Der spanische Zivilprozess - eine Kurzdarstellung

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Zuständigkeit spanischer Gerichte – was tun?

Das deutsche Rechtssystem kommt dann an seine Grenzen, wenn die internationale Gerichtszuständigkeit im Ausland liegt. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Wohnsitz oder der Gesellschaftssitz des Schuldners in Spanien liegt und keine zusätzliche Zuständigkeit deutscher Gerichte eröffnet ist.

Gläubiger und Rechteinhaber sehen in diesen Fällen aufgrund der Sorge, sich einem unbekannten Rechtssystem aussetzen zu müssen, oft von der Verfolgung ihrer Ansprüche ab. Zusätzlich bestehen Unsicherheiten über die entstehenden Kosten und die Dauer eines möglichen Verfahrens.

Diese Ausgangslage nutzen Schuldner teilweise bewusst aus und erfüllen die gegen sie bestehenden Ansprüche außergerichtlich nicht. Erst nach der Einleitung gerichtlicher Schritte können oft Erfolge erzielt werden, auch ohne dass langfristige Verfahren bis zu dem Abschluss durch ein Urteil geführt werden müssen. 

Die Überlegungen vor dem Beginn eines Gerichtsverfahrens

Die Überlegungen, die sich jede potenzielle Klagepartei stellen sollte, bevor gerichtliche Schritte in Angriff genommen werden, unterscheiden sich nicht grundlegend von denen, die auch in Deutschland anzustellen wären:

  • Steht der finanzielle und tatsächliche Aufwand, der betrieben werden müsste, um den Anspruch gerichtlich verfolgen zu können, in einem angemessenen Verhältnis zu dem möglicherweise zu erzielenden Erfolg?
  • Ist die Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken an die potentiell zu verklagende Partei gewährleistet?
  • Ist es zumindest möglich, dass die zu verklagende Partei über Mittel verfügt, um Zahlungen zu leisten?
  • Kann der bestehende Anspruch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens bewiesen werden?

Diese Fragen sollten durch eine rechtliche Überprüfung im Vorfeld des Verfahrens geklärt werden. Dies ist normalerweise ohne einen größeren finanziellen Aufwand möglich.

Die anwaltliche Vertretung in Spanien

Der Kläger benötigt in Spanien für die Führung der meisten zivilrechtlichen Gerichtsverfahren sowohl einen Rechtsanwalt („Letrado“), der das Verfahren inhaltlich leitet und beispielsweise die Klageschrift („Escrito de demanda“) erstellt, als auch einen Prozessagenten („Procurador“), der formal die Korrespondenz mit dem Gericht führt. 

Dabei sind die Rechtsanwälte in dem gesamten spanischen Staatsgebiet zugelassen und können die Partei umfassend vertreten. Die Prozessagenten dagegen arbeiten gerichtsgebunden und werden normalerweise von den Rechtsanwälten direkt kontaktiert und unterbeauftragt. 

Die Prozessagenten bedürfen einer notariell beurkundeten Prozessvollmacht, um das Verfahren eröffnen zu können. Eine solche Prozessvollmacht kann auch von deutschen Notaren beurkundet werden.

Die Rechtsanwälte berechnen ihre Honorare für die gerichtliche Vertretung nach den lokalen Richtlinien der Anwaltskammern. Die Gebühren der Prozessagenten sind gesetzlich geregelt. Gerichtskosten haben derzeit (April 2017) nur juristische Personen zu zahlen. 

Der Ablauf des gerichtlichen Verfahrens

Der Ablauf des Verfahrens hängt naturgemäß von der Verfahrensart ab. Erläutert werden sollen hier die wohl häufigsten Verfahrensarten, das gerichtliche Mahnverfahren und das ordentliche Klageverfahren.

Das gerichtliche Mahnverfahren („monitorio“)

Diese Verfahrensart wird dann gewählt, wenn der Sachverhalt eher einfach ist und dem Anspruch bspw. Rechnungen zugrunde liegen. Nach Zugang des von dem Gericht zugestellten gerichtlichen Mahnantrags erhält die beklagte Partei eine Frist von 20 Werktagen, in denen sie sich gegen den Mahnantrag verteidigen kann. Verteidigt sie sich nicht, erhält der Antragsteller einen vollstreckbaren Titel. Verteidigt („oposición“) sie sich, so geht das Verfahren über, und zwar in das ordentliche Klageverfahren.

Das ordentliche Klageverfahren („juicio ordinario“) 

Dieses ordentliche Klageverfahren wird bei einer Verteidigung gegen einen gerichtlichen Mahnantrag oder durch unmittelbares Einreichen einer Klageschrift („Escrito de demanda“) eingeleitet. Nach Eröffnung des Verfahrens durch das Gericht und Zustellung an die beklagte Partei erhält diese eine Klageerwiderungsfrist von 20 Werktagen. Im Gegensatz zu dem Verfahren vor deutschen Gerichten sind grundsätzliche keine weiteren Schriftsätze der Parteivertreter zugelassen, es kommt also nur in bestimmten Ausnahmefällen zu einer Replik oder Duplik. Dies erfordert eine besonders sorgfältige Vorbereitung der Klageschrift, führt aber dazu, dass sich die Verfahren nicht unendlich verzögern. 

Sodann bestimmt das Gericht einen frühen ersten Termin („audiencia previa“), in dessen Rahmen lediglich die Rechtsvertreter vor Gericht erscheinen und ihre in den Schriftstücken angebotenen Beweismittel begründen. Das Gericht bestimmt dann, welche Beweismittel zugelassen werden und legt den Hauptverhandlungstermin fest. Hierbei sind Terminverschiebungen nur selten zu beobachten. 

Die Parteien und Zeugen, die ihren Wohnort bspw. in Deutschland haben, können in der Regel auf Antrag vor einem deutschen Gericht per Videokonferenz aussagen. Eine Anreise an den Gerichtsort ist daher bei Stattgabe des Antrags auf Vernehmung per Videokonferenz nicht erforderlich, es sei denn, dies erscheint aus verfahrensrechtlichen Gründen sinnvoll. 

Nach dem Hauptverhandlungstermin verfasst das Gericht das Urteil und stellt dieses den Parteien zu. 

Die Kostenentscheidung des Gerichts

Mit dem Urteil kann das Gericht eine Entscheidung über die Kostentragung fällen. Dies soll dann erfolgen, wenn eine der Parteien zu 100 % mit ihrem Klageantrag obsiegt und keine rechtlichen Zweifel bestehen. 

Fällt das Gericht eine Entscheidung über die Kostentragung, so hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsanwalts und des Prozessagenten zu ersetzen. Es ist aber auch zu beobachten, dass Gerichte keine Entscheidung über die Kostentragung fällen, um so die unterlegene Partei davon abzuhalten, Rechtsmittel einzulegen. 

Die Rechtsmittel und die Vollstreckung

Solange das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, kann ein Rechtsmittel eingelegt werden. Dieses kann sich auf das gesamte Urteil beziehen oder nur auf die Kostenentscheidung beschränken. Nach der Rechtskraft müsste die unterliegende Partei grundsätzlich das Urteil erfüllen. 

Erfolgt dies nicht, müsste ein gerichtliches Vollstreckungsverfahren geführt werden. Dabei handelt es sich um ein unabhängiges, zusätzliches Gerichtsverfahren, das mit einem entsprechenden Vollstreckungsantrag an das zuständige Gericht eröffnet wird. 

Nach Eröffnung des Vollstreckungsverfahrens versucht das Vollstreckungsgericht, vollstreckbares Vermögen der unterlegenen Partei zu ermitteln, es sei denn, diese legt Rechtsmittel gegen die Vollstreckung ein. 

Es ist erfahrungsgemäß immer sinnvoll, eigene Erkundigungen über vollstreckbares Vermögen anzustellen und dies dem Vollstreckungsgericht mitzuteilen. Verläuft die Vollstreckung erfolgreich, werden neben der Hauptforderung auch die Zinsen und die Kosten des Verfahrens vollstreckt.

Die Besonderheit der Einigung nach der Rechtskraft

Aus deutscher Sicht ungewohnt ist sicherlich die in Spanien durchaus übliche Vorgehensweise der unterlegenen Partei, der obsiegenden Partei eine Einigung anzubieten, nachdem der Titel in Rechtskraft erwachsen ist. Der Inhalt der Einigung ist dabei zumeist der, dass die unterlegene Partei eine Erfüllung zusagt, wenn die obsiegende Partei im Gegenzug auf einen Teil der Hauptforderung/der Zinsen/der Verfahrenskosten etc. verzichtet. 

Die unterlegene Partei macht sich dabei die Sorge der obsiegenden Partei über eine mögliche Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit bzw. über ein zeit- und kostenintensives Vollstreckungsverfahren zunutze. 

Fazit

Sofern die Klagepartei bestimmte Grundregeln beachtet, führen Verfahren vor spanischen Gerichten, eine positive Prognose im Vorfeld vorausgesetzt, regelmäßig zu dem gewünschten Erfolg. 

Für die Vorprüfung eines von Ihnen angestrebten zivilrechtlichen Verfahrens in Spanien und die vollumfängliche Betreuung vor Gerichten im gesamten spanischen Staatsgebiet stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. 



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