Die „Coaching-Falle“ Teil 28: Gericht urteilt zu Gunsten eines Coaches - gute Nachrichten für die Coaching-Szene?

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Die Frage der Rechtmäßigkeit von hochpreisige Onlinecoachings wird zunehmend ein Fall für die Gerichte. Bisher hat sich die Rechtsprechung in fast allen Fällen auf die Seite der Coaching-Kunden gestellt und die Verträge aus verschiedenen Gründen für nichtig erklärt:


- So hatte das Landgericht Stade einen Coaching-Vertrag für sittenwidrig erklärt 

- Das Oberlandesgericht Celle hat dann in der Folge entschieden, dass Unternehmer ebenfalls ein Widerrufsrecht haben, wenn das Fernunterrichtsschutzgesetz Anwendung findet 

- Das Landgericht Leipzig, das Landgericht Hamburg, das Landgericht Hannover und das Landgericht Nürnberg-Fürth und jüngst das Landgericht Ulm haben das Fernunterrichtsschutzgesetz für anwendbar erklärt und gegen die Coachingunternehmen entschieden

- Zudem hat das Landgericht Stuttgart die Sittenwidrigkeit eines Coaching-Vertrags des Bestsellerverlags von Dirk Kreuter festgestellt.


Jüngst hat allerdings das Landgericht München in einem Fall für das Coaching-Unternehmen entschieden. Geklagt hatte hier die Coaching-Kundin auf Rückzahlung der Kosten des Coaching-Programms.


Worum geht es genau?

Der Sachverhaltet gestaltete sich laut Urteil des Landgerichts wie folgt (LG München, Az. 29 O 12157/23):


„Im April 2022 stieß die Klägerin auf eine Werbung für einen kostenfreien Workshop der Beklagten. Die Klägerin war eine der mehreren Hundert Teilnehmerinnen dieses Workshops.

In Folge dessen kam es zu einem Kennenlern-Call zwischen der Geschäftsführerin der Beklag­ ten und der Klägerin am 13.06.2022.

Am 14.06.22 buchte die Klägerin sodann bei der Beklagten ein Coaching mit dem Namen "[…]   Coaching zum Business Aufbau" für 20.000 €. Für das Coaching wurde eine Programmdauer vom 20.06.2022 bis 19.03.2023 festgelegt.

In dem Coaching geht es um Positionierung, um den Aufbau einer eigenen Facebook-Gruppe, um lnteraktionsstrategien und das Durchführen von Live-Calls auf Facebook, um den Aufbau einer treuen und kaufkräftigen Community, um das Schaffen einer Verbindung zur Community und um das Thema Copywriting, um eigene Angebote gewinnbringend zu verkaufen.“


Die Klägerin war „insbesondere wegen der Formulierung „1:1 Coaching nach Bedarf davon ausgegangen, dass es sich um eine persönlichere und engmaschigere Betreuung handeln würde“.

Leider im Coaching-Bereich eine häufig anzutreffende Fehlvorstellung, die von einigen uns bekannten Coaches auch gezielt gefördert wird. In der von uns erlebten Praxis sieht dies dann doch leider häufig anders aus, weil das hochpreisige Coaching meist aus Videokursen, Gruppenveranstaltungen und Messenger-Gruppen besteht. Hier konnte das Gericht aber feststellen, dass tatsächlich 1:1 Betreuung in erheblichem Umfang erbracht worden war.


Die Klägerin hat weiter vorgetragen:

„Die Klägerin ist zudem der Ansicht der Vertrag sei sittenwidrig. Sie sei in einer Notsituation mit unrealistischen Versprechungen in den Vertrag gelockt worden. Im Januar 2022 habe die Tochter der Klägerin eine Krankheitsdiagnose erhalten und bei der Klägerin sei der Druck gewachsen Geld zu verdienen. Daher habe sich die Klägerin auf den Vertrag eingelassen.“

Auch dies ist natürlich nachvollziehbar. Allerdings hatte die Kundin bei Vertragsschluss auch bestätigt, dass ,,für  den  Fall,  dass  es sich  um einen  Existenzgründer oder  eine  Privatperson  handelt,  die  Zahlung  der  Programmgebühr  keine  signifikante  und existenzbedrohende  finanzielle Last für ihn oder für seine Familie darstellt" und selbst angegeben, als Angestellte in einem „Hauptjob“ zu arbeiten sowie bereits freiberufliche Einnahmen von „ca. 30.000,00 €“ zu haben, „die sie erweitern wolle“.


Erschwerend kam hinzu, dass die Klägerin, die das Coaching etwa 7 Monate lang in Anspruch genommen hatte, sich im Fall des Landgerichts München „als äußerst zufriedene Kundin gezeigt“, der „Geschäftsführerin der Beklagten mehrmals für das tolle Coaching“ gedankt und zudem von „beruflichen Erfolgen sowie einer Verdopplung ihrer freiberuflichen Einnahmen“ berichtet hat, welche sie „auf das Coaching der Klägerin zurück" führte.


All dies sprach hier natürlich gegen einen unseriösen und daher nichtigen Vertrag.


Welche Folgen hat das Urteil?

Das Urteil des Landgerichts in München stellt für den hier entschiedenen Einzelfall fest, dass kein Fernunterricht vorgelegen habe, weil die Leistungen tatsächlich „live“ erbracht wurden. Auch eine Sittenwidrigkeit konnte das Gericht hier nicht feststellen, weil das Programm offensichtlich Erfolg hatte und die Kundin hiermit auch für lange Zeit sehr zufrieden gewesen war.

Beide Fragen – sowie mögliche andere rechtliche Ansatzpunkte in Coaching-Fällen – sind jedoch immer individuell zu beurteilen. Insofern sollte das Urteil aus München – auch wenn es von Seiten der Coaches aktuell gern anders dargestellt wird – nicht überbewertet werden. Nur weil in diesem konkreten Fall kein Fernunterricht vorlag und das Schutzgesetz daher nicht anwendbar war, heißt dies nicht, dass Kunden in anderen Fällen keinen Schutz genießen. Stets ist der jeweilige Einzelfall genau zu prüfen.

Die meisten anderen Gerichte – wie etwas das Oberlandesgericht Celle – vertreten eine deutlich kundenfreundlichere Auffassung, gerade weil aufgrund des Wildwuchses im Coaching-Bereich eine große Schutzbedürftigkeit der Kunden gegeben ist, die teils extrem hochpreisige Verträge abgeschlossen haben.

Dennoch ist natürlich nicht jeder Coaching-Vertrag nichtig oder anfechtbar, weil es selbstverständlich auch eine Vielzahl seriöser Anbieter angibt, die großen Einsatz für ihre Kunden zeigen und diesen einen echten Mehrwert bieten. Nach der Auffassung des Landgerichts München war dies hier der Fall, weshalb kein sittenwidriger Vertrag vorlag.


Fazit

Wenn auch Sie einen Coaching-Vertrag abgeschlossen haben und unzufrieden sind, beraten wir Sie mit unserer Erfahrung aus zahlreichen Coaching-Fällen gern dazu, ob das Fernunterrichtschutzgesetz in Ihrem Fall greift, mit welchen rechtlichen Mitteln Sie sonst noch vorgehen können und welche Erfolgsaussichten in Ihrem Fall bestehen.

Melden Sie sich hierzu gern für ein unverbindliches Erstgespräch!


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Foto(s): adobe stock photos


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