Die Bedeutung der Abnahme

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Die Abnahme stellt im Bau- und Werkvertragsrecht das zentrale Element dar, das diesem Vertragstyp sein Gepräge gibt, dieses aber auch einzigartig von anderen Schuldverträgen abgrenzt. Deshalb ist es sowohl auf Unternehmer-, als auch Bestellerseite unerlässlich, sich selbst bei kleineren Vorhaben und Aufträgen mit der Abnahme und ihren Wirkungen zu beschäftigen.

Die rechtlichen Wirkungen

Bau- und Werkverträge unterscheiden sich von anderen Verträgen dadurch, dass der Unternehmer dem Besteller eine qualifizierte Leistung, nämlich einen Erfolg, schuldet. Worin dieser Erfolg besteht, wird von den Vertragsparteien durch den Vertragsschluss festgelegt. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 640 Abs. 1 BGB für BGB-Verträge (vgl. § 12 Abs. 1 VOB/B bei VOB-Verträgen) die Pflicht zur Abnahme durch den Besteller nach Fertigstellung der Leistung vorgesehen. Dem Besteller wird nicht nur die Pflicht auferlegt, die Abnahme einer vertragsgemäßen Leistung zu erklären, vielmehr ist dem Besteller damit Gelegenheit geschaffen, die Leistung daraufhin zu überprüfen, ob sie auch wirklich dem vereinbarten Erfolg entspricht, also vertragsgemäß erbracht worden ist. Ist dies der Fall, besteht eine Hauptpflicht des Bestellers die Abnahme zu erklären, die vom Unternehmer bei pflichtwidrigem Unterlassen selbstständig eingeklagt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Abnahme die körperliche Entgegennahme des erbrachten Werkes und dessen Anerkennung bzw. Billigung als vertragsgemäße Leistung (BGH, Urt. v. 24.11.1996 - VII ZR 177/67, NJW 1970,421; Urt. v. 15.11.1973 - VII ZR 110/71, NJW 1974,95; Urt. v. 30.06.1983 - VII ZR 185/81, BeckRS 1983, 31076021). Erst mit dieser Kombination aus tatsächlicher Entgegennahme und rechtsgeschäftlicher Erklärung der Billigung ist die Abnahme erfolgt.

Die Abnahme kann dabei in verschiedenen Formen erklärt werden. Die Wirkungen der Abnahme bleiben dabei gleich. Die Parteien können auch grundsätzlich vorab vereinbaren, dass die Abnahme in einer bestimmten Form zu erfolgen hat. Haben die Parteien keine bestimmte Abnahmeform vertraglich festgelegt, kann die Anerkennung bzw. Billigung der Leistung als vertragsgemäß durch eine ausdrückliche, konkludente (d. h. durch schlüssiges Handeln) Willenserklärung des Bestellers gegenüber dem Unternehmer erfolgen oder auch gesetzlich fingiert werden. Mit den verschieden möglichen Abnahmeformen werden wir uns in weiteren Dauerauslagen beschäftigen.

Verweigert der Besteller die Abnahme unter Angaben von Mängeln oder weil die Leistung (aus seiner Sicht) noch nicht fertiggestellt wurde, treten insoweit keine Abnahmewirkungen ein. Dies gilt grundsätzlich für sämtliche Leistungen bzw. die Leistungen in Gesamtheit, da die Teilabnahme in der Regel nicht zulässig ist. Die Möglichkeit der Teilabnahme muss vorher vertraglich vereinbart werden, will der Unternehmer hierauf einen Anspruch haben.

Eine der Wirkungen der Abnahme ist zunächst, dass der Übergang von der Erfüllungsphase eines Vertrags hin zur Gewährleistungsphase (1). Soweit die Abnahme erklärt wurde kann der Besteller keine Erfüllung mehr vom Unternehmer verlangen, sondern allenfalls Nacherfüllung und danach weitere Gewährleistungsrechte geltend machen.

Des Weiteren setzt die Fälligkeit der Vergütung (2) des Unternehmers gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB die Abnahme des Werks voraus. Erst dann ist der Unternehmer berechtigt vom Besteller die (vollständige) vereinbarte Bezahlung seiner Leistungen zu verlangen. Verweigert der Besteller ganz oder teilweise zu Unrecht die Abnahme, kann der Unternehmer mit der Behauptung, dass die Verweigerung zu Unrecht erfolgte, unmittelbar seinen Anspruch auf Zahlung verfolgen und auf Zahlung klagen. Der Unternehmer ist nicht gezwungen, den Besteller zunächst auf Abnahme verklagen. Stellt sich im Prozess allerdings heraus, dass die Abnahme durch den Besteller zu Recht verweigert wurde, war die Vergütung insoweit nicht fällig und dem Besteller steht in aller Regel ein Leistungsverweigerungsrecht gegen die Vergütungsforderung zu. Der Prozess geht für den Unternehmer in Höhe des Verweigerungsrechtes verloren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Besteller die Mängelrechte nach § 634 BGB erst nach der Abnahme geltend machen, darunter die wichtigen Sekundärrechte des Aufwandsersatzes bei Selbstvornahme oder eines Kostenvorschusses hierfür. Vor der Abnahme stehen dem Besteller lediglich Rechte aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht unter dortigen Voraussetzungen, etwa einem Verschulden bei Schadensersatzansprüchen, zu (BGH, Urt. v. 19.01.2017 - VII ZR 301/13, NJW 2017, 604). Etwas anderes kann ausnahmsweise im Falle des Vorliegen eines Abnahmesurrogates bzw. Entbehrlichkeit der Abnahme gelten.

Neben der Wirkung der Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung für die Unternehmervergütung geht mit der Abnahme auch die sogenannte Leistungsgefahr (3) auf den Besteller über. Dies gilt gemäß § 644 BGB auch für die sogenannte Vergütungsgefahr (4). So gilt grundsätzlich, dass der Unternehmer die Leistung selbst dann erneut und vollständig auf eigene Kosten zu erbringen hat, wenn das Werk vor Abnahme zufällig untergegangen, gestohlen oder beschädigt worden ist. Der Unternehmer kann dann auch keine weitere oder neuerliche Vergütung vom Besteller verlangen. Den Unternehmer trifft bis zur Abnahme auch eine Pflicht, das Werk zu schützen (6), bei deren Verletzung Schadensersatzansprüche des Bestellers bestehen können.

Weiterhin hat die Abnahme eine Beweislastumkehr (7) zur Folge. Bis zur Abnahme hat der Unternehmer darzulegen und zu beweisen, dass er die Leistung vertragsgemäß, d. h. vollständig und mangelfrei erbracht hat. Dies stellt für den Unternehmer regelmäßig ein hohes Risiko im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen dar. Sollte der Umstand, dass Vollständigkeit und Mangelfreiheit vorlagen nicht (mehr) durch Beweismittel wie eine Dokumentation, Zeugen und etwa einem Sachverständigen nachgewiesen werden können, geht die Nichterweislichkeit zu Lasten des Unternehmers und das Gericht trifft die Entscheidung, dass der Prozess für den Unternehmer verloren geht. Hat der Besteller das Werk des Unternehmers allerdings teilweise (bei vereinbarter Teilabnahme) oder vollständig abgenommen, so kehrt sich die Beweislast dergestalt um, dass nunmehr den Besteller gemäß § 363 BGB die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, wenn der Besteller eine Unvollständigkeit oder Mängel am Werk behauptet und insoweit Ansprüche gegen den Unternehmer verfolgen möchte oder einer Vergütungsforderung des Unternehmers damit entgegentreten möchte. Die vorbehaltlose Abnahme führt weiter dazu, dass der Besteller gem. § 640 Abs. 2 BGB die Gewährleistungsansprüche nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB nicht geltend machen kann, soweit ihm Mängel am Werk bekannt waren. Ebenso gehen nicht vorbehaltene Ansprüche auf eine etwaig vereinbarte Vertragsstrafe verloren, wenn der Besteller diese sich nicht bei Abnahme vorbehält.

Schließlich zählt der Beginn der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen (8) des Bestellers zu den wichtigsten Wirkungen der Abnahme. Diese ist gemäß § 634a Abs. 2 BGB Voraussetzung und Anknüpfungspunkt des Beginns der Verjährungsfristen gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB. Von Ausnahmen abgesehen, beginnt die Verjährungszeit für die Ansprüche nach § 634 Nr. 1, 2 und 4 BGB (Nacherfüllung, Aufwendungsersatz oder Vorschuss für Selbstvornahme und Schadensersatz statt oder neben der Leistung) mit der Abnahme, wobei der Tag der Abnahme selbst gem. § 187 Abs. 1 BGB nicht mitzurechnen ist. Der Besteller kann es danach ohne Einhaltung von Höchstfristen in der Hand haben, durch eine sehr späte Abnahmeerklärung die Verjährung für die Gewährleistungsansprüche überhaupt erst beginnen zu lassen.

Fazit

Zusammengefasst haben sowohl der Unternehmer, als auch der Besteller ein hohes Interesse daran, klar und deutlich zu dokumentieren ob und inwieweit die Abnahme erklärt wurde oder es zu Vorbehalten durch den Besteller gekommen ist. Dies hat für beide Parteien eines Bau- oder Werkvertrags erhebliche Auswirkungen in Bezug auf die Geltendmachung eigener Rechte gegenüber der anderen Partei, deren Geltendmachung im schlimmsten Falle ausgeschlossen sein kann. Entsprechende Klarheit zwischen den Parteien ermöglicht es bei späteren Streitigkeiten die jeweiligen Risiken und Chancen abschätzen zu können. Ansonsten drohen folgend damit einhergehende nicht abzuschätzende Kostenrisiken im Rahmen gerichtlicher Durchsetzungen.


Tobias Bartholme
Rechtsanwalt


mit Tätigkeitsschwerpunkt im Bau- und Architektenrecht, sowie Immobilienrecht bei Ihrer Kanzlei: Bartholme, Schilling, Kaiser & Partner


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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