Die Ausgleichung von Pflegeleistungen

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Der Streit ums Erbe ist emotional belastend. Besonders schwierig sind Konstellationen mit mehreren Kindern, bei denen einzelne als Erben eingesetzt und andere enterbt wurden. Diese Situation hat erhebliches Konfliktpotenzial: Die Enterbten fühlen sich zurückgesetzt und machen ihren Pflichtteil geltend. Die Erben, die ihre Eltern zum Teil gepflegt haben, empfinden es als ungerecht, dass die Kinder, die teilweise jahrzehntelang keinen Kontakt mehr zu den Eltern hatten, trotzdem Zahlungen aus dem Nachlass erhalten sollen. Auch wenn alle Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt wurden, kann Unfrieden entstehen, wenn einer der Erben den Erblasser gepflegt hat.

Ausgleichung von Pflegeleistungen

Die pflegende Person hat unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleichungsanspruch, der den Miterben oder einem Pflichtteilsberechtigten entgegengehalten werden kann. Das ist durchaus gerecht, denn wenn der pflegende Erbe den Erblasser nicht gepflegt hätte, dann hätte dieser im Regelfall entweder Aufwendungen für die Anstellung einer Pflegekraft oder für die Unterbringung in einem Pflegeheim gehabt. Der Nachlass wäre um diese Kosten geschmälert worden.

Voraussetzungen der Ausgleichungspflicht

Ausgleichungspflichtig und -berechtigt sind nur die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel usw.). Der Ehegatte oder andere Miterben nehmen an der Ausgleichung nicht teil. Außerdem müssen die Abkömmlinge als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen oder ihre Erbteile müssen im Verhältnis zueinander wie die gesetzlichen Erbteile stehen. Der pflegende Abkömmling muss durch seine Pflege während längerer Zeit in besonderem Maße dazu beigetragen haben, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde.

Unter den Begriff der Pflege fallen die Bereiche der Körperpflege (Waschen, Duschen, etc.), der Ernährung (zum Beispiel das mundgerechte Zubereiten der Nahrung), der Mobilität (das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, Treppensteigen, etc.) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (zum Beispiel Einkaufen, Kochen, Waschen, etc.). Pflegeleistungen erbringen, wer bei den vorgenannten Tätigkeiten unterstützt oder diese teilweise oder vollständig übernimmt. Auch die Beaufsichtigung oder Anleitung fällt unter den Begriff der Pflegeleistung. Unter Umständen kann sogar die bloße Anwesenheit als Pflege gewertet werden, wenn der Abkömmling für Gespräche einerseits und für die Sicherheit des Erblassers im Falle plötzlich notwendig werdender Hilfe zur Verfügung steht.

Außerdem muss die Pflegeleistung während längerer Zeit erbracht werden. Pflegeleistungen über einen Zeitraum von einem Monat können diese Anforderung schon genügen.

Schließlich muss der Abkömmling in besonderem Maße zu Mehrung oder Erhaltung des Erblasservermögens beigetragen haben. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ansonsten Pflegekräfte oder eine Heimunterbringung hätten bezahlt werden müssen.

Die Höhe der Ausgleichung

Bei dem Ausgleichungsanspruch handelt es sich um einen Billigkeitsanspruch, der so zu bemessen ist, wie es mit Rücksicht auf die Dauer und dem Umfang der Leistungen und auch den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht. Üblicherweise wird auf die vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Heimunterbringungskosten, das von der Pflegeversicherung bezahlte Pflegegeld oder die für die steuerliche Bewertung maßgebliche pauschale Vergütung von 11 € pro Stunde abgestellt. Die Pflege durch einen Abkömmling kann aber auch geringer bewertet werden (weil der pflegende Abkömmling keine Fachkraft ist) oder höher (weil die Pflege durch einen Angehörigen von besonderem Wert ist).

Nachweis der Pflegeleistungen

Wer sich vor Gericht auf die Erbringung von Pflegeleistungen beruft, muss diese beweisen. Dies würde nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen bedeuten, dass der pflegende Abkömmling für jeden Tag der geltend gemachten Pflege nach Datum und Uhrzeit darlegt, was er getan hat. Der im Extremfall in Vollzeit berufstätige pflegende Abkömmling wird aber nach der neben seinem Beruf geleisteten Pflege in den seltensten Fällen daran denken, seine Tätigkeiten zu protokollieren.

Erleichterungen in der Beweisführung

Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung haben dieses Problem gesehen und erleichtern dem pflegenden Abkömmling die Beweisführung. So können allgemeinere Aussagen über die geleisteten Pflegeleistungen ausreichend sein, z.B. die Darlegung wiederkehrender Tätigkeiten und deren Zeitbedarf (z.B. der wöchentliche Einkauf dauerte eine Stunde, die Hilfe beim Zähne putzen nahm täglich 10 Minuten in Anspruch). Diese Angaben müssen so konkret sein, dass das Gericht den Anspruch schätzen kann. Der pflegende Abkömmling steht daher vor erheblichen Beweisschwierigkeiten.

Lieber zu Lebzeiten vorsorgen

Die Situation eines pflegenden Abkömmlings und weiterer nicht pflegender Abkömmlinge hat erhebliches Konfliktpotenzial. Aus diesem Grund sollte der pflegende Abkömmling einen Pflegevertrag mit der zu pflegenden Person vereinbaren und diesen schriftlich fixieren. Die gepflegte Person ihrerseits kann im Testament Regelungen zur Ausgleichungspflicht treffen: Er kann die Ausgleichungspflicht ausschließen oder die Höhe des Ausgleichungsbetrags festlegen. Muss sich der pflegende Abkömmling auf seinen gesetzlichen Ausgleichsanspruch verlassen, empfiehlt sich das Führen eines Pflegetagebuchs.


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