Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht – Teil 2

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In einem anderen Urteil entschied das vorherige aktiv gewordene LG gegen eine Einziehung, weil dies die junge Angeklagte, aufgrund der zu erwartenden hohen Summe mit einiger Wahrscheinlichkeit aus der Bahn werfen würde.[1]

Jedoch wird in den Urteilsgründen aufgeführt, dass es aufgrund des „Erlangens“ nach § 73 I StGB zur Anwendung der Einziehung kommen muss und diesbezüglich kein Ermessensspielraum besteht. Ebenso heißt es, dass die Einziehung im gesamten Strafrecht zur Anwendung zu kommen hat und aufgrund § 8 Abs. 3 JGG eine zulässige Nebenstrafe und Nebenfolge darstellt, welche nicht nach § 6 JGG ausgenommen ist. In diesem Sinne hat der BGH im Jahr 2010 strafrechtlich entschieden, dass dies ebenfalls dann zulässig ist, wenn der Täter den Wert des Erlangten nicht mehr in seinem Vermögen innehat.[2]

Bezüglich dieser Anwendung der Vermögensabschöpfung besteht jedoch einiges an Kritik, sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur vertreten partiell eine andere Auffassung.
Ihnen zu Folge besteht eine Notwendigkeit die Besonderheiten des Jugendstrafrechts bei der Vermögensabschöpfung und des ihr innewohnenden Zweckes miteinander in Einklang zu bringen, d.h., sich explizit mit diesem Spannungsfeld auseinanderzusetzen. Dies betrifft im Besonderen etwaige Härten einer Strafe, bei welchen Beeinträchtigungen der Entwicklungen des Jugendlichen als Folgeerscheinung eintreten könnten. Ebenso soll lediglich der Betrag, welcher im Besitz des Jugendlichen ist, ausgeschöpft werden dürfen.[3]

Wiederum beanstandete der BGH nicht die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M., dass die Einziehung eines Geldbetrags neben der Verurteilung einer Jugendstrafe nicht.[4]

Bezüglich einer anderen, jedoch hinsichtlich der Einziehung ähnlichen Entscheidung des BGH äußerte sich Prof. Dr. Ulrich Eisenberg (em. Prof. an der FU Berlin für Strafrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug), mittels eines Praxiskommentar, kritisch gegenüber der Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht. In seiner Äußerung bezieht er sich zunächst auf die Stellungnahmen des 2., 4. und 5. Strafsenats bzgl. des Umgangs mit der betroffene Konstellation von JGG und §§ 73 ff. StGB. Diese bejahten die materielle Anwendbarkeit der §§ 73 ff. StGB im Jugendstrafrecht, jedoch ohne jegliche Begründung dessen. Prof. Dr. Eisenberg nach hat der Gesetzgeber es gänzlich versäumt auf die bestehende Problematik bzgl. der Systemverträglichkeit von § 2 Abs.2 JGG und §§ 73 ff. ausreichend einzugehen. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass von einem Einklang mit übergeordneten Rechtsgrundsätzen ausgegangen wird und die Anwendbarkeit dessen gänzlich unterstellt wird. Vielmehr ist zu prüfen, ob die §§ 73 ff. StGB nicht im Widerspruch zu andere Vorschriften des JGG stehen. In Betracht kommt dabei ein Entgegenstehen des Verbots der Verhängung von Geldstrafen, die Ausgestaltungen der § 15 Abs. 2 Nr. 2 JGG, wie auch die Orientierungsnormen §§ 74, 81 JGG. Darüber hinaus wirkt eine Abschöpfmaßnahme zwar spezialpräventiv, jedoch kontraproduktiv, sofern sie die Verursachung von wirtschaftlichen und finanziellen Zwangslagen mit sich bringt und die Konsequenz dessen die Vorwegnahme der Möglichkeit der Strafunauffälligkeit ist oder diese Möglichkeit nachhaltig beeinflusst wird. Zudem kommt es zu einer Verfehlung des erzieherischen Zwecks.[5]

Im Sinne dieser Problematik äußerte sich ebenfalls der Generalbundesanwalt, womit dieser mit zu der aktuell fraglichen Rechtsansicht und Herangehensweise anregte. Aufgrund dessen, dass diese Problematik von den Strafsenaten unterschiedlich behandelt wurde kam es zu einer Anfrage bei den Strafsenaten bzgl. ihrer Rechtsprechung hinsichtlich der Vermögensabschöpfung und dem JGG und ob diese an ihrer Stellung festhalten.[6]

Diesbezüglich ist jedoch explizit zu erwähnen, dass der BGH die Besonderheit des Jugendstrafrechts betonte, welcher in erster Linie erzieherische Aspekte beinhaltet.[7]

Fazit: Die Vereinbarkeit des Grundzüge des Jugendstrafrechts mit den Regelungen der Vermögensabschöpfung aus dem Strafgesetzbuch

Folglich könnte die Einziehung in Form der Vermögensabschöpfung nach §§ 73 ff. StGB eine Steigerung der Strafe darstellen und weitgehende Konsequenzen mit sich bringen.
Die Folge der Vermögensabschöpfung, in welchen die Jugendlichen nicht mehr im Besitz des erlangten sind, kann ein erhebliches Schuldenaufkommen der Jugendlichen sein.
Die entstanden Schulden wiederum können der Resozialisierung der Jugendlichen, wie auch der Vermeidung erneuter Straftaten durch die mit sich bringende Perspektivlosigkeit im Wege stehen.
D. h., die Vermögensabschöpfung könnte mit dazu führen, dass der Erziehungsgedanke der JGG verfehlt und das Gegenteil bewirkt wird.
Darüber hinaus steht die Vermögensabschöpfung explizit im Widerspruch zum Rechtsgedanken des § 74 JGG.

Aufgrund dessen kommt in Betracht, dass die Anwendung der Vermögensabschöpfung nach §§ 73 StGB im Jugendstrafrecht der Systematik, sowie dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts im Wege steht.

Das Jugendstrafrecht ist aufgrund seiner Systematik als „lex specialis“ anzusehen und darf in Folge dieser Vorrangregelung nicht dem allgemeinen Strafrecht unbeachtet untergeordnet werden.

[1] OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 28.01.2019 – 1 Ss 180/18 – Rn.7.

[2] OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 28.01.2019 – 1 Ss 180/18 – Rn.9-10

[3] OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 28.01.2019 – 1 Ss 180/18 – Rn.13-14

(LG Münster, Urt. vom 12.07.2017, 312 Js 11104/17 1 Ds jug.)

[4] OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 28.01.2019 – 1 Ss 180/18 – Rn.15-16

(BGH, Beschl. vom 07.08.2018 – 3 StR 104/18)

[5] Einziehung im Jugendstrafrecht - NStZ 2019, 221

[6] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bgh-anfrage-strafsenate-vermoegensabschoepfung-jugendstrafrecht-ermessen-gericht/

[7] Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld - NStZ-RR 2011, 385.


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