Entschädigung für Mietinteressenten bei Diskriminierung

  • 4 Minuten Lesezeit

Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Urteil vom 14.01.2020 zum Aktenzeichen 203 C 31/19 entschieden, dass ein Vermieter einem Mietinteressenten 3.000 € Schadensersatz zahlen muss, wenn er wegen eines ausländisch klingenden Namens nicht zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen wird.

Die Vermieterin vermietet in Berlin ca. 110.000 Wohnungen. Auf ihrer Internetseite veröffentlicht sie Wohnungsangebote. Über ein online-Formular können sich Interessenten um einen Besichtigungstermin für die angebotenen Wohnungen bewerben.

Am 09.10.2018 bewarb sich der Mietinteressent um die Besichtigung der von der Vermieterin inserierten Wohnung. Außer seinem Namen und seinen Kontaktdaten enthielt das Onlineformular keine weiteren Daten des Mietinteressenten. Der Mietinteressent erhielt von der Vermieterin, eine E-Mail mit einer Absage. In dieser E-Mail heißt es, dass bedauerlicherweise dem Mietinteressenten für diese Wohnung aufgrund der zahlreichen Anfragen kein Angebot unterbreitet werden könne.

Der Mietinteressent bewarb sich mit E-Mail vom gleichen Tag unter dem fiktiven Namen noch ein Mal um die Besichtigung derselben Wohnung. Mit E-Mail vom 11.10.2018 teilte die Vermieterin dem Mietinteressenten mit, er könne sich die Schlüssel für eine Besichtigung am Servicepoint ... abholen.

Der Mietinteressent wandte sich daraufhin an die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt und ließ sich beraten. Sie wies darauf hin, dass es sich um einen Fall der Diskriminierung nach § 21 AGG handele. Dem Schreiben war ferner eine Anlage beigefügt, in der der Mietinteressent erklärte, dass er vorsorglich seine Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung, Schadensersatz und Entschädigung nach § 21 AGG geltend mache.

Die Vermieterin antwortete. Sie wies den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Der Sachverhalt lasse sich darauf zurückführen, dass die Vermieterin für die Wohnungsangebote mehr als 200 Bewerbungen innerhalb kurzer Zeit erhalten hätte und aufgrund der hohen Bewerberzahlen und entsprechend kurzen Terminfristen die Mitarbeiter eventuell eine nicht mehr aktuelle Information an den Mietinteressenten herausgegeben hätten.

Das Gericht urteilte, dass der Mietinteressent gegen die Vermieterin einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG hat.

Der Anwendungsbereich des AGG ist vorliegend gemäß § 2 Abs. 1 Nummer 8 AGG eröffnet. Der Mietinteressent behauptet beim Zugang zur Versorgung mit Wohnraum von der Vermieterin diskriminiert worden zu sein. Unstreitig hat die Vermieterin die Wohnungen öffentlich angeboten.

Ferner hat die Vermieterin durch die Versendung von Absagen zur Wohnungsbesichtigung gegen das Verbot der Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft aus § 19 Abs. 2 AGG verstoßen, da es hinreichende Indizien dafür gibt, dass die Ablehnung aufgrund des türkisch klingenden Namens des Mietinteressenten erfolgte und es der Vermieterin nicht gelungen ist zu beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmung zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dass ein Rechtfertigungsgrund gemäß § 19 Abs. 3 AGG vorliegt, kann nicht festgestellt werden.

Durch die Versendung der Absagen an den Mietinteressenten unter seinem türkisch klingenden Namen und der Einladung zur Besichtigung ist der Mietinteressent weniger günstig behandelt worden als eine Person mit deutsch klingenden Namen.

Der Mietinteressent ist mithin benachteiligt worden. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person aus den in § 1 AGG genannten Gründen "eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde" (§ 3 Abs. 1 AGG).

Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot gilt auch bereits im Vorfeld der Vermietung.

Dem Mietinteressenten ist es gelungen, Indizien darzulegen und zu beweisen, die die Vermutung rechtfertigen, dass er allein aufgrund seines türkisch klingenden Namens, mithin seiner ethnischen Herkunft, keine Einladung zu einem Besichtigungstermin erhalten hat.

Das vom Mietinteressenten durchgeführte sogenannte. "Testing-Verfahren" ist im Bereich der Wohnungsmiete ausdrücklich zulässig. Mithin sprechen die Indizien für eine Benachteiligung des Mietinteressenten aufgrund seines türkisch klingenden Namens, mithin seiner ethnischen Herkunft.

Diese Vermutung vermochte die Vermieterin nicht zu widerlegen (§ 22 AGG).

Die Vermieterin kann sich auch nicht auf § 19 Abs. 3 AGG berufen.

Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Wohnungsbauförderung, sozial stabile Bewohnerstrukturen, ausgewogene Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse zu schaffen und zu erhalten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 und 4 WoFG), statuiert Abs 3 eine generelle Ausnahme von den Benachteiligungsverboten des Abs 1 zur Erreichung dieser Ziele. Die Vereinbarkeit mit der RL 2000/43/EG und der RL 2004/113/EG ist aber mehr als zweifelhaft, da diese Richtlinien keine entsprechende Einschränkung kennen. Es ist daher § 19 Abs. 3 AGG nur dann nicht auf Benachteiligungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft und des Geschlechts anzuwenden, wenn es sich bei der gezielten Vermietung an bestimmte Personen oder Personengruppen um "positive Maßnahmen" i. S. von § 5 AGG.

Der Mietinteressent hat gemäß § 21 Abs. 2 AGG einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Teilweise wird vertreten, dass eine Entschädigung nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG nur bei einer vorsätzlichen Diskriminierung verlangt werden kann. Dem ist nicht zuzustimmen. § 21 Abs. 2 AGG enthält keine derartige Einschränkung. Eine solche kann mithin auch nicht in diese Vorschrift hineininterpretiert werden.

Foto(s): kanzlei JURA.CC

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M.

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten