Die Verbraucherbauvertrag

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Die Einordnung als Verbraucherbauvertrag

Mit der Reform des Bauvertragsrechts vom 01.01.2018 hat der Gesetzgeber den speziellen Typus des Verbraucherbauvertrages geschaffen, wobei bis heute nicht abschließend geklärt ist, ob auch die Vergabe einzelner Gewerke, im Gegenzug zu einer Vergabe an einen Generalunter- oder -übernehmer (womöglich sogar mit Schlüsselfertigkeitsklausel), einen Verbraucherbauvertrag darstellen kann. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich vor dem Hintergrund einer zeitnah erwarteten Klärung durch den Bundesgerichtshof mit den Merkmalen eines Verbraucherbauvertrages, um vor allem Unternehmern eine Handreichung zur rechtlichen Einordnung ihrer Aufträge zu geben.

Rechtliche Hinleitung

Nach dem Gesetz sind Verbraucherbauverträge solche Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird, § 650i Abs. 1 BGB.

Die Einordnung ist deshalb von Bedeutung, weil der Verbraucherbauvertrag etwa gemäß § 650i Abs. 2 BGB der Textform im Sinne des § 126b BGB bedarf. Wird diese nicht erfüllt, ist der Vertrag von Anfang an formnichtig, § 125 BGB. Weiterhin gelten für Verbraucherbauverträge ergänzend zum allgemeinen Werk- und Bauvertragsrecht die speziellen Vorschriften aus dem Kapitel über den Verbraucherbauvertrag. Hieraus können sich erhebliche Nachteile für den Unternehmer ergeben. An dieser Stelle möchten wir insbesondere auf § 650k Abs. 2 BGB hinweisen. Dort wird der Verbraucher etwa dadurch geschützt, dass der Vertrag bei unklarer oder unvollständiger Baubeschreibung unter Berücksichtigung sämtlicher vertragsbegleitender Umstände, insbesondere des Komfort- und Qualitätsstandards nach der übrigen Leistungsbeschreibung auszulegen ist und Zweifel bei der Auslegung des Vertrags bezüglich der vom Unternehmer geschuldeten Leistung zulasten des Unternehmers gehen. Nach § 650k Abs. 3 BGB muss der Bauvertrag auch verbindliche Angaben zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Werks oder zur Dauer der Bauausführung enthalten.

Solche Privilegien für den Besteller kennt das normale Bauvertragsrecht und das Werkvertragsrecht nicht. Es kann deshalb für den Unternehmer schon vor Vertragsabschluss von entscheidender Bedeutung sein, sich darüber bewusst zu sein, ob ein Verbraucherbauvertrag abgeschlossen wird und welche Verpflichtungen dies mit sich bringt.

Bau eines neuen Gebäudes

Die Verpflichtung zum Bau eines neuen Gebäudes setzt die Errichtung eines zuvor nicht existenten Gebäudes voraus. Dabei muss es sich nicht um ein Wohngebäude handeln. Hierzu sollen jegliche Maßnahmen zählen, die das Grundstück wesentlich umgestalten. Hieraus folgt bereits, dass nicht in den Anwendungsbereich lediglich untergeordnete Baumaßnahmen fallen, die zwar den Neubau eines Gebäudes betreffen können, aber in ihrem Umfang mit einer kompletten neuen Errichtung nicht vergleichbar sind. Ebenfalls sind Bauwerke mit lediglich untergeordneter Funktion wie Nebengebäude (Garage) nicht erfasst.

Beachtlich ist auch, dass Außenanlagen von vorneherein nicht in den Anwendungsbereich fallen und deshalb für sich selbst genommen niemals Gegenstand eines Verbraucherbauvertrages ist sein können. Außenanlagen können nur dann Gegenstand eines Verbraucherbauvertrages sein, wenn sie Teil einer Gesamtleistung eines Verbraucherbauvertrages sind, etwa bei Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garten. Hier sind die Leistungen hinsichtlich der Außenanlage keine eigenständige Verpflichtung.

Unbeachtlich ist es indes, wenn der Verbraucher als Besteller die Herstellung einzelner untergeordneter Bauleistungen selbst in Eigenleistung übernimmt oder in diesem Rahmen durch ein anderes Unternehmen erbringen lässt. Dies ändert im Hinblick auf die Gesamtmaßnahme nichts an dem Errichten eines neuen Gebäudes und damit der Grundlage des Verbraucherbauvertrages. In einem solchen Fall sind lediglich die verbraucherschützenden Vorschriften nicht auf den Teil der Eigenleistung anwendbar, auf die übrige Leistung des Unternehmers allerdings schon.

Erhebliche Umbaumaßnahmen

Soweit auch erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude Gegenstand eines Verbraucherbauvertrages sein können, ist die Abgrenzung zu Instandhaltung- und Instandsetzungsmaßnahmen im Detail schwierig. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll zur Einordnung einer Maßnahme, sei es nun eine Modernisierung, eine Erweiterung oder ein Umbau
 oder einer sonstigen Maßnahme der Umfang und die Komplexität des Eingriffs sowie das Ausmaß des Eingriffs in die bauliche Substanz des Gebäudes maßgeblich sein. Ob dies der Fall ist, lässt sich letztendlich nur im Einzelfall entscheiden. Als Faustregel gilt, dass erhebliche Umbaumaßnahmen vorliegen, wenn diese mit Maßnahmen die mit dem Bau eines neuen Gebäudes zusammenhängen vergleichbar sind. Einzelne Instandsetzung oder Renovierungsarbeiten, beispielsweise der Wiedereinbau einer neuen Heizung oder auch die Neueindeckung eines Daches, sollen für sich genommen nicht ausreichen (LG Stuttgart Urt. v. 02.06.2016 - 23 O 47/16, BeckRS 2016, 116215). Ebenso wenig der Anbau von zwei Balkonen mit Glasdach und Außentreppe an ein bestehendes Gebäude (OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2021 - 10 U 149/21, NZBau 2022, 404). Oder auch nicht bei Umbau einer Garage in eine Wohneinheit (OLG Saarbrücken, Urt. v. 31.03.2021 - 2 U 214/20, IBRRS 2022, 1824) oder dem Anbringen eines Senkrechtlifts an einer Außenfassade (BGH, Urt. v. 30.08.2018 - VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380).

Problem: Einzelgewerke

Höchst umstritten und deshalb nunmehr vom Bundesgerichtshof zu klären (BGH, Az.: VII ZR 94/22) ist die Frage, ob auch dann ein Verbraucherbauvertrag vorliegt, wenn der Verbraucher im Wege der Einzelgewerkvergabe verschiedene Unternehmer mit Bauleistungen beauftragt, die letztendlich in einem engen zeitlichen Zusammenhang einheitlich zur Errichtung eines neuen Gebäudes zu zählen sind, oder ob ein solcher Verbraucherbauvertrag mit seinen schützenden Vorschriften nur beim „Bauen aus einer Hand“ und damit bei Generalunternehmer- und Generalübernehmerverträgen oder Fertighausverträgen mit Errichtungsverpflichtung vorliegt. Die Entscheidung dürfte für die Praxis höchst relevant sein, da es gerade in Zeiten steigender Materialpreise und Lieferengpässen sowohl für den Bauherrn, als auch die Bauunternehmer auf eine größere Flexibilität bei Bauvorhaben ankommen wird. Unternehmer dürften in solchen Zeiten kaum noch ein Interesse daran haben Bauvorhaben als Generalunternehmer oder Generalübernehmer mit allen Kosten und Risiken durchzuführen, da die Steuerung von Materialbeschaffung und Arbeitskraft, womöglich in Form vieler Subunternehmer sehr viel schwerer geworden ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Bauunternehmer sich stattdessen auf Gewerke vorerst konzentrieren werden, die sie aufgrund ihrer Spezialisierung besser steuern können als ein gesamtes Bauvorhaben. Der Verbraucher auf der anderen Seite hat kein hohes Interesse mehr daran, dass sämtliche Bauleistungen aus einer Hand kommen und er somit lediglich einen Ansprechpartner hat. Zum einen birgt dies hohe Insolvenzrisiken des Vertragspartners. Zum anderen ist den meisten Verbrauchern an einer zügigen und möglichst reibungslosen Durchführung eines Bauvorhabens gelegen. Die Verbraucher haben erkannt, dass wenige Vorteile in den Vergünstigungen durch Beauftragung eines Generalunternehmers verbleiben, wenn das Bauvorhaben stecken bleibt und der Verbraucher nicht flexibel einzelne Bauunternehmer durch Kündigung o. ä. auswechseln kann.

Fazit

Solche Bedürfnisse einer Flexibilisierung dürften dazu führen, dass die gewerksweise Vergabe an einzelne Unternehmer wieder an Bedeutung gewinnt und damit sich aber auch der jeweils einzeln beauftragte Unternehmer, sei es ein Fensterbauer, ein Bodenleger oder ein Dachdecker fragen muss, ob es sich um einen Verbraucherbauvertrag handelt den er eingeht. Insoweit ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit Spannung, aber auch in Hoffnung auf zunehmende Rechtssicherheit zu erwarten. 

Nachtrag/Addendum:

Der Bundesgerichtshof hat über die vorstehende Problematik entschieden (BGH, Urteil vom 16. März 2023 - VII ZR 94/22). Auf die Pressemitteilung wird verwiesen (Der Bundesgerichtshof - Presse : Pressemitteilungen aus dem Jahr 2023 - Kein Verbraucherbauvertrag bei Vertrag über einzelnes Gewerk eines Neubauvorhabens). Der Bundesgerichtshof führt aus: "Nach der gesetzlichen Definition in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB setzt ein Verbraucherbauvertrag voraus, dass es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Dafür reicht es schon nach dem Wortlaut nicht aus, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Darin unterscheidet sich die Vorschrift in entscheidender Weise von dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 650a BGB."

Daran ist sich in Zukunft nun zu orientieren.


Tobias Bartholme
Rechtsanwalt

mit Tätigkeitsschwerpunkt im Bau- und Architektenrecht sowie Immobilienrecht 
bei Ihrer Kanzlei: Bartholme, Schilling, Kaiser & Partner


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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