Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt / Discrimination in the housing market

  • 7 Minuten Lesezeit

AG Berlin-Charlottenburg: Schadensersatz aufgrund Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt 

Persönlichkeitsverletzung durch Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt

Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat Klarheit in Bezug auf den Schadensersatzanspruch im Falle von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt geschaffen. In dem Urteil vom 14.01.2020 hat das AG Berlin-Charlottenburg entschieden, dass eine Diskriminierung i. S. d. § 19 Abs. 2 AGG vorliegt, wenn ein Mietinteressent allein aufgrund seiner ethnischen Herkunft am Bewerbungsverfahren für Mietwohnungen benachteiligt wird, indem er vom potenziellen Vermieter eine Absage für eine Wohnungsbesichtigung erhält. Als Folge einer solchen Diskriminierung steht dem Mietinteressenten ein Schadensersatzanspruch aus § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG zu.

Sachverhalt

Am 09.10.2018 bewarb sich der Kläger bei der Beklagten, die in Berlin mehr als 100.000 Wohnungen vermietet bzgl. der Besichtigung einer von der Beklagten inserierten Wohnung. Über ein Online-Formular bewarb sich der Kläger, der einen türkischen Namen trägt, mit seinem Namen und seinen Kontaktdaten. Am 10.10.2018 erhielt der Kläger eine Absage, die von einer Mitarbeiterin der Beklagten verschickt wurde. Als Grund für die Absage nannte die Mitarbeiterin die zahlreichen Anfragen. Am gleichen Tag bewarb sich der Kläger erneut mit einem fiktiven „deutsch klingenden“ Namen. Die übrigen Angaben der beiden Bewerbungen waren exakt identisch. Am 11.10.2018 erhielt der Kläger eine E-Mail von der Mitarbeiterin der Beklagten mit einer Zusage für die Besichtigung.

Im Rahmen der Zusage suchte er sodann den Servicepoint der Beklagten auf. Als er seine Bewerbungsunterlagen mit seinem richtigen Namen übergab, teilte ihm die Mitarbeiterin mit, dass die Wohnung bereits vergeben sei. Ein Arbeitskollege rief am selben Tag unter Bezugnahme auf die Bewerbung des Klägers unter dem deutschen Namen bei der Beklagten an und gab sich als dieser aus. Ihm wurde mitgeteilt, dass er die Wohnung besichtigen könne.

Der Kläger ließ sich daraufhin von der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt beraten. Diese wandte sich am 21.11.2018 als Vertreterin des Klägers an die Beklagte, um den oben dargestellten Sachverhalt zu schildern. Sie wies darauf hin, dass es sich um einen Fall der Diskriminierung nach § 21 AGG handele. Die Beklagte wies die Ansprüche des Klägers auf Beseitigung, Unterlassung, Schadensersatz und Entschädigung nach § 21 AGG zurück, woraufhin der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.12.2018 erneut Ansprüche wegen Diskriminierung geltend machte.

Entscheidung

Das AG entschied, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung gem. § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG hat. Der Kläger konnte ausreichend Indizien vorweisen, aus denen sich eine Diskriminierung i. S. d. § 1 i. V. m. 19 Abs. 2 AGG ergab. Der Beklagten ist es nicht gelungen, zu beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmung zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Der Kläger wurde weniger günstig behandelt als eine Person mit deutsch klingendem Namen, als er eine Absage für die Besichtigung erhielt, während eine Einladung zur Besichtigung aufgrund der Anfrage unter dem deutsch klingenden Namen erfolgte. Der Kläger wurde benachteiligt. Eine unmittelbare Benachteiligung liege vor, wenn eine Person aus den in § 1 AGG genannten Gründen „eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“ (§ 3 Abs. 1 AGG).

Anhand der Indizien des Klägers konnte die Vermutung gerechtfertigt werden, dass er aufgrund seines türkisch klingenden Namens eine Absage zu der Wohnungsbesichtigung erhielt. Zudem entschied das AG, dass das vom Kläger praktizierte sogenannte „Testing-Verfahren“ bei der Bewerbung ausdrücklich zulässig sei.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass ein Rechtfertigungsgrund gem. § 19 Abs. 3 AGG vorliegt, wonach bei der Vermietung von Wohnraum eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig ist. Das AG entschied, dass diese Norm nur „positive Maßnahmen“ i. S. d. § 5 AGG rechtfertigt.

Der Kläger habe gem. § 21 Abs. 2 AGG einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Somit stehe dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i. H. v. 3.000 Euro zu.

Zudem handelt es sich bei der Vermieterin um einen der größten Vermieter in Berlin, sodass sich Diskriminierungen durch die Beklagte besonders schwerwiegend auswirken, da der Kläger hierdurch vom Zugang zu einem erheblichen Anteil des Mietwohnungsmarktes in Berlin abgeschnitten sei.

---

English version:

Berlin-Charlottenburg Local Court: Compensation for damages due to discrimination in the housing market

Infringement of privacy through discrimination in the housing market

The Berlin-Charlottenburg Local Court (Amtsgericht) has clarified the situation regarding claims for damages in the event of discrimination in the housing market. In its ruling of 14 January 2020, the AG Berlin-Charlottenburg decided that discrimination within the meaning of § 19 para. 2 of the German Constitution (GG) exists if a prospective tenant is disadvantaged in the application procedure for rental apartments solely on the basis of his ethnic origin by receiving a refusal from the potential landlord to view the apartment. As a result of such discrimination, the prospective tenant is entitled to a claim for damages under § 21 para. 2 sentence 3 AGG. 

Facts of the case

On October 9, 2018, the plaintiff applied to the defendant, which rents more than 100,000 apartments in Berlin, for a viewing of an apartment advertised by the defendant. Using an online form, the plaintiff, who has a Turkish name, applied with his name and contact details. On 10.10.2018, the plaintiff received a rejection letter sent by an employee of the defendant. The employee cited the numerous inquiries as the reason for the rejection. On the same day, the plaintiff applied again with a fictitious „German sounding“ name. The other details of the two applications were exactly identical. On 11.10.2018, the plaintiff received an email from the defendant's employee confirming the acceptance of the visit.

As part of the confirmation, he then visited the defendant's service point. When he handed over his application documents with his real name, the employee informed him that the apartment was already taken. A colleague called the defendant on the same day with reference to the plaintiff's application under his German name and pretended to be him. He was informed that he could inspect the apartment.

The plaintiff thereupon asked for advice from the Berlin office against discrimination on the housing market. On November 21, 2018, the latter approached the defendant as the plaintiff's representative in order to describe the facts of the case as described above. It was pointed out that this was a case of discrimination under § 21 AGG. The defendant rejected the plaintiff's claims for removal, injunction, damages and compensation pursuant to § 21 AGG, whereupon the plaintiff again asserted claims of discrimination in a letter from his legal representatives dated December 28, 2018. The plaintiff requested that appropriate compensation be paid to him, the wages of which are at the discretion of the court and should not be less than EUR 2,000.

Decision

The AG decided that the plaintiff has a claim for compensation against the defendant pursuant to § 21 para. 2 sentence 3 AGG. The plaintiff was able to present sufficient evidence to establish discrimination within the meaning of § 1 in conjunction with 19 paragraph 2 AGG. The defendant did not succeed in proving that there had been no violation of the provision on protection against discrimination.

The plaintiff was treated less favorably than a person with a German-sounding name when he received a refusal for the inspection, while an invitation to the inspection was issued under the German-sounding name due to the inquiry. The plaintiff was disadvantaged. There was direct discrimination if, for the reasons stated in Paragraph 1 of the AGG, a person „received, has received or would receive less favorable treatment than another person in a comparable situation“ (§ 3 para. 1 of the AGG).

On the basis of the indications of the plaintiff the assumption could be justified that he received a refusal due to his Turkish sounding name to the housing inspection. In addition, the AG decided that the so-called „testing procedure“ practiced by the plaintiff was expressly permissible in the application.

It could also not be established that there was a justification under § 19 para. 3 AGG, according to which different treatment in the letting of housing is permissible with regard to the creation and maintenance of socially stable resident structures and balanced settlement structures as well as balanced economic, social and cultural conditions. The AG decided that this standard only justifies „positive action“ within the meaning of § 5 AGG.

According to § 21, Subsection 2, AGG, the plaintiff was entitled to appropriate compensation in money. Thus, the plaintiff was entitled to compensation for pain and suffering in the amount of EUR 3,000.

In addition, the landlord is one of the largest landlords in Berlin, so that discrimination by the defendant is particularly serious, since the plaintiff is thus cut off from access to a considerable share of the rental housing market in Berlin.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Julian Urban

Beiträge zum Thema