Die größten Rechtsirrtümer bei Ehe & Scheidung

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Nach der Heirat gehört beiden Ehegatten alles zur Hälfte

Falsch. Eigentum und Vermögen, welches einem Ehegatten vor der Ehe allein gehört hat, bleibt auch nach der Hochzeit in dessen Alleineigentum. Auch innerhalb der Ehe verwaltet und vermehrt (oder verringert) jeder Ehepartner sein Vermögen allein, sodass praktisch eine Gütertrennung vorliegt. Erst am Ende der Ehe findet der Zugewinnausgleich statt. Durch diesen wird der Wertzuwachs des Vermögens innerhalb der Ehezeit unter den Ehegatten ausgeglichen – vorausgesetzt, die Eheleute leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Ein Ehepartner haftet für die Schulden des anderen

Ganz falsch. Jeder Ehepartner haftet alleine für seine Schulden, denn das sind seine Schulden und nicht jene des anderen. Etwas anders gilt nur, wenn beiden gemeinsam Schulden machen, zum Beispiel gemeinsam einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Haues unterschreiben oder wenn sich ein Ehepartner durch eine Bürgschaft verpflichtet.

Lediglich für Geschäfte des täglichen Lebens kann der jeweils andere Ehepartner mitverpflichtet werden. Geschäfte des täglichen Lebens sind zum Beispiel Einkäufe im Supermarkt, die Anschaffung einer neuen Waschmaschine, die Kosten für Öl, Gas und Strom.

Ehepaare brauchen kein Testament

Falsch – und gefährlich! Viele Ehepaare verzichten auf ein Testament, weil sie glauben, durch die Ehe würde der überlebende Ehegatte sowieso alles Erben.

Wird kein Testament gemacht, tritt automatisch die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Diese sieht indes gerade nicht vor, dass Ehegatten zu gegenseitigen Alleinerben werden. Vielmehr ist es so, dass Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nur ein bestimmter Erbteil zusteht. Gegenüber Erben erster Ordnung (Kinder, Enkel, Urenkel) beträgt dieser beispielsweise nur die Hälfte. Ein Beispiel: Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Stirbt der Vater/Ehemann, erben die beiden Kinder je ¼, die Mutter/Ehefrau ½. Das kann vor allem dann zu großen Problemen führen, wenn zu den Kindern ein schwieriges Verhältnis besteht. Fällt eine Immobilie in das Erbe des Vaters, so werden neben der Mutter auch die Kinder in das Grundbuch eingetragen. Über das Haus kann dann die Ehefrau nicht mehr frei verfügen, weil zusammen mit den Kindern eine Erbengemeinschaft besteht. In dieser Erbengemeinschaft müssen sich Mutter und Kinder über Verwaltung, Aufteilung und ggf. Verwertung des gemeinsamen Vermögens einigen. Ist eine Einigung nicht möglich, können die Beteiligten die Zwangsversteigerung der gemeinsamen Immobilie betreiben. Kann die Mutter den Erbteil der Kinder nicht in Geld auszahlen, muss das Haus verkauft werden und die Mutter verliert ihren Altersruhesitz.

Ein Ehevertrag kann nur vor der Ehe abgeschlossen werden

Auch falsch. Ein notarieller Ehevertrag kann vor der Ehe, aber auch nach der Eheschließung abgeschlossen werden. Auch viele Jahre nach der Heirat und bis zur Rechtskraft der Scheidung kann noch ein Ehevertrag beurkundet werden.

Mein Ehepartner will nicht geschieden werden – die Scheidung ist deshalb erst nach 3-jähriger Trennungszeit möglich

Irrtum. Außer in den seltenen Fällen der Härtefallscheidung (kein Trennungsjahr erforderlich) muss lediglich die 1-jährige Trennungszeit abgewartet werden, bevor der Ehescheidungsantrag bei Gericht eingereicht werden kann. Auch gegen den Willen des anderen wird die Ehe geschieden, wenn der Antragsteller dem Gericht nachweist, dass die Ehe zerrüttet ist und nicht erwartet werden kann, dass die eheliche Lebensgemeinschaft wiederhergestellt wird. In der Praxis kommt es im Grunde nie vor, dass eine 3-jährige Trennungszeit abgewartet werden muss. Mir zumindest ist das in über 15 Jahren anwaltlicher Tätigkeit nicht einmal passiert. Nach 3-jährigger Trennungszeit gibt es eine gesetzliche, unwiderlegbare Vermutung dafür, dass die Ehe zerrüttet ist.

Wir sind uns einig – und beauftragen deshalb einen gemeinsamen Anwalt mit dem Scheidungsverfahren

Irrtum. Ein sehr gefährlicher Irrtum! Ein Anwalt ist immer Interessenvertreter für eine Partei und darf niemals beide Ehegatten vertreten, andernfalls er sich strafbar macht. Der Ehescheidungsantrag kann wirksam nur durch einen Rechtsanwalt bei Gericht eingereicht werden. Der nicht durch einen Anwalt vertretene Ehegatte, kann der Scheidung formlos zustimmen, hierzu ist kein zweiter Anwalt erforderlich. Wer so vorgehen will, kann die Kosten für einen zweiten Anwalt sparen. Er/Sie muss ich allerdings im Klaren darüber sein, dass seine Interessen dann nicht vertreten werden.

„Online-Scheidung“ ist möglich

Grundfalsch. Allenfalls können die zur Antragstellung benötigten Unterlagen (Vollmacht, Heiratsurkunde, Geburtsurkunden der Kinder) dem beauftragen Anwalt online übermittelt werden. Die Durchführung des Scheidungsverfahrens selbst aber funktioniert online nicht. Das Familiengericht bestimmt einen Termin, zu welchem beide Ehegatten grundsätzlich erscheinen müssen, und zu den Scheidungsvoraussetzungen persönlich angehört werden.

„Online-Scheidung“ ist billiger

Falsch. Eine Kostenreduktion oder Einsparpotenzial ist mit der „Online-Scheidung“ nicht verbunden. Denn alle Anwälte sind im gerichtlichen Verfahren verpflichtet, nach RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) und den dort einschlägigen Gebührenvorschriften abzurechnen. Der Anwalt darf in Gerichtsverfahren gegenüber dem Mandanten zwar höhere Gebühren abrechnen, nicht aber geringere! Sie werden deshalb keinen „günstigen“ Anwalt finden – auch wenn im Internet noch so offensiv damit geworben wird.

Wir waren nur ein paar Wochen verheiratet – das Trennungsjahr müssen wir deshalb nicht abwarten

Leider falsch. Weit verbreitet ist der Glaube, man könne die Ehe nach sehr kurzer Ehezeit einfach annullieren lassen und müsse nicht extra ein Scheidungsverfahren betreiben. Das stimmt nicht. Auch bei Ehen von sehr kurzer Dauer muss das Trennungsjahr in aller Regel abgewartet werden.

Einmal erhielt ich an einem Montagmorgen einen Anruf von einer Mandantin, welche am Samstag zuvor geheiratet und sich noch in der Hochzeitnacht mit Ihrem Ehemann heftig zerstritten hatte. Auch hier musste das Trennungsjahr abgewartet werden – und wurde in diesem Fall genutzt, um sich zu versöhnen (heute glücklich verheiratet, 3 Kinder).

Sie kennen weitere Rechtsirrtümer zu Ehe und Scheidung? Schreiben Sie mir – dann nehme ich die Irrtümer nach Prüfung ist die Liste auf. Vielen Dank.

Ihr Rechtsanwalt Matthias H. Bernds, Köln 


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