Das Finanzamt schießt weit über das Ziel hinaus. Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Steuerfahnder

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Die Klägerin machte im Streitjahr 2015 bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von € 567,12 geltend.

Ihr Steuerberater reichte auf Nachfrage des Finanzamts eine Skizze der Wohnung ein. Das Finanzamt hielt die Skizze für klärungsbedürftig.

Anstatt zunächst zu versuchen, etwaige Unklarheiten durch ein weiteres Auskunftsersuchen oder durch Inaugenscheinnahme des Arbeitszimmers durch einen Mitarbeiter der Veranlagungsstelle nach vorheriger Benachrichtigung zu beseitigen, erschien unangekündigt ein Steuerfahnder, um zu prüfen, ob das Arbeitszimmer wie angegeben vorhanden war.

Völlig überrumpelt widersprach die Klägerin der Wohnungsbesichtigung nicht, so dass der Steuerfahnder die Wohnung ohne gerichtliche Anordnung betreten konnte.

Er stellte fest, dass die Angaben in der Steuererklärung den Tatsachen entsprachen.

Später kamen der Klägerin Zweifel, ob diese Vorgehensweise des Finanzamts rechtmäßig war. Sie legte gegen die unangekündigte Wohnungsbesichtigung Einspruch ein und klagte gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts.

Aus verfahrensrechtlichen Gründen hatte das Finanzgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Revision zum Bundesfinanzhof hatte Erfolg.

Im Unterschied zum Finanzgericht bejahte der Bundesfinanzhof eine konkrete Wiederholungsgefahr und daher ein Feststellungsinteresse. Dieses ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der hier einschlägigen Fortsetzungsfeststellungsklage.

Die Revision war auch in der Sache begründet. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs beruht im Wesentlichen auf den folgenden Erwägungen:

Die angefochtene Maßnahme war weder erforderlich, noch verhältnismäßig und daher rechtswidrig.

Grundsätzlich dürfen die Finanzbehörden das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen. 

Angesichts des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung wäre eine Ortsbesichtigung aber erst dann erforderlich gewesen, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte der Klägerin nicht hätten beseitigt werden können.

Das Finanzamt hat bei seinen Ermessenserwägungen nicht ausreichend den Schutz der Wohnung nach Art. 13 Grundgesetz beachtet.

Nach Bundesverfassungsgericht gilt dieser Schutz auch für das häusliche Arbeitszimmer in der Wohnung des Steuerpflichtigen.

Die Überprüfung der Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sei wegen Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich.

Daher muss es zur Feststellung der häuslichen Verhältnisse im Allgemeinen genügen, aus dem äußeren Anschein die erforderlichen Folgerungen zu ziehen. 

Die Maßnahme des Finanzamts war darüber hinaus auch deshalb unverhältnismäßig, weil die Klägerin - unter Verstoß gegen § 99 I AO - nicht angemessene Zeit vor der Wohnungsbesichtigung benachrichtigt worden ist.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kontrollzweck durch die vorherige Benachrichtigung gefährdet werden könnte, lagen nicht vor. 

Ein weiterer Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sah der Bundesfinanzhof darin, dass ein Steuerfahnder und nicht ein Mitarbeiter der Veranlagungsstelle erschien.

Dadurch kann das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen Schaden nehmen, weil hierdurch der Eindruck vermittelt werden könnte, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird. 

Dieses Ergebnis bestätigt wieder einmal unsere Überzeugung:

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.

Sind Sie betroffen, dann gebe ich Ihnen den rechtsstaatlich notwendigen Beistand.

Foto(s): AdobeStock

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