Der gescheiterte Leitsatz. Oder: Warum Verträge von Pfando nur in Ausnahmefällen rechtlich zu beanstanden sind

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Beobachtet man die Rechtsprechung zu sogenannten „Sale-and-rent-back-Verträgen“, dann kann man vorschnell zu der Auffassung gelangen, dass diese Vereinbarungen gegen ein gesetzliches Verbot verstießen. In Leitsätzen und Urteilsbesprechungen findet sich der Vertragstyp nämlich häufig im Zusammenhang mit dem Rückkaufverbot aus dem § 34 Abs. 4 der Gewerbeordnung (GewO). Vorschnelle Rechtsanwälte verbinden dies dann mit dem Begriff der Nichtigkeit der Verträge als Rechtsfolge und raten Mandanten vorschnell zur Klage.

Dass es sich bei diesem Verständnis um einen leichtfertigen Schnellschuss handelt, zeigt ein eindeutiges und in seiner Klarheit überzeugendes aktuelles Urteil des Amtsgericht Berlin Charlottenburg.

Worum geht es bei den Verträgen von Pfando überhaupt?

Bei der Pfando’s cash & drive GmbH handelt es sich um eine staatlich zugelassene Pfandleiherin mit mehr als 25 rechtlich unselbstständigen Filialen in ganz Deutschland. Im Rahmen dieses Angebots hat sich das Unternehmen ausschließlich auf Kraftfahrzeuge jeglicher Art spezialisiert. Wie bei einem gewöhnlichen Pfandleihhaus kann man dort sein Fahrzeug verpfänden. Die Pfandleihe hat jedoch einen Nachteil: Das Pfandgut muss beim Pfandleiher verbleiben. Mag man das bei einigen Dingen noch problemlos verschmerzen, kann dies bei einem Auto ganz anders aussehen. Ist man auf die Nutzung eines Fahrzeugs angewiesen, muss sich der Kunde während der Laufzeit der Pfandleihe um die Anmietung eines Fahrzeugs kümmern, um weiterhin mobil zu sein. Diese Kosten können ganz erheblich sein und kommen dann noch zu den Kosten der Pfandleihe hinzu.

Zur Lösung dieses Problems hat Pfando’s im Interesse der Kunden ein eigenes Vertragswerk entwickelt, bei der Pfando das Fahrzeug ankauft und damit dem Kunden die gewünschte schnelle und unkomplizierte Liquidität verschafft. Für die benötigte Mobilität wiederum vermietet die Pfando’s cash & drive GmbH eben dieses Auto für eine feste Laufzeit an den Kunden zurück. Der Mietpreis kann sich dabei problemlos an den Kosten eines vergleichbaren Pfandleihgeschäfts messen lassen. Der Kunde von Pfando’s schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe: Neben der gewünschten schnellen und reibungslosen Liquidität kann er ein Fahrzeug zur eigenen Mobilität nutzen und spart unter dem Strich sogar noch Kosten im Vergleich zur Pfandleihe, wenn er auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen ist.

Was sagt die Rechtsprechung tatsächlich?

Grundsätzlich sollen Pfandleihgeschäfte mit Rückkaufrechten verhindert werden, da diese Geschäfte es dem Käufer, der als Darlehensgeber fungiert, ermöglichen, nach Ablauf der Rückkauffrist frei und ohne Bindung an die für Pfandleiher geltenden Verwertungsbedingungen über die gekaufte Sache zu verfügen. Die Vorschriften über das Pfandleihgewerbe sollen hingegen gerade verhindern, dass die Verwertung der Rückkaufgegenstände zu hohen Gewinnen auf Kosten des Verkäufers führen kann.

Eine Anwendbarkeit des § 34 Abs. 4 der Gewerbeordnung (GewO) auf die Verträge von Pfando verneint eine Vielzahl von Gerichten zutreffend und überzeugend. Die Möglichkeit des Rückerwerbs im Wege der Versteigerung jedenfalls eröffne die Berufung auf diese Norm der Gewerbeordnung nicht. Allein die faktische Möglichkeit des Rückerwerbs nach Ende des Mietverhältnis führt nicht zur Unwirksamkeit der Verträge. Vielmehr ist im Einklang mit der Entscheidung des BGH vom 14. Mai 2009 zur Geschäftsnummer I ZR 179/07 ein einseitiges Gestaltungsrecht erforderlich, um das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO auszulösen. Die Möglichkeit zur Teilnahme an der Versteigerung ist aber gerade kein solches Gestaltungsrecht.

Anders sieht es indes zum Beispiel das Oberlandesgericht Frankfurt. In einem Leitsatz der vielzitierten Entscheidung vom 5. Juni 2020 zur Geschäftsnummer 2 U 90/19 heißt es dort: „Ein Kaufvertrag über einen Pkw und ein zugleich geschlossener Vertrag über die Rückanmietung des Pkw durch den Verkäufer von dem Käufer, der dem Verkäufer die faktische Möglichkeit gewährt, das Fahrzeug nach Ende des Mietverhältnisses zurückzuerwerben, sind wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 4 GewO unwirksam, wenn die von dem Mieter vertraglich zu erbringenden Leistungen über einen Nutzungsersatz für das Fahrzeug hinausgehen.“

Die Unterstreichung stammt vom Verfasser dieses Textes, weil das Wörtchen „wenn“ hier eine elementare Rolle spielt! 58 Worte und eine Norm sind für einen Satz recht viel und so kann es passieren, dass mancher Leser nach dem Wort „wenn“ nicht mehr weiterliest. In der Praxis führt dies dazu, dass viele Anwälte Klage gegen Pfando’s führen, weil diese der irrigen Ansicht folgen, dass Rückkaufverträge immer nichtig seien.

Doch in der Tat stellt sich diese Frage zunächst immer nur dann, wenn ein Gericht der Auffassung sein sollte, dass Verträge mit Pfando der Prüfung des § 34 Abs. 4 GewO unterworfen sind. Das dem nicht so ist, haben zuletzt wieder das Landgericht München – Urteil vom 12. August 2021; 31 O 11778/19 – sowie das Landgericht Berlin – Urteil vom 28. April 2022; 32 O 311/20 – eindrücklich festgestellt. Aber auch wenn sich ein Gericht entscheiden sollte, dass es der Rechtsauffassung des Oberlandesgericht Frankfurt folgt, sind die Verträge von Pfando nicht rechtswidrig. Diese Rechtsfolge tritt nämlich nur unter einer Bedingung ein, die im Leitsatz ganz am Ende ab dem Wörtchen „wenn“ versteckt ist.

Besser wäre der Leitsatz also umgekehrt formuliert worden: „Ein Kaufvertrag über einen Pkw und ein zugleich geschlossener Vertrag über die Rückanmietung des Pkw durch den Verkäufer von dem Käufer, der dem Verkäufer die faktische Möglichkeit gewährt, das Fahrzeug nach Ende des Mietverhältnisses zurückzuerwerben, sind grundsätzlich wirksam und stellen nur dann einen Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO dar, wenn die von dem Mieter vertraglich zu erbringenden Leistungen über einen Nutzungsersatz für das Fahrzeug hinausgehen.“

Und was war in der eingangs erwähnten Sache passiert?

Im Mai 2020 verkaufte der Kläger seinen Toyota RAV4 an Pfando‘s, um Liquidität zu gewinnen und mietete den Wagen im Anschluss zurück, um auch weiterhin mit einem vertrauten Gefährt mobil zu bleiben. Nach Vertragsschluss wollte sich der Kunde aber nicht mehr an die getroffene Vereinbarung erinnern und zahlte im späteren Verlauf keine Miete mehr für das Fahrzeug. Auch suchte der Kunde nicht den Weg zu Pfando für eine einvernehmliche Lösung, oder gab das Auto zurück. Beides wäre für den Kunden ohne Nachteil gewesen: Die Verträge in dieser Sache sahen vor, dass das Auto bei Vertragsbeendigung im Wege der Versteigerung der Verwertung zugeführt wird. Selbstredend hätte der Kunde an der Versteigerung teilnehmen und mitbieten können. Vor dem Hintergrund des im Vertrag miteinbezogenen § 1239 BGB wäre es ihm möglich gewesen, ohne wirtschaftliches Risiko jeden anderen Teilnehmer der Auktion zu überbieten. Mit dieser vertraglichen Konstruktion verschaffte Pfando’s cash & drive dem Kunden in dieser Sache die gleichen Schutzrechte wie in einem Pfandleihgeschäft.

Warum wurde dann geklagt?

Anders als ehrliche Kunden konnte sich der Kläger im Nachhinein nicht mehr an den Grundsatz „Verträge sind einzuhalten“ erinnern. Und da sein Anwalt den eingangs erwähnten Leitsatz nur bis zur Bedingung las und seinen Mandanten dahingehend beriet, er könne die Verträge von Pfando wegen eines Verstoßes gegen § 34 Abs. 4 GewO leicht zu Fall bringen, folgte der Kläger diesem leichtfertigen Versprechen und klagte mit dem Ziel, die Verträge nicht erfüllen zu müssen.

Was sagt das Gericht?

Mit Urteil vom 5. Januar 2022 bestätigte das Amtsgericht Charlottenburg in einem Verfahren zur Geschäftsnummer 204 C 91/21, dass die Verträge des Unternehmens Pfando’s cash & drive rechtlich einwandfrei sind und sich zweifelsohne an den Maßstäben der Gewerbeordnung messen lassen können, selbst wenn man von einer Anwendbarkeit des § 34 Abs. 4 GewO auf die Verträge von Pfando’s ausgehen will. Dabei hat sich das Gericht in seiner Entscheidung eingehend mit der Rechtsprechung des BGH als auch verschiedener Oberlandesgerichte zur Frage des Verständnisses des § 34 Abs. 4 GewO auseinandergesetzt.

Folgerichtig prüfte das Gericht in seiner Entscheidung, ob die Voraussetzung für eine von der dargestellten Rechtsprechung erwogene Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 4 GewO, nämlich dass die von dem Mieter vertraglich zu erbringenden Leistung über einen Nutzungsersatz für das streitgegenständliche Fahrzeug hinausgehen, erfüllt sei. Aufgrund der fairen Preisgestaltung auf Seiten von Pfando verneinte das Gericht in zutreffender Weise diese Frage. Während Pfando’s cash & drive GmbH einen Mietbetrag in Höhe von maximal 252,42 EUR hätte vereinbaren können, ohne dass die Verträge daran gescheitert wären, vereinbarte man nämlich nur eine Miethöhe von 198,– EUR mit dem Kläger und lag damit rund 20 % unter dem zulässigen Betrag.

Weiter sah das Gericht auch keinen Anlass, die Verträge als sittenwidrig einzustufen. Vielmehr folgte es der inzwischen gefestigten Rechtsprechung zu dieser Frage. Im Einzelnen führte es hierzu aus, dass das Fahrzeug nach Beendigung des auf sechs Monate befristeten Mietverhältnisses verwertet werden sollte, und dass der Mieter bei der Versteigerung mitbieten könnte. Da im Mietvertrag vereinbart war, dass der Mieter bei Teilnahme an der Auktion nach § 1239 BGB und im Falle der Nichtteilnahme aufgrund vertraglicher Regelung den Überschuss der Versteigerung erhält, partizipiere er allein an der Diskrepanz zwischen vermeintlich höheren Marktwerten und dem vereinbarten Kaufpreis: Durch diese vertraglichen Regelungen wurde der relativ geringe Ankaufspreis für das Fahrzeug so ausgeglichen, dass jedenfalls nicht wegen einer erheblichen Wertdifferenz von Sittenwidrigkeit der Verträge ausgegangen werden kann. Angesichts dieser Regelung ist nicht von einer Übervorteilung des Verkäufers auszugehen.

Von einer Sittenwidrigkeit des Mietvertrages kann auch nicht ausgegangen werden, weil eine überhöhte Miete vereinbart worden wäre. Diese muss sich an den üblichen Beträgen anderer gewerblicher Fahrzeugvermieter bei Überlassung eines Fahrzeugs orientieren. Aber auch diese Hürde war für Pfando aufgrund der fairen Preisgestaltung kein Problem.

Folgerichtig wies das Gericht die Klage ab.

Fazit zum Urteil:

Das Gericht hat den Leitsatz verständig gelesen. Der Anwalt des Klägers leider nicht. Der Irrtum macht das Verfahren für den Kläger kostspielig.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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