Ehrenamtlich tätig und gesetzlich unfallversichert!

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I.Das Thema


Immer wieder – aber wohl immer weniger – müssen sich Gerichte  mit der Frage befassen , ob bei schlicht ehrenamtlich Tätigen   gesetzlicher   Unfallversicherungsschutz besteht und die zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung , die Berufsgenossenschaften, Leistungen erbringen müssen?


Die Berufsgenossenschaften neigen in der Verwaltungspraxis sehr oft dazu bei Unfällen, die ein schlicht ehrenamtlich Tätiger erleidet, den Versicherungsschutz abzulehnen, u.a. mit der Begründung „… es bestehe kein Arbeits-,/Berufsunfall…“. Die betroffenen  ehrenamtlich Tätigen Ihrerseits sehen das insbesondere vor dem Hintergrund der erlittenen Verletzungen anders und beschreiten den Rechtsweg.


Bis der „ Arbeitsunfall“ anerkannt ist und Leistungen der  Berufsgenossenschaften erbracht werden, ist der Weg dahin meist ein steiniger Weg über den Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid, das Widerspruchsverfahren, das Klageverfahren I. Instanz vor dem Sozialgericht,  ein Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht bis hin zu einer Revision bei Bundessozialgericht in Kassel.


Bis dahin können „ Jahre vergehen“ und die Betroffenen resignieren bisweilen auch. Der   „ vermeintlich Stärkere“ in diesem Fall ist meist die Berufsgenossenschaft. Der ehrenamtlich Tätige braucht einen langem Atem, engagierte Anwälte und Ärzte. Eine Rechtsschutzversicherung, die zumindest die Kosten für das Klageverfahren I. und II. Instanz deckt, besteht vielfach nicht.


II.Die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts


Das Bundesozialgericht in Kassel hat in zwei Verfahren Ende 2022 entschieden – kurz und knapp gefasst –


Ehrenamtliche tätige/aktive Sängerinnen und Sänger sind im Rahmen eines öffentlichen Singens gesetzlich unfallversichert ( BSG, Urteil vom 8.12.2022 B 2 U 19/20 R)


Ein ehrenamtlich Tätiger DRK- Vorsitzender ist auf der Fahrt zu einem benachbarten DRK – Ortsverein ( Freundschaftsbesuch, Teilnahme an einer Versammlung) gesetzlich unfallversichert ( BSG, Urteil vom 8.12.2022, B 2 U 14/20 R).


III. Die juristischen Ansatzpunkte


Gehen wir 7-8 Jahre zurück.


Der Gesetzgeber hat zum 1.1.2015 den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz auf „schlicht“ ehrenamtlich Tätige erweitert, die „ gemeinnützig“ tätig sind, egal, ob es sich um Vereine, sonstige privatrechtliche Zusammenschlüsse oder Städte und Gemeinden handelt.

Wichtig im konkreten Einzelfall ist, dass gegenüber dem ehrenamtlich Tätigen ein

„ Auftrag/eine Order“ vorliegt zur Mitarbeit an / in einem konkreten Projekt und dies im Streitfall – bei einem Unfall – der ehrenamtlich Tätige auch darlegen und beweisen kann.


TIPP:


Der Auftrag (=Genehmigung) für die Verrichtung  ehrenamtlicher Tätigkeit sollte – aus Beweisgründen – stets schriftlich eingeholt werden. Ausreichend ist nach hiesiger Sicht ein Auftrag via e-mail, aber auch anderen Mitteln elektronischer Kommunikation ( auch SMS) . Auch ein mündlicher Auftrag/eine mündliche Order  ist gültig. Hier haben wir aber ggfls.. ein Beweisproblem ( Wer ? hat was? Wie? Verstanden ?)


Wichtig ist, dass der Träger, der einen ehrenamtlichen Tätigen mit gemeinnütziger Arbeit ( dazu zählt auch das   ehrenamtliche Ausüben des Hobbys) betraut,  für seine schlicht  ehrenamtlich Tätigen keine Beiträge an die Berufsgenossenschaft leisten muss. Der Gesetzgeber hat sich ( Stand auch heute noch am 11.01.2023) klar dafür entschieden, dass die „ Solidargemeinschaft der Versicherten“ diesen zusätzlichen Versicherungsschutz finanziell trägt.


Das bedeutet für die Praxis, dass bzgl. der schlicht ehrenamtlich Tätigen die Organisation, in der diese gemeinnützig tätig ist, keine Betriebsnummer braucht und auch der Berufsgenossenschaft keine   Mitgliedsbeiträge schuldet, keine jährliche Entgeltmeldung machen muss und auch nicht expressis verbis in einer Gefahrtarifklasse veranlagt wird.


Zum 1.1.2018 hat dann der Gesetzgeber den Personenkreis derjenigen erweitert, die sich gesetzlich unfallversichern können.

Diese Erweiterung betrifft   „ Ehrenamtsträger“, also Ehrenamtlich in einem statutarisch in der Satzung  definierten Amt ( bspw. 1. Vorsitzende(r), Schriftführer(in) etc.). Diese Erweiterung betrifft in der Regel Gesangvereine, Sportvereinen, Kulturvereine, die in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) fallen, nicht aber die Organisationen,Vereine, Verbände, die im Wohlfahrtsbereich tätig sind   (BGW), deren Vorstände /Ehrenamtsträger gesetzlich unfallversichert sind.



Die Differenzierung bi den Ehrenamtsträger ist so, Sie ist nicht unbedingt logisch.


Ehrenamtsträger im Sport, der Kultur können sich daher bei der VBG gegen einen geringen Jahresbetrag gesetzliche versichern lassen.


Hier der LINK zur Verwaltungsberufsgenossenschaft


www.vbg.de


Aktuell ( 11.01.2023) beträgt der Beitragssatz ( Beitragsfuß) € 4,60 / Jahr.


Der VBG sind die Versicherten zu melden.



IV. Ansatzpunkte der BSG- Urteile aus 2022, § 2 SGB VII

§ 2 SGB VII definiert legal, wer kraft  Gesetzes unfallversichert ist.

Ansatzpunkt in den Urteilen war hier § 2 Abs. 1 Nr. 10 a,b SGB VII, die wie folgt lauten ( Lies: Gesetzlich versichert sind:)

10.

Personen, die

a)

für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,

b)

für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,


V. Argumentationshilfe
 

Wenn  es zu einem Unfall im Ehrenamt, bei ehrenamtlicher Tätigkeit kommt, sollte dieser natürlich nach dem ersten Schock sauber und sorgfältig dokumentiert und erfasst werden nebst Beweismitteln. Das kann in Form von handschriftlichen Aufzeichnungen, einer Audiodatei oder einem Video oder Bildern geschehen. Hier ist es wichtig „ sauber“ zu arbeiten und einfach „ alles festzuhalten“ , auch wenn es später ggfls. auf einige  Punkte nicht ankommt.



Die Durchsetzung berechtigter Ansprüche scheitert nämlich in der Praxis nicht am

„ Recht haben“, sondern am „ Recht beweisen!“


Wichtig  bei einem Unfall  ist die Beantwortung der „ W- Fragen“:


Was ist passiert ?

Wem ist was passiert ?

Wo ist es passiert ?

Wie ist es passiert ?

Wer kann was beweisen ?

Was ist der Schaden ?

Wie hoch ist der Schaden ?

Welche Beleg habe ich ?



Danach sollte der „ Unfallsachverhalt niedergeschrieben“ und evaluiert  werden, bevor man sich bspw. dritter Hilfe bedient zur Abfassung der Unfallmeldung.


Wenn  es dann zu Problemen kommt bei der Frage, ob der Unfall bei ehrenamtlicher Tätigkeit passiert ist, sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 10 a, b SGB VII zu prüfen und festzuhalten


  • Ehrenamtliche Tätigkeit für eine der genannten Organisationen
  • Mit Auftrag ?
  • Mit ausdrücklicher Einwilligung ?
  • Mit schriftlicher Genehmigung ?




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