Ehevertrag ?! Kein No-Go, sondern Vertrauensbeweis!

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Ein Ehevertrag ist ein zivilrechtliches Instrument, das von zukünftigen oder bereits verheirateten Paaren genutzt werden kann, um die rechtlichen und finanziellen Aspekte ihrer Ehe individuell zu gestalten. Dieses Vertragswerk erlaubt es den Partnern, von den gesetzlichen Vorgaben abzuweichen und eigene Vereinbarungen zu treffen, die oft eine große Rolle spielen, sollten sie sich eines Tages trennen oder einer der Partner versterben.


I. Formbedürftigkeit des Ehevertrags

Die Form des Ehevertrags ist streng geregelt. Er muss um Gültigkeit zu erlangen notariell beurkundet werden. Diese Formvorschrift dient dem Schutz der Vertragsparteien, indem sie sicherstellt, dass sich die Eheleute der Tragweite ihrer Vereinbarungen bewusst sind. Der Notar prüft u.a. die inhaltliche Fairness des Vertrages und achtet darauf, dass keine der Parteien benachteiligt wird.


II. Regelungsinhalte eines Ehevertrags


1. Güterrecht

Das Güterrecht regelt, was mit dem Vermögen der Partner während der Ehe und im Falle einer Scheidung geschieht. In Deutschland gibt es drei Güterstände:

a.)  Zugewinngemeinschaft, § 1363 BGB

Ohne einen Ehevertrag leben Ehepartner automatisch in einer Zugewinngemeinschaft, bei der jeder Partner sein eigenes Vermögen verwaltet, aber im Falle einer Scheidung ein Ausgleich des während der Ehe erworbenen Zugewinns erfolgt. Durch einen Ehevertrag können die Partner jedoch die Zugewinngemeinschaft modifizieren oder einen anderen Güterstand vereinbaren, namentlich die Gütertrennung oder die Gütergemeinschaft, was insbesondere bei ungleichen Vermögensverhältnissen oder Unternehmern sinnvoll sein kann.

Modifikationsmöglichkeiten der Zugewinngemeinschaft 

  •  Ausschluss des Zugewinnausgleichs

Ehepartner können vereinbaren, den Zugewinnausgleich vollständig auszuschließen. Dies bedeutet, dass im Falle einer Scheidung kein finanzieller Ausgleich des während der Ehe erworbenen Vermögens stattfindet. Dies kann sinnvoll sein, wenn beide Partner über ausreichend eigenes Vermögen verfügen oder einer der Partner unternehmerische Risiken vermeiden möchte.

  • Modifikation des Ausgleichsanspruchs

Statt den Zugewinnausgleich komplett auszuschließen, können die Ehepartner auch spezifische Anpassungen vornehmen. Beispielsweise kann der Ausgleichsanspruch auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt oder es können bestimmte Vermögenswerte von dem Ausgleich ausgenommen werden. Diese Art von Regelung kann besonders dann relevant sein, wenn einer der Partner spezielle Vermögenswerte, wie Unternehmensbeteiligungen oder Erbschaften, schützen möchte.

  • Vorzeitiger Ausgleich des Zugewinns

Die Ehepartner können auch vereinbaren, dass der Zugewinnausgleich nicht erst bei einer Scheidung, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt oder schrittweise während der Ehe stattfindet. Dies kann helfen, große Vermögensverschiebungen am Ende der Ehe zu vermeiden und stattdessen für eine kontinuierliche finanzielle Balance zu sorgen.

  • Definition von Anfangs- und Endvermögen

Im Ehevertrag kann genau festgelegt werden, was als Anfangsvermögen in die Ehe eingebracht wird und wie das Endvermögen zum Zeitpunkt der Scheidung berechnet wird. Dies kann Unklarheiten vermeiden und sicherstellen, dass Vermögenswerte, die einem Partner bereits vor der Ehe gehörten, nicht in den Zugewinnausgleich einfließen.

  • Genaue Definition von Zugewinnen

Die Partner können spezifische Vereinbarungen darüber treffen, welche Einkünfte oder Vermögenswerte als Zugewinne gelten. Zum Beispiel könnten Gewinne aus Unternehmungen, für die ein Partner besondere Risiken eingeht, von der Berechnung des Zugewinns ausgeschlossen werden.


b.) Gütertrennung, § 1414 BGB

Bei der Gütertrennung bleibt das Vermögen der Ehepartner vollständig getrennt – sowohl das, was sie bereits vor der Ehe besaßen, als auch das, was sie während der Ehe erwerben. 

  • Vollständige Vermögenstrennung

Jeder Partner behält die alleinige Kontrolle und Verantwortung über sein eigenes Vermögen. Dies umfasst sowohl das Vermögen, das jeder Partner in die Ehe einbringt, als auch das, was er während der Ehe erwirbt. Es gibt keine Vermögensgemeinschaft oder -verschmelzung irgendwelcher Art.

  • Kein Zugewinnausgleich

Im Gegensatz zur Zugewinngemeinschaft gibt es bei der Gütertrennung bei einer Scheidung keinen automatischen Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens. Dies bedeutet, dass jeder Partner das behält, was er selbst verdient oder angeschafft hat, unabhängig davon, wie viel der andere Partner beigetragen hat.

  • Eigenständigkeit in finanziellen Angelegenheiten

Da jedes Vermögen getrennt bleibt, sind die Ehepartner finanziell völlig unabhängig voneinander. Dies erlaubt jedem Partner, über sein Vermögen frei zu verfügen, Investitionen zu tätigen oder Schulden aufzunehmen, ohne die Zustimmung oder Beteiligung des anderen einholen zu müssen.

  • Schutz vor Schulden des Partners

In einer Ehe mit Gütertrennung ist jeder Partner nur für seine eigenen Schulden verantwortlich. Das bedeutet, dass die Gläubiger eines Partners nicht auf das Vermögen des anderen Partners zurückgreifen können, sollte der verschuldete Partner seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen können.


c.) Gütergemeinschaft, §§ 1415 ff BGB

Bei der Gütergemeinschaft wird das Vermögen der Ehepartner weitgehend vereinigt. 

  • Vermögensvereinigung

Unter der Gütergemeinschaft wird das Vermögen beider Partner zu Beginn der Ehe und das während der Ehe erworbene Vermögen zu einem gemeinsamen Vermögen, dem sogenannten Gesamtgut, § 1416 BGB. Dies umfasst sowohl Immobilien als auch persönliche Einkünfte und Erwerbungen während der Ehe.

  • Verwaltung des Gesamtguts

Grundsätzlich haben beide Ehepartner das Recht, das Gesamtgut gemeinsam zu verwalten. Allerdings können im Ehevertrag spezifische Regelungen getroffen werden, die einem der Partner eine umfangreichere Verwaltungsbefugnis einräumen oder bestimmte Vermögenswerte aus der gemeinsamen Verwaltung ausschließen.

  • Sonder- und Vorbehaltsgut

Nicht alles Vermögen fällt automatisch in das Gesamtgut. Es gibt zwei Kategorien von Vermögenswerten, die außerhalb des gemeinschaftlichen Vermögens stehen:

Sondergut, § 1417 BGB: Dazu gehören Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, wie z.B. persönliche Ansprüche oder Rechte.

Vorbehaltsgut, § 1418 BGB: Dieses umfasst Vermögenswerte, die durch eine Schenkung oder Erbschaft unter der Bedingung des Ausschlusses von der Gütergemeinschaft erworben wurden, sowie Gegenstände, die im Ehevertrag als Vorbehaltsgut klassifiziert wurden.

  • Haftung für Schulden

In einer Gütergemeinschaft haften beide Ehepartner gemeinsam für Schulden, die einer von ihnen eingeht, soweit diese zur ordentlichen Verwaltung des Gesamtgutes gehören. Schulden, die nicht der Verwaltung des Gesamtgutes dienen, werden vom jeweiligen Partner alleine getragen, es sei denn, es handelt sich um notwendige Aufwendungen für die Familie.


II. Versorgungsausgleich, VersAusglG

Der Versorgungsausgleich ist die Aufteilung der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften und ähnlichen Ansprüchen. In einem Ehevertrag kann bestimmt werden, dass dieser Versorgungsausgleich modifiziert oder ausgeschlossen wird, was jedoch gerichtlich überprüft werden kann, insbesondere wenn es zu einer unbilligen Benachteiligung einer Partei kommen würde.

  • Grundprinzip des Versorgungsausgleichs

Das Grundprinzip des Versorgungsausgleichs besteht darin, die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften und vergleichbaren Rechte (wie Betriebsrenten, private Rentenversicherungen und ähnliche Versorgungsansprüche) zwischen den Partnern aufzuteilen. Die Aufteilung berücksichtigt dabei ausschließlich die Anwartschaften, die von beiden Partnern während der Ehezeit (vom Tag der Eheschließung bis zum Einreichen des Scheidungsantrags) erworben wurden.

  • Ablauf des Versorgungsausgleichs

Ermittlung der Anwartschaften: Zunächst werden alle während der Ehe erworbenen Anwartschaften beider Ehepartner ermittelt. Dazu fordert das Gericht Auskünfte bei den jeweiligen Versorgungsträgern (z.B. Rentenversicherungen, Pensionskassen, etc.) an.

Berechnung des Ausgleichswerts: Für jede Anwartschaft wird der während der Ehe erworbene Wert berechnet. Dieser Wert spiegelt die Rentenpunkte oder das Kapital wider, das bis zum Zeitpunkt der Scheidung angesammelt wurde.

Durchführung des Ausgleichs: Die Differenz zwischen den Anwartschaftswerten der Ehepartner wird ausgeglichen, indem Rentenpunkte oder Kapitalwerte von dem Partner mit den höheren Anwartschaften auf den Partner mit den geringeren Anwartschaften übertragen werden. Dies geschieht in der Regel durch interne oder externe Teilung der entsprechenden Versorgungskonten.

  • Besonderheiten und Ausnahmen

Ausschluss oder Modifikation durch Ehevertrag: Ehepartner können durch einen Ehevertrag vereinbaren, den Versorgungsausgleich auszuschließen oder zu modifizieren. Solche Vereinbarungen unterliegen jedoch der gerichtlichen Überprüfung auf Angemessenheit und können bei grober Unbilligkeit angefochten werden.

Geringfügigkeit: Wenn die auszugleichenden Anwartschaften sehr gering sind, kann das Gericht den Versorgungsausgleich aus Gründen der Geringfügigkeit unterlassen.

Härtefallregelung: In besonderen Härtefällen, wenn der Versorgungsausgleich eine unzumutbare Härte für einen der Partner darstellen würde, kann das Gericht von einem Ausgleich absehen. Dies könnte der Fall sein, wenn eine sehr kurze Ehe bestand oder wenn besondere Lebensumstände vorliegen.


III. Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt

Fragen bezüglich des Unterhalts können ebenfalls Gegenstand eines Ehevertrags sein. Trennungsunterhalt wird in der Zeit zwischen Trennung und rechtskräftiger Scheidung gezahlt. Nachehelicher Unterhalt wird nach der Scheidung unter bestimmten Voraussetzungen fällig, zum Beispiel bei Betreuung gemeinsamer Kinder oder wenn ein Partner erheblich weniger verdient. Diese Ansprüche können im Ehevertrag angepasst oder ausgeschlossen werden, was allerdings bei einer späteren gerichtlichen Überprüfung Bestand haben muss.


IV. Hausrat

Die Aufteilung des Hausrats kann im Ehevertrag geregelt werden, um im Falle einer Trennung klare Verhältnisse zu schaffen. Dies bezieht sich auf die Gegenstände, die während der Ehe angeschafft wurden und dient der Vermeidung von Streitigkeiten.


V. Vorteile eines Ehevertrages 

Ein Ehevertrag bietet mehrere Vorteile, die sowohl praktische als auch finanzielle Aspekte der Ehe betreffen. 

  •  Individuelle Gestaltungsfreiheit

Ein Ehevertrag ermöglicht es den Partnern, die gesetzlichen Regelungen, die sonst automatisch gelten würden, nach ihren persönlichen Bedürfnissen und Wünschen zu modifizieren. Dies kann besonders wichtig sein, wenn einer oder beide Partner besondere Vermögensverhältnisse haben, wie zum Beispiel Unternehmensbeteiligungen oder erhebliches Privatvermögen.

  • Rechtssicherheit und Klarheit

Durch einen Ehevertrag können zukünftige Streitigkeiten vermieden werden, da die wesentlichen finanziellen Fragen bereits geklärt sind. Dies schafft eine klare Grundlage für die Ehe und kann im Falle einer Trennung oder Scheidung erhebliche Konflikte und Kosten sparen.

  • Schutz des Eigentums

Ein Ehevertrag kann dazu dienen, das Eigentum eines Partners zu schützen, insbesondere wenn es um erhebliche Vermögenswerte oder Unternehmensanteile geht. Dies ist besonders relevant in Fällen, in denen einer der Partner in die Ehe wesentlich mehr Vermögen einbringt als der andere.

  • Flexibilität in Unterhaltsfragen

Durch einen Ehevertrag kann das Paar Regelungen zum Trennungs- und nachehelichen Unterhalt treffen, die von den gesetzlichen Normen abweichen. Dies ermöglicht eine flexible Handhabung basierend auf den individuellen finanziellen Verhältnissen und Zukunftsplänen der Partner.

  •  Vorsorge für den Versorgungsausgleich

Eheverträge ermöglichen es, Regelungen zum Versorgungsausgleich zu treffen, also zur Aufteilung der während der Ehe erworbenen Rentenansprüche. Dies kann insbesondere dann wichtig sein, wenn einer der Partner eine selbständige Tätigkeit ausübt oder signifikante private Vorsorgeleistungen erbracht hat.

  • Vereinfachung des Scheidungsverfahrens

Ein gut ausgearbeiteter Ehevertrag kann das Scheidungsverfahren erheblich vereinfachen und beschleunigen, da viele potenzielle Streitpunkte bereits im Voraus geklärt wurden. Dies kann die emotionalen und finanziellen Belastungen einer Scheidung für beide Partner reduzieren.

  • Emotionaler Frieden

Indem finanzielle Fragen und Vermögensangelegenheiten frühzeitig geklärt werden, kann dies zu einem emotionalen Frieden beitragen, da Konfliktpotenziale minimiert werden. Partner können sich sicher fühlen, dass ihre Interessen im Falle einer Trennung geschützt sind.




Insgesamt bietet ein Ehevertrag eine maßgeschneiderte Lösung, die den spezifischen Bedürfnissen und Umständen der Ehepartner Rechnung trägt und somit zu einer stabileren und sichereren Partnerschaft beitragen kann.

Ein Ehevertrag bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten, kann aber auch komplexe und emotionale Fragen aufwerfen. Es ist ratsam, dass beide Partner unabhängige rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, bevor sie einen Ehevertrag abschließen. Dies stellt sicher, dass beide Seiten ihre Rechte und Pflichten verstehen und der Vertrag ihre Bedürfnisse und Wünsche angemessen widerspiegelt.



Dieser Beitrag dient der generellen Information und dem Einstieg in das Thema Ehevertrag.

Wenn Sie Fragen oder Beratungsbedarf zu diesem Thema haben, können Sie sich gerne mit mir unter info@kanzlei-kuschel.de in Verbindung setzen.


Jacqueline Kuschel

Rechtsanwältin

Foto(s): https://www.pexels.com/de-de/foto/zwei-goldfarbene-eheringe-auf-buchseite-56926/

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