Der Fall "Drachenlord" aus Verteidigersicht

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Rainer Winkler, der sogenannte "Drachenlord", wurde vom Amtsgericht Neustadt an der Aisch zu einer Haftstrafe von 2 Jahren ohne Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Nun gehen wohl die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung in Berufung. Doch wie sollte das Urteil ausfallen? Lag das Amtsgericht wirklich richtig?

Die Vorgeschichte:

Der Drachenlord ist im Internet eine Berühmtheit. Doch sein Ruhm kommt nur bedingt von seiner Tätigkeit als YouTuber. Weitaus bekannter wurde er durch eine Masse an Menschen, die er als "Haider" (engl. Hater) bezeichnet.

Seit vielen Jahren veröffentlich Rainer Winkler YouTube-Videos. Die Leute, die sich diese Videos anschauen, gucken diese nicht, weil ihnen der Inhalt so gut gefällt. Sie hassen Rainer Winkler und verspotten und verhöhnen ihn. Es ist ein kollektives Cybermobbing, bei dem seit Jahren täglich Schaulustige zum Haus des Gemobbten reisen und dort versuchen den Drachenlord zum Ausrasten zu bringen.

Die "Haider" nennen es das Drachenspiel und geben an, dass Herr Winkler dieses nicht bloß duldet, sondern absichtlich fördert und will. Manche argumentieren, dass allein die Fakten, dass weitere Videos hochgeladen werden und Herr Winkler aus der Tür stürmt und den Zuschauern vor seinem Haus bietet, wofür sie gekommen sind, ja schon zeigen, dass er es so will. Doch YouTube ist für Herrn Winkler der Lebensunterhalt. Solange er keine Straftaten begeht, steht es ihm frei diese Videos zu veröffentlichen. Dieser Umstand darf nicht dazu führen, dass der Hass, der ihm entgegenschlägt, "gerechtfertigt" ist.

Das Verfahren vor dem Amtsgericht:

Angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung § 224 StGB und anderer Delikte, musste Herr Winkler sich nun verantworten. 

Schon das äußere Erscheinungsbild des Prozesses ist, objektiv betrachtet, mehr als nur alarmierend. Das Verfahren wird vor das Landgericht Nürnberg verschoben, da ein Ansturm eben jener "Haider" erwartet wird, die das Leben des Angeklagten so öffentlich zerreißen. Hierbei sind die Grenzen des Öffentlichkeitsgrundsatzes ausgereizt. Das Verfahren dient Vielen augenscheinlich als eine Art Unterhaltungsprogramm. 

Wenn Themen wie das Ende seiner YouTube-Karriere oder eine andere Art an Reaktion auf Provokation aufkommen, so muss jedem, der an einen Freiheiten garantierenden Rechtsstaat glaubt, schlecht werden. Dem schlechtesten Schuster der Welt hätte niemals ein Richter geraten aufzuhören, nur damit es keine Schaulustigen mehr gebe. Hier fehlt nicht nur technische Affinität, sondern es wird auch sein Beruf als Entertainer nicht ernst genommen.

Die Taten räumt der Angeklagte größtenteils ein. Wie soll er sich auch verteidigen, wenn es für einige Personen ein Sport geworden ist, Entgleisungen des Drachenlords mehr oder weniger heimlich aufzunehmen.

Das Urteil ist eine vergebene Chance:

Nun muss der objektive Betrachter glasklar sehen, dass der Angeklagte das wahre Opfer eines Angriffs ist. Problematisch ist, dass es bislang in Deutschland, zum Glück, keinen vergleichbaren Fall gab. 

Hier hätte, meines Erachtens, der Staat sich mit einer vertretbaren Rechtsposition hinter das Opfer stellen müssen und zwingend Verfahren gegen die Provokateure wegen in Betracht kommender Vergehen wie Nötigung, Körperverletzung durch psychische Einwirkung etc. einleiten müssen. Doch statt den verzweifelten Menschen zu sehen, der sich nicht mehr zu helfen weiß, wird Herr Winkler von Richterin und Staatsanwältin als Bewährungsversager gesehen. 

Ob die "Haider" in den vorliegenden Fällen durch absichtliche Provokation in die Körperverletzung eingewilligt haben oder der Angeklagte sich durch die Gesamtsituation in einer Notwehrlage befunden hat, sind zwar nicht die Lösungen, die am leichtesten zu begründen sind, dafür aber der Situation am ehesten gerecht werden. 

Hier fehlte der Mut ein Zeichen zu setzen und für zukünftige Fälle, die es mit Sicherheit mehr und mehr geben wird, einen Weg zu ebnen, der aus Opfern keine Täter macht.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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