Der Einzug von Forderungen in Frankreich

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Der Einzug von Forderungen in Frankreich stellt für Deutsche Gläubiger generell ein Problem dar. Denn trotz der Europäischen Union endet das Deutsche Recht an der Staatsgrenze.

Je nach vertraglicher Vereinbarung ist der Gläubiger vor die Wahl gestellt, seine Forderung vor den Deutschen Gerichten oder im Ausland zu verfolgen.

I. Gerichtliche Geltendmachung in Deutschland

Der Anspruch kann vor dem Zivilgericht eingeklagt werden. Der Deutsche Prozess steht unter dem Gebot der Beschleunigung, d.h. der Rechtsstreit soll durch gesetzlich vorgegebene Fristen rasch zu einem Ergebnis kommen. Eine solche Prozessbeschleunigung ist dem französischen Verfahrensrecht (Code de procédure civile ) fremd, so dass ein französisches Zivilverfahren länger dauern könnte als in Deutschland.

Hat der Gläubiger dann ein vollstreckbares Urteil in der Hand, muss er dieses Urteil beim französischen Zivilgericht nach der „EG Verordnung vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivilsachen" umschreiben lassen.

Einzige Ausnahme zu diesem Verfahren bietet der Europäische Zahlungsbefehl gemäß EG Verordnung Nr. 1896/2006 vom 12.12.2006.

Alternativ zu diesem aufwändigen Verfahren bietet das französische Zivilrecht durchaus interessante Möglichkeiten, direkt in Frankreich gegen den Schuldner erfolgreich vorzugehen.

II. Gerichtliche Geltendmachung in Frankreich

1) Mahnverfahren („Injonction de Payer")

In eindeutigen Fällen ist das französische Mahnverfahren ein kosten- und zeitsparender Weg zu einem Vollstreckungstitel. Nur zwei Monate dauert dieses Verfahren im Schnitt, teilweise ergeht eine Entscheidung auch bereits nach einem Monat. Im Gegensatz zum Deutschen Mahnverfahren muss der Gläubiger sämtliche Dokumente, die den Anspruch begründen, dem Antrag beifügen. Der Richter führt dann eine Plausibilitätsprüfung des eingereichten Anspruchs durch.

In der Praxis ist dieses Verfahren bedeutsam, denn mehr als die Hälfte aller offenen Forderungen werden auf diesem Weg beigetrieben.

Die Einleitung eines Mahnverfahrens ist dann sinnvoll, wenn der Schuldner voraussichtlich gegen den Anspruch keine Einwände erheben wird.

Legt der Schuldner dennoch Widerspruch („opposition") ein, geht das Mahnverfahren in ein ordentliches Zivilverfahren mit eingehend zu begründenden Anträgen und mündlicher Verhandlung über.

2) Einstweiliger Rechtsschutz („ordonnance de référé")

Da das französische Zivilverfahren im Allgemeinen lange dauert, kommt den Eilverfahren in der Praxis eine herausragende Rolle zu.

Das Eilverfahren eignet sich für einfach zu beurteilende Rechtsstreitigkeiten.

Beispiel:

Eine Deutsche Brauerei hat eine offene Forderung aus einer Getränkelieferung gegen einen Gastwirt in Frankreich. Der Gastwirt weigert sich, die ordnungsgemäß in Empfang genommenen Getränke zu zahlen. Er versucht mit hergesuchten Gründen, die Zahlung zu verzögern. Da die Getränke nach dem Lieferschein fehlerfrei ausgeliefert worden sind, kann er die Zahlung nicht ernsthaft bestreiten.

Während in Deutschland die Gerichte streng darauf achten, keine endgültigen Entscheidungen zu treffen, braucht der französische Richter nicht vor einer vorläufigen, aber sofort vollstreckbaren Streitentscheidung zurückzuschrecken, da eine solche gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist. Es handelt sich dabei um das sogenannte référé provision Verfahren gemäß den Artikeln 809 Abs. 2 bzw. 849 Abs. 2 des Code de procédure civile für zivilrechtliche Verfahren bzw. 843 Abs. 2 Code de procédure civile für handelsgerichtliche Verfahren, bedingt vergleichbar mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren der ZPO.

Im Fall der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung wird der Schuldner per Klageschrift zu einem streitigen Verhandlungstermin geladen. Der Schuldner erhält ausreichend Zeit, vor dem Verhandlungstermin seine Verteidigung vorzubereiten. Kann der Schuldner keine ernsthaften Einwände vorbringen, wird er zur Zahlung der geschuldeten Forderung verurteilt. Der gerichtliche Beschluss ist sofort und ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar.

Ist die Geldforderung erst einmal vollstreckt, folgt in vielen Fällen ein Hauptsacheverfahren nicht mehr nach. Der Kläger erhält auf diese Weise innerhalb weniger Monate eine vollstreckbare Entscheidung.

Die Zuständigkeit in Eilverfahren richtet sich nach dem Streitwert (Ausnahme: Handelsgericht für Streitigkeiten zwischen Kaufleuten). In den Verfahren über € 10 000.- ist das örtliche Landgericht ( Tribunal de Grande Instance ) zuständig. Vor dem Landgericht besteht Anwaltszwang.

3) Die Kosten im französischen Zivilverfahren

Nach dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Justiz („principe de la gratuité de la justice") fallen in Zivilverfahren grundsätzlich keine Gerichtskosten an.

Lediglich vor dem Handelsgericht (Tribunal de Commerce) muss der Kläger als Vorschuss eine Pauschale zwischen € 50.- und € 100.- einzahlen. Wird der Schuldner verurteilt, trägt er in der Regel auch die Gerichtskosten und die weiteren festsetzungsfähigen Verfahrenskosten, darunter Gerichtsvollzieherkosten für Zustellungen.

Dies gilt nicht für die entstandenen Rechtsanwaltshonorare.

In Frankreich existiert keine Gebührenordnung, das Honorar wird vielmehr frei ausgehandelt. In der Regel vereinbart der Rechtsanwalt das Honorar als Pauschale nach Arbeitsaufwand, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache (Streitwert). Zunehmend werden auch Honorare auf Basis eines Stundensatzes angeboten.

Einen vollständigen Ersatz der Rechtsanwaltskosten gibt es auch bei gewonnenem Prozess sehr selten. Die Gerichtspraxis sieht wegen des dem Gericht eingeräumten Ermessens so aus, dass zur Vermeidung von Unbilligkeiten in der Regel 10 - 30 % der Anwaltshonorare auf den Prozessgegner abgewälzt werden.

Fazit: Im Ergebnis muss im Einzelfall geprüft werden, welches Verfahren dem Gläubiger effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung seiner Forderung bietet.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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