter tätigt, gilt die Stundung jedoch als nicht erfolgt.

Abweichende Vereinbarungen sollen von den Vertragsparteien getroffen werden dürfen. Diese müssen jedoch berücksichtigen, dass Kündigungen wegen Zahlungsverzugs und der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum Ablauf der Stundung in jedem Fall ausgeschlossen sind, also auch keine dahingehende Vereinbarung getroffen werden darf. Einigungsgespräche zwischen den Vertragsparteien sind vom Gesetzestext ausdrücklich vorgesehen und im Einzelfall wahrscheinlich die Beste Form der Problemlösung. 

Kritik

Als Verbraucher oder Kleinunternehmer sollten Sie keinesfalls leichtfertig Gebrauch von den durch den Gesetzgeber geschaffenen Instrumenten machen. Zwar werden dadurch akut vorliegende Geldsorgen kurzfristig gestillt. Es gilt allerdings zu bedenken, dass nach den vorgegebenen Zeiträumen, die verweigerten oder gestundeten Zahlungen auf einmal fällig werden. Jedoch erscheint es unrealistisch, dass derzeit bestehende finanzielle Schwierigkeiten in 3 Monaten ausgeglichen werden können, sodass das Problem der mangelnden Existenzsicherung aufgrund von Zahlungsunfähigkeit lediglich zeitlich nach hinten verschoben wird.

Darüber hinaus muss nach Ablauf des Moratoriums damit gerechnet werden, dass Gläubiger vermehrt und zeitlich gebündelt von ihren Kündigungsrechten Gebrauch machen werden. So bleibt auch eine Belastung unseres ohnehin schon überlasteten Rechtssystems zu befürchten. Dies gerade auch, weil der Gesetzestext an so mancher Stelle eine hinreichende Konkretisierung vermissen lässt, so dass die dadurch geschaffene Rechtsunsicherheit durch entsprechende Rechtsprechung oftmals zu beseitigen sein wird.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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