Das LAG Berlin stärkt Arbeitnehmerrechte

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Besprechung des Urteils des LAG Berlin (35 Ca 7741/07) vom 26.11.2008 zum Schutz vor Diskriminierung bei Beförderungen.

Statistischer Nachweis von Diskriminierungen!

1. Der Fall

Die Musikrechte-Verwertungsgesellschaft Gema hatte ohne interne Ausschreibung einen Mann auf eine freigewordene Führungsposition im Personalwesen gesetzt. Dagegen wandte sich die bei der Beförderung übergangene Klägerin mit der Begründung, dass alle 27 Führungspositionen im Unternehmen von Männern besetzt seien, während über zwei Drittel der Belegschaft weiblich seien. Bereits der Umstand, dass bisher keine einzige Frau eine Führungsposition innerhalb des Unternehmens erhalten hatte, zeigte nach Auffassung der Klägerin, dass im Unternehmen eine geschlechterbezogene Diskriminierung stattfinde. Die Klägerin wandte sich nach versagter Beförderung an das Arbeitsgericht Berlin, um nach § 15 AGG einen finanziellen Ausgleich für den erlittenen immateriellen Schaden und einen Ausgleich für den durch die versagte Beförderung erlittenen Gehaltsausfall zu erhalten.

2. Entscheidung des LAG Berlin

Das Landesarbeitsgericht Berlin verurteilte die Gema zur Zahlung von € 20.000,00 als Entschädigung für den immateriellen Schaden. Außerdem sprach es der Klägerin die Differenz zwischen ihrem bisherigen Gehalt und dem Gehalt zu, das sie in der Führungsposition bekommen hätte. Dieser Schadensersatz wurde vom Landesarbeitsgericht Berlin zeitlich nicht befristet und an die zukünftige Gehaltsentwicklung der Beförderungsstelle gekoppelt.

3. Begründung des LAG Berlin

Das Gericht hat die Personalstatistik, dass alle Führungspositionen von Männern besetzt sind, während der Frauenanteil in der Belegschaft über zwei Drittel beträgt, als ausreichendes Indiz im Sinne des § 22 AGG für die Tatsache gelten lassen, dass die Klägerin lediglich wegen ihres Geschlechts nicht befördert worden sei. Das Gericht ließ das nachträglich vorgebrachte Argument, dass die Klägerin nicht die am Besten geeignete Bewerberin war, nicht gelten, weil der Arbeitgeber keine schriftlich dokumentierten Auswahlkriterien vorlegen konnte. Demnach sah das Gericht die versagte Beförderung als Diskriminierung und damit als eine Persönlichkeitsverletzung an. Wegen der gravierenden Persönlichkeitsverletzung sprach das Landesarbeitsgericht Berlin der Klägerin Schadensersatz in Höhe von € 20.000,00 zu.

4. Konsequenzen

Diese Entscheidung bedeutet eine erhebliche Ausweitung des Schutzes vor Diskriminierung bei Beförderungen. In Zukunft werden Arbeitgeber genauer auf eine ausgewogenere Verteilung bei der Vergabe von Führungspositionen achten müssen oder im Vorwege nachvollziehbare, nicht diskriminierende Kriterien angeben müssen, anhand derer sie die Bewerber/Innen messen und auswählen wollen. Besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass das erkennende Landesarbeitsgericht Berlin in seiner Entscheidung erstmals ein mathematisches, auf den Gesamtbetrieb bezogenes Verfahren zur Bestimmung der Diskriminierung herangezogen hatte. Denn die Statistik hatte nicht die Geschlechtsverteilung bei Beförderungen im Personalwesen der Gema zum Gegenstand.

Statt der bisher üblichen Einzelnachweise jeweiliger diskriminierender Handlungen, die in der Praxis kaum zu erbringen waren, wurde nunmehr über die Statistik ein Indiz für die Diskriminierung gesetzt, dass der Arbeitgeber nur durch substantiierten Sachvortrag erschüttern kann. Zukünftig wird daher in ähnlich gelagerten Fällen die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Auswahl der Bewerber bei den Unternehmen liegen. Die Aussichten bei Rechtsstreitigkeiten im Kampf gegen Diskriminierungen sind damit für den Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin erheblich verbessert worden. Immer dann, wenn bei unternehmerischen Entscheidungen vom statistischen Erwartungshorizont deutlich abgewichen wird, ist darin ein Indiz für eine rechtswidrige Ungleichbehandlung zu sehen. 

 

Dr. jur. Frank Sievert, Rechtsanwalt

Hamburg, 24.12.2008

 

 

 


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