Das Eckpunktepapier der Bundesregierung Cannabis-Abgabe – Kommt die vollständige Legalisierung von Cannabis?

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Das Für und Wider einer Legalisierung von Cannabis prägt bereits seit vielen Jahren die öffentliche Debatte. Im kürzlich veröffentlichten „Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“ hat die Bundesregierung eine Grundlage für einen künftigen Gesetzesentwurf beschlossen. Doch welche Auswirkungen hätte ein solches Gesetz für das Strafrecht und wie würde sich die aktuelle Rechtslage im Strafrecht ändern?


Wie ist die aktuelle strafrechtliche Situation?

Cannabis und das darin enthaltene Tetrahydrocannabinol (THC) gelten als Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). In der Anlage I zum BtMG ist Cannabis definiert als „Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen“. Ebenso als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel gilt Cannabisharz, das sogenannte Haschisch.


Welche Handlungen im Umgang mit Cannabis sind derzeit strafbar? 

Für den Verkehr von Cannabis als Betäubungsmittel ist grundsätzlich eine Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erforderlich. Als Verkehr im Sinne des Betäubungsmittelrechts gelten zahlreiche Handlungsvarianten: Anbau, Herstellung, Handel treiben, Ein- und Ausfuhr, Abgabe, Veräußerung, sonstiges In-den-Verkehr-bringen, Erwerb sowie Herstellung bestimmter Zubereitungen. Wer gegen die Erlaubnispflicht verstößt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 29 Absatz 1 Nr. 1 BtMG).

Daneben enthält das Betäubungsmittelstrafrecht zahlreiche weitere Verbote im Umgang mit Cannabis, deren Verletzung unter Strafe steht. Einige der wichtigsten Verbote sind:

  • Besitz ohne eine schriftliche Erlaubnis für den Erwerb (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe)
  • Unerlaubtes Werben (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe)
  • Verschaffen einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder der unbefugten Abgabe (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe)
  • Gewerbsmäßige Verstöße gegen das BtMG (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr)
  • Handel in nicht geringer Menge (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr)

Diese Liste ist nur beispielhaft. Das BtMG regelt eine Vielzahl weiterer Varianten im Umgang mit Cannabis, die unter Strafe stehen. Im Zweifel sollte die Hilfe eines Fachanwalts für Strafrecht in Anspruch genommen werden.


Ist der Besitz geringer Mengen Cannabis zum Eigengebrauch bereits jetzt straflos?

Auch der Besitz geringer Mengen Cannabis wird nach derzeitiger Rechtslage grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Entgegen einer landläufigen Meinung existiert also keine gesetzliche Eigenbedarfsgrenze. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 entschieden, dass der Besitz geringer Mengen Betäubungsmittel nicht mehr verfolgt werden soll, wenn diese nur dem Eigenbedarf dienen (BVerfGE 90, 145).

Infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schuf der Gesetzgeber mit § 31a BtMG eine Vorschrift, wonach die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen kann. Dies geschieht häufig im Fall des Besitzes geringer Mengen. Außerdem kann das Gericht von Strafe absehen, wenn jemand Cannabis zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. Was als geringe Menge gilt, bestimmen wiederum die Bundesländer. Die Spannweite liegt dabei zwischen sechs und 30 Gramm. Eine Garantie, dass ein Strafverfahren wegen des Besitzes einer geringen Menge eingestellt wird, existiert allerdings nicht.


Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung mit dem neuen Gesetz?

Die teilweise Legalisierung von Cannabis ist Teil des Koalitionsvertrags der Ampelkoalition. SPD, Grüne und FDP haben darin die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften vereinbart. Das künftige Gesetz soll dieses Vorhaben umsetzen. Die geplante Kontrolle der Cannabisqualität soll zu einem besseren Jungend- und Gesundheitsschutz für Konsumentinnen und Konsumenten beitragen, indem die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert wird. Gleichzeitig soll der bestehende Schwarzmarkt eingedämmt werden.  


Was soll sich nach der neuen Rechtslage an der Strafbarkeit ändern?

Cannabis und THC sollen in Zukunft nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Genusscannabis, Medizinalcannabis (Pflanze und Zubereitungen aus Pflanze) sowie Nutzhanf sollen vollständig aus dem Anwendungsbereich des BtMG herausgenommen werden. Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen sollen in speziellen Gesetzen geregelt werden.

Für Genusscannabis soll ein lizenzierter und staatlich kontrollierter Rahmen entstehen, innerhalb dessen die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb legalisiert ist. Medizinalcannabis soll weiterhin innerhalb der bestehenden Grenzen als Arzneimittel verschrieben werden können. Der maximale THC-Wert für Nutzhanf soll auf 0,3 Prozent festgelegt werden. Für den Umgang mit Cannabidiol (CBD)-Produkten sollen gegebenenfalls gesonderte Vorschriften geschaffen werden.


Wie soll es künftig um die Strafbarkeit im Umgang mit Genusscannabis stehen?

Innerhalb des geplanten lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens sollen die Produktion, Lieferung und der Vertrieb von Nutzcannabis straflos sein. Auch der Erwerb und der Besitz bis zu einer Höchstgrenze von 30 Gramm sowie der Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum sollen erlaubt sein, und zwar unabhängig vom THC-Gehalt der getrockneten Pflanzen.

Darüber hinaus soll der Eigenanbau von bis zu drei weiblichen blühenden Pflanzen pro volljährige Person nicht mehr unter Strafe stehen, solange die Pflanzen vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche geschützt sind und der Eigenanbau der zuständigen Stelle angezeigt wird. Minderjährigen bleiben der Anbau, Erwerb und der Konsum von Cannabis verboten. Bei Verstößen kommt die Teilnahme an einem Frühinterventions- oder Präventionsprogramm in Betracht.


Gibt es Handlungen im Umgang mit Cannabis, die weiterhin unter Strafe stehen sollen?

Strafbarkeiten außerhalb der geplanten Legalisierung bleiben bestehen. Das betrifft vor allem den Handel und das Inverkehrbringen außerhalb des lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens sowie den Erwerb, Besitz und Anbau oberhalb der erlaubten Menge von 30 Gramm. Die Bestrafung soll aber nicht mehr nach den Vorschriften des BtMG erfolgen, da dieses nur für Betäubungsmittel gilt und Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden soll.

Stattdessen sollen neue Vorschriften geschaffen werden, die geringere Strafen vorsehen. So soll anstelle einer gesetzlichen Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe treten. Lediglich Handlungen, die mit einer besonderen Gefährdung für Kinder und Jugendliche verbunden sind, die im Bereich der organisierten Kriminalität zu verorten sind, gewerbsmäßig oder mit Waffen begangen werden, sollen härter bestraft werden. Hinzu kommen mögliche Sanktionierungen außerhalb des eigentlichen Betäubungsmittelstrafrechts, beispielsweise im Fall einer Teilnahme am Straßenverkehr nach dem Konsum von Cannabis.


Was passiert mit bereits verurteilten Personen oder laufenden Verfahren?

Mit Inkrafttreten der geplanten Neuregelung sollen laufende Ermittlungs- und Strafverfahren beendet werden. Außerdem sollen Eintragungen im Bundeszentralregister (BZR) getilgt werden, wenn die Eintragung wegen einer Handlung erfolgte, die nach dem neuen Recht nicht mehr unter Strafe steht.

Beispielsweise würde eine Tilgung erfolgen, wenn jemand bereits wegen des Besitzes von 20 Gramm Cannabis verurteilt wurde, da der Besitz von 20 Gramm nicht mehr strafbar sein soll. Anders sähe es hingegen aus, wenn die Eintragung wegen des Besitzes von 40 Gramm erfolgte, da der Besitz in dieser Höhe auch weiterhin strafbar sein soll.   


Kommt die Entkriminalisierung sicher oder bestehen noch Hürden?

Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, den Umgang mit Suchtstoffen zu limitieren. Dies begrenzt den Handlungsspielraum bei der Entkriminalisierung. So heißt es auch im Eckpunktepapier der Bundesregierung: „Der genannte rechtliche Rahmen bietet begrenzte Optionen, das Koalitionsvorhaben umzusetzen.“

Insbesondere könnten europarechtliche Vorschriften einer Legalisierung entgegenstehen. Aus diesem Grund möchte die Bundesregierung ihr Eckpunktepapier der EU-Kommission für eine sogenannte Vorabprüfung vorlegen. Gesundheitsminister Lauterbach hat das Ergebnis dieser Prüfung bereits als offen bezeichnet. Auf jeden Fall sei mit einer Legalisierung nicht vor 2024 zu rechnen.

Fazit zum aktuellen Stand der Cannabislegalisierung

Die Debatte um eine Legalisierung von Cannabis wird durch das Eckpunktepapier der Bundesregierung keinesfalls abreißen. Nichtdestotrotz bleibt es bis zur tatsächlichen Umsetzung der Legalisierung bei der bisherigen Rechtslage und der Umgang mit Cannabis ist weitestgehend verboten. Wann und in welchem Umfang die Legalisierung kommt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Um stets den Überblick über die äußerst dynamische und komplexe Rechtslage zu behalten und den individuellen Fall adäquat beurteilen zu können, sind besondere Kenntnis im Strafrecht unerlässlich, die Ihnen ein Fachanwalt bieten kann.


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