Delegation ärztlicher Aufgaben auf Pflegekräfte

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Rechtskunde spezial:

Delegation ärztlicher Aufgaben auf Pflegekräfte


A.Arbeitsmaterialien im www.

Uffeln, Malte Jörg;

Power- Point- Vortrag „Delegation ärztlicher Tätigkeiten  Heilkundeübertragungsrichtlinie“ kostenfreies download über www.maltejoerguffeln.de downloads  Altenpflege


B.Gedruckte Fachliteratur


Klie, Thomas;

Rechtskunde  Das Recht der Pflege alter Menschen, 9. Aufl., Hannover 2009


Janda, Constanze;

Pflegerecht, Baden- Baden, 2019


Naumer, Beate ; Heilig, Maren ( Hrsg.);

Praxisleitfaden  Generalistische Pflegeausbildung, München 2020


Wiod, Susanne, Warmbrunn, Angelika (Hrsg.)

Psychyrembel Pflege, 3. Aufl., Berlin/ Boston 2012


Wiese, Ursula Eva

Pflegerecht   Grundlagen, Fälle, Praxis,  München 2014



C.Delegation ärztlicher Aufgaben auf Pflegekräfte



I.Delegation – allgemeine Begriffsklärung


Delegation(engl.) delegation 1. Appoint and send as a representative to a meeting

= Abordnen von Bevollmächtigten zu einem Meeting, Tagungen, Konferenzen


= Übertragung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung (Handlungsverantwortung, nicht aber Führungsverantwortung).


Delegare(Lat.)

= hinsenden, hinschicken, beauftragen

= anweisen, zuweisen, übertragen, anvertrauen, zuschreiben


In der Pflege: „ Betrauung von nicht ärztlichem Personal mit primär ärztlichen Tätigkeiten im Rahmen der Gesundheitssorge/-fürsorge .


„Gesetzliche Regelungen“ für alle Bereiche der Pflege bestehen nicht, bzw. nicht einheitlich. Die Grundzüge und Voraussetzungen der Delegation  sind vielmehr in der Praxis und durch die Rechtsprechung und Fachliteratur entwickelt worden.


Wer „ Delegation“ verstehen will, muss daher die wesentlichen Grundzüge lernen und sich merken!


Welche höchstpersönlich zu erbringenden Leistungen kann der Arzt definitiv „ nicht auf eine Pflegekraft“ delegieren ?


Vgl. dazu: Delegation ärztlicher Leistungen (bundesaerztekammer.de)


  • Anamnese,
  • Indikationsstellung,
  • Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistun­gen,
  • Stellen der Diagnose,
  • Aufklärung und Beratung des Patienten,
  • Ent­scheidung über die Therapie und
  • Durchführung invasiver Therapien einschließlich der Kernleistungen operativer Ein­griffe.
  • Operationen und Transplantationen
  • Verabreichung von besonders gefährlichen Wirkstoffen ( bspw. Röntgenkontrastmittel, Medikamenten, bei denen häufig Zwischenfälle auftreten)


Hier gilt klipp und klar der „Arztvorbehalt“, d.h. nur der Arzt darf die v.g. Leistungen erbringen !

Führt eine Pflegefachkraft eine der v.g. nicht delegierbaren ärztlichen Leistungen aus, so kann das im Falle eines Schadens zu zivilrechtlichen ( haftungsrechtlichen), strafrechtlichen, arbeitsrechtlichen und heimrechtlichen Folgen und Konsequenzen führen.



II.Delegation- Allgemeine Voraussetzungen


Grob vereinfacht ist eine Delegation zulässig ( vgl. Klie, a.a.0, Seite 104), wenn

  • der einwilligungsfähige Patient es erlaubt und dies auch artikuliert hat,
  • es sich um eine nicht ausschließlich ärztliche Aufgabe ( Arztvorbehalt) handelt und der Arzt es erlaubt,
  • die Pflegekraft ( nicht ärztliche Kraft / Fachkraft) es sich erlaubt.


Die Aufgabe muss grundsätzlich delegierbar sein und darf nicht zu den klassischen ärztlichen Aufgaben gehören ( Beispiele delegierbarer Aufgaben:  Stellen und Gabe von Medikamenten und Spritzen nach Befähigungsnachweis; einfache Injektionen, einfache Laborleistungen, Wechsel einfacher Verbände).


Der Arzt muss stets prüfen und abschätzen, ob eine Gefahr für den Patienten besteht.


Er ist und bleibt  der  „ Herr der Anordnungsverantwortung“ und damit verantwortlich für seine Erfüllungsgehilfen  ( Haftbarkeit aus § 278 BGB) und Verrichtungsgehilfen  ( Haftung nach § 831 BGB).


Der Arzt hat vor der Delegation  daher stets zu prüfen:


a.das „KÖNNEN“ der Pflegeperson ( Ausbildung) – formelle Fähigkeit

b.die „KENNTNIS und ERFAHRUNGEN“ der Pflegeperson – materielle Fähigkeiten-


Den Arzt trifft immer die Anordnungs- und Überwachungsverantwortung!


Die Pflegeperson hat zu prüfen, ob die Aufgabe, die an Sie herangetragen wird und die Sie ausführen soll von ihr sach- und fachgerecht ausgeführt werden kann und ob Sie dieser Aufgabe gewachsen ist?

Fällt diese Prüfung  negativ aus, muss die  Pflegeperson „ remonstrieren“.

Bedenken gegen die entsprechende Anordnung müssen unverzüglich  vorgetragen  werden, idealerweise  mündlich und schriftlich.

Aus dem Remonstrationsrecht folgt die Remonstrationspflicht.


Die Pflegeperson trifft die Ausführungsverantwortung!


III. Heilkundeübertragungsrichtlinie und § 28 I 2 SGB V

Arbeitsteilung und Delegation sind in der Praxis „ Alltag“ in Kinderkrankenpflege, Altenpflege und Krankenpflege.

Anders wären ärztliche und pflegerische Dienstleistungen  in einem arbeitsteiligen Gesundheitssystem nicht zu erbringen.

Davon geht auch der Gesetzgeber aus, der im Sozialgesetzbuch , § 28 I 2 SGB V folgendes festlegt:

§ 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.


IV.Zulässigkeit der Delegation


Delegation ist folglich zulässig, wenn


  1. der einwilligungsfähige Patient mit der Durchführung der Behandlungsmaßnahme durch die Pflegeperson einverstanden ist,
  2. die Maßnahme vom Arzt verordnet werden kann und verordnet wurde 

( Stichwort: Arztvorbehalt!),

  1. Art und Umfang der Maßnahme das persönliche Handeln des Arztes nicht erforderlich machen,
  2. die Pflegeperson, auf die die Aufgabe delegiert werden soll die Maßnahme sach- und fachgerecht ausführen kann und sie die notwendige Kenntnis und Erfahrungen hat,
  3. die Pflegefachperson zur Ausführung der Maßnahme bereit ist.



Daraus ergeben sich folgende „ Sphären(Bereiche)“ der Verantwortung:


ARZT

  • Delegationsverantwortung 


( MERKE: Der Arzt bleibt immer in der Verantwortung, er kann sich seiner grundsätzlichen Verantwortung aus dem Behandlungsvertrag ( § 611 BGB) durch Delegation gerade n i c h t    entledigen)


  • Auswahlverantwortung 


(MERKE: Der Arzt hat vor Delegation zu prüfen, ob die Pflegeperson, auf die eine Aufgabe delegiert werden kann,  individuell geeignet ist und die Aufgabe sach- und fachgerecht durchführen kann.)


  • Kommunikationsverantwortung bei der konkreten Delegation


(MERKE: Die Anordnungen und Weisungen des Arztes müssen klipp und klar, fehlerfrei und exakt sein. Anordnungen und Weisungen für den Komplikationsfall sind zu geben, ggf. im Wege der Telekommunikation)


  • Anordnungs- und Überwachungsverantwortung


(MERKE: Der Arzt muss ich vergewissern, dass seine Anordnungen  und Weisungen auch befolgt werden. Ist das nicht der Fall und stellt der Arzt das Gegenteil fest, hat er der Pflegeperson die Aufgabe zu entziehen.)


PFLEGEPERSON

  • Durchführungsverantwortung und Dokumentation


(MERKE: Die Pflegeperson muss die auf Sie delegierte Aufgabe ordentlich, sach- und fachgerecht und sorgfaltsgemäß ausführen und auch – soweit im Rahmen der Delegation gefordert – dokumentieren. Geht das nicht, hat die Pflegeperson das Recht  und auch die Pflicht zur Remonstration und Gefährdungsmeldung auf dem üblichen Dienstwege. Sie muss ihre eigenen Bedenken artikulieren wenn die angeordnete Maßnahme unter Umständen die Gesundheit oder das Leben des Pflegebedürftigen gefährden kann. Es empfiehlt sich, dies – zur eigenen Entlastung und Dokumentation- schriftlich zu tun.


V.Rechtsfolgen bei Fehlern im Rahmen der Delegation

In der Praxis können „ haften“ bei Schäden und evtl. auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden:


  • die Pflegeperson
  • der Arzt
  • die unmittelbaren Dienstvorgesetzen von Pflegeperson und Arzt
  • die Einrichtungsleitung
  • die Geschäftsführung der Pflegeeinrichtung.


Es gelten die allgemeinen haftungsrechtlichen Bestimmungen des BGB


  • Haftung aus Vertrag ( § 280 BGB bei Pflichtverletzungen)
  • Haftung aus Delikt ( §§ 823 I BGB, 823 III i.V.m. Schutzgesetzen)
  • Haftung aus dem Eigentümer-Besitzer- Verhältnis ( §§ 985 ff. BGB)


sowie die Strafnormen des Strafgesetzbuches ( StGB) und des Nebenstrafrechts

( bspw. des Betäubungsmittelgesetzes- BtmG).



Arzt und Pflegeperson können aber auch arbeitsrechtliche Folgen treffen von der Ermahnung über die Abmahnung bis zur Kündigung des Arbeitsvertrages ( ordentlich oder außerordentlich).


Heimleitung und Heimträger können über das HGBP und das WBVG haften bzw. in Anspruch genommen werden.






Rechtsstand: 01.06.2022


Malte Jörg Uffeln

Rechtsanwalt und Mediator (DAA)

www.maltejoerguffeln.de



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