Ein paar Antworten zum Thema Drogen

  • 17 Minuten Lesezeit

1. Vorbemerkung

1. 1. Einleitung

Seit mehreren tausend Jahren werden Drogen von Menschen aus verschiedensten Kulturen als Genuss-, Heil- aber auch als Rauschmittel konsumiert. Der älteste Hinweis auf Schlafmohn, aus dessen Milchsaft bereits die Assyrer, die Sumerer, die Ägypter und die Griechen Opium (opos = griechisch für Saft) als einschläfernde und schmerzlindernde Droge gewannen, findet sich auf Keilschrifttafeln der Sumerer aus dem Jahre 3.000 v. Chr. Auch in etwa zu dieser Zeit wurde bereits von zahlreichen ostasiatischen Kulturen wie China und Indien, aber auch in Afrika und Europa Cannabis angebaut.

Daher verwundert es kaum, dass auch in der heutigen Zeit Drogen in sämtlichen Erscheinungsformen eine Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund, aber nicht zuletzt auch wegen der leider vorhandenen Allgegenwärtigkeit von Drogen, treten immer wieder Fragen in Bezug auf den Umgang mit Konsumenten auf. Dieser Beitrag hat daher einen Fragenkatalog zu diesem Thema ausgearbeitet, bei deren Beantwortung der vorliegende Beitrag sogleich eine gewisse Hilfestellung zu geben versucht. 

Dabei sei angemerkt, dass dieser Artikel nur einen Leitfaden darstellt und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, da gerade in dem vorliegenden Thema sehr vieles eine Frage des Einzelfalls darstellt. In Zweifelsfragen wird es neben der Lektüre dieses Beitrags daher jedenfalls unerlässlich sein, weiteren rechtkundigen Rat bei einem Rechtsanwalt einzuholen.

 

1. 2. Begriffsbestimmung

Betäubungsmittel sind nach § 1 Abs. 1 BtMG (Betäubungsmittelgesetz) die in den Anlagen I bis III des BtMG aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. Neue psychoaktive Stoffe sind dagegen nach § 2 Nr. 1 NpSG (Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz) Stoffe oder Zubereitungen aus in der Anlage zum NpSG genannten Stoffgruppen. Der gravierendste Unterschied der Einordnung liegt dabei darin, dass Betäubungsmittel im BtMG jeweils nach ihrer konkreten chemischen Erscheinungsform definiert sind und das BtMG demnach nicht in der Lage ist, dem Auftreten von neuen Substanzen ohne Anpassung der Anlagen des Gesetzes zu begegnen, auch wenn diese neuen Substanzen den bekannten Stoffen auch noch so ähneln. Zielsetzung des NpSG dagegen war es, möglichst viele der am Markt verfügbaren neuen psychoaktiven Stoffe zu erfassen, indem das Gesetz diese anhand von Stoffgruppen verbietet und so die Gesamtheit von Stoffen mit vergleichbarer chemischer Struktur erfasst.

Das BtMG stellt sodann aufgrund der stärker ausdifferenzierten Regelungen die weitreichendsten Straftatbestände auf und geht daher nach dem NpSG vor, soweit ein Stoff beiden Gesetzen unterfällt. So sind zwar der bloße Besitz und der bloße Erwerb von neuen psychoaktiven Stoffen nach § 3 Abs. 1 NpSG verboten, unterliegen jedoch, soweit keine andere verbotene Handlung –etwa das Handeltreiben oder Inverkehrbringen– vorliegt, keinem Straftatbestand (vgl. § 4 NpSG) und sind daher straflos. Der Besitz von Betäubungsmitteln ist dagegen strafbar.

Dabei schließt die Einordnung eines Stoffes als neuer psychoaktiver Stoff die Einordnung als Betäubungsmittel nicht aus. So gibt es auch neue psychoaktive Stoffe, die ebenfalls bereits in ihrer jeweiligen konkreten chemischen Erscheinungsform dem BtMG unterfallen und somit Betäubungsmittel sind.

 

2. Drogenfund

2. 1. Darf ich die Substanz anfassen?

Davon ist abzuraten, da dies –je nach betroffener Substanz– unter Umständen den strafbaren Besitz von Betäubungsmitteln darstellen kann.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ist der Besitz von Betäubungsmittel strafbar. Dabei setzt Besitz in diesem Sinn das Innehaben eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses und Besitzwillen, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkungen auf die Sache zu erhalten, voraus. Entscheidend ist damit, ob ein Gewahrsam an der betreffenden Substanz begründet wird, der vorliegt, wenn eine auf gewisse Dauer angelegte Einwirkungsmöglichkeit mit einem tatsächlich ungehinderten Zugang zur Substanz besteht.

Sofern es also nicht bei einem Anfassen im Sinne eines bloßen Berührens bleibt, kann dies die Begründung eines derartigen Gewahrsams darstellen. Einzig die Dauer der Einwirkungsmöglichkeit vermag dann eine Strafbarkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG zu verhindern. Diese müsste, um zu einer Strafbarkeit zu führen, jedenfalls von einer nennenswerten Zeit sein. Eine derartige nennenswerte Zeit hat die Rechtsprechung bislang jedenfalls bei sofortigem Konsum verneint. Wann, von einem sofortigen Handeln abgesehen, eine geforderte Dauer anzunehmen ist, lässt sich demnach nicht mit Sicherheit sagen, so dass bereits aus diesem Grund von einem Anfassen abzuraten ist.

Eine Ausnahme von dem Vorgesagten stellt jedoch der kurzzeitige Besitz zum Zwecke der Vernichtung dar. Denn an einer auf gewisse Dauer angelegten tatsächlichen Sachherrschaft fehlt es, wenn Sozialarbeiter, Lehrer, Eltern usw. Betäubungsmittel an sich nehmen, um diese anschließend sofort zu vernichten, was beispielsweise der Fall wäre, wenn die Betäubungsmittel durch Herunterspülen im WC vernichtet werden. Der Autor rät jedoch auch von dem Anfassen zu diesem Zweck ab, da zum einen nicht sichergestellt werden kann, dass die Betäubungsmittel tatsächlich unbedenklich vernichtet werden; insbesondere beim Herunterspülen im WC kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Substanzen nicht von einem Dritten aufgefunden werden können. Zum anderen liegt, für den Fall, dass der Finder auf dem Weg zur Vernichtung von Dritten (sei es von Beamten der Strafverfolgung oder Vorgesetzen oder anderen Personen) aufgegriffen wird, der Verdacht nahe, dass es sich bei der Substanz um den Besitz des Finders handelt. Dieser Verdacht müsste anschließend wieder entkräftet werden, was mitunter schwer fallen kann.

Auch birgt das Ansichnehmen einer solchen Substanz zu deren Vernichtung eine Gefahr. Nämlich, dass aufgrund von Zwischenschritten zwischen Ansichnehmen und Vernichtung, wodurch eine gewisse Dauer gegeben ist und so ein strafbarer Besitz vorliegen kann. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Finder nicht sofort weiß, wie er nach dem Auffinden verfahren soll, wie er die Substanz vernichten soll oder anderweitig verhindert wird und die Substanz daher zwischenzeitlich etwa in seinem Schreibtisch deponiert.

Des Weiteren ist es definitiv zu unterlassen die aufgefundene Substanz zu deren Vernichtung oder sonstige Zuführung der Strafverfolgung selbst zur Polizei oder sonstigen Behörden zu verbringen. Das Verbringen zur Polizei nimmt nämlich regelmäßig einen längeren Zeitraum in Anspruch, sodass sowohl von einer gewissen Dauer als auch von einem Besitzwillen während dieser Zeit ausgegangen werden kann.

Der Autor rät daher dazu, bei einem Drogenfund die Substanz nicht zu berühren oder an sich zu nehmen und unverzüglich die Polizei zu verständigen.

 

2. 2. Muss ich die Polizei rufen? Auf welchen Paragraphen beziehe ich mich, wenn ich es nicht getan habe?

Ein Zwang, die Polizei bei einem Drogenfund zu verständigen oder Strafanzeige zu stellen, besteht dagegen nicht.

Zum einen ist niemand (ausgenommen Berufsermittler wie Staatsanwälte und Polizeibeamte) dazu verpflichtet, vergangene Straftaten zur Anzeige zu bringen. Sofern die Drogen also niemandem konkret zuzuordnen sind, ist der strafbare Besitz in der Regel bereits beendet, so dass es sich um eine Straftat in der Vergangenheit handelt. Eine Pflicht zur Verfolgung vergangener Straftaten trifft nach dem sog. Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO lediglich die Staatsanwaltschaft.

Aber auch hinsichtlich geplanter –also zukünftiger– Straftaten besteht nach § 138 StGB ein Zwang zur Anzeigeerstattung nur ausnahmsweise und zwar nur für eine kleine Gruppe schwerster Verbrechen wie etwa Mord, Totschlag, Völkermord, Hochverrat, Landesverrat, Menschenhandel, Raub oder Brandstiftung. Der Besitz, Konsum oder auch der Handel mit Betäubungsmittel sind nicht in § 138 StGB genannt und stellen damit keine derart schweren Straftaten dar, deren Planung verpflichtender Weise zur Anzeige gebracht werden muss.

Einen Paragraphen, auf welchen man sich für den Fall der Nichtanzeige berufen müsste, bedarf es daher nicht. Insbesondere steht ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3b StPO –welches sogar mit einer etwaigen Strafbarkeit nach § 203 Abs. 1 Nr. StGB für den Fall der Geheimnisoffenbarung korrespondiert– nur Beratern in Beratungsstellen, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, zu. Hierzu zählen grundsätzlich Sozialarbeiter und Sozialpädagogen nicht, sofern sie nicht in den genannten Einrichtungen tätig sind. Auch ist die Aufzählung des § 53 Abs. 1 Nr. 3b StPO abschließend, so dass freie Einrichtungsträger wie etwa Vereine, GmbHs oder ähnliche nicht von dieser Vorschrift erfasst werden. Daneben besteht aber für Angehörige im Sinne des § 52 StPO ein Recht, die Aussage als Zeuge zu verweigern. Außerdem ist jeder Berechtigt auf einzelne Fragen der Ermittlungsbehörden gemäß § 55 StPO die Antwort zu verweigern, sofern die Antwort zu einer Selbstbelastung führen würde.

Anderseits besteht unter anderem für staatlich anerkannte Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen, was eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung voraussetzt, eine Strafbarkeit nach § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB, sofern diese fremde Geheimnisse, die diesen in der Eigenschaft als Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen anvertraut wurden oder sonst bekannt geworden sind, unbefugt offenbaren. Sofern Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen daher während ihrer Tätigkeit Kenntnis von Geheimnissen erlangen, ist also Vorsicht geboten bei der initialen Meldung bei der Polizei im Hinblick auf die Nennung von Personendaten. Dies freilich nur soweit dem betreffenden Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen bekannt ist, wer der Besitzer der gefundenen Substanz ist.

Da Sozialarbeitern oder Sozialpädagogen jedoch ein Zeugnisverweigerungsrecht gerade nicht zusteht, betrifft die Strafbarkeitsmöglichkeit nicht die Aussagen als Zeuge. Zeugen die kein Zeugnisverweigerungsrecht haben, sind zur vollständigen Aussage aufgrund des sie treffenden Zeugniszwangs verpflichtet. Diese Pflicht rechtfertigt zugleich die Preisgabe von Geheimnissen. Daher müssen auch staatlich anerkannte Sozialarbeiter und Sozialpädagogen wahrheitsgemäß aussagen, sobald sie als Zeuge vernommen werden; unabhängig davon, ob die Aussage als Zeuge vor der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht erfolgen soll.

Dennoch bleibt –wie bereits erwähnt– die Mitteilung eines Drogenfundes bei der Polizei grundsätzlich ratsam, sofern hierzu nicht bereits unbefugt Geheimnisse offenbart werden müssen. Denn zunächst wird so der mögliche Verdacht ausgeräumt, dass man selbst Besitzer der Drogen gewesen sein könnte und zum anderen hat die Polizei die entsprechenden Möglichkeiten, die Drogen so zu vernichten, dass diese tatsächlich und unschädlich aus dem Verkehr gezogen werden.

 

2. 3. Mach ich mich strafbar, wenn ich den Drogenfund nicht anzeige?

Da –wie oben bereits dargelegt– eine Verpflichtung zur Anzeigeerstattung eines Drogenfundes nicht besteht, macht sich derjenige, der einen Drogenfund nicht bei der Polizei zur Anzeige bringt, nicht strafbar.

 Sofern Betroffene also lediglich Drogen finden und sich damit zwar der Verdacht ergibt, dass diese auch konsumiert werden (der konkrete Konsum aber nicht geduldet wird) stellt dies noch kein Gewähren einer Gelegenheit zum Verbrauch von Betäubungsmitteln dar, solange dem Konsum keine unmittelbare Förderung, wie etwa das Zuweisen von besonders der Einsichtnahme durch die Polizei geschützten Räumlichkeiten, vorausgeht. Denn die bloße Untätigkeit reicht für eine Strafbarkeit nicht aus, da das Verschaffen oder Gewähren einer Gelegenheit voraussetzt, dass der Drogenkunsum unmittelbar gefördert wurde. Der reine Drogenfund begründet demnach keine Strafbarkeit.

Vorsicht ist jedoch insofern geboten, als nicht durch ein „gezieltes Wegschauen“ eine Gelegenheit zum unerlaubten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt werden darf, da dies eine Strafbarkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 11 BtMG nach sich ziehen könnte. Denn etwa Sozialarbeiter in einer Beratungsstelle, die in Räumen konsumieren lassen oder zum Konsum in bestimmte Räume verweisen, verschaffen Räumlichkeiten zum Konsum und gewähren folglich eine Gelegenheit zum Konsum.


2. 4. Muss ich die Drogen entsorgen?

Nein. Rechtlich gesehen besteht eine Verpflichtung zur Entsorgung der gefunden Substanz genau so wenig wie die Pflicht zur Anzeige des Fundes. Im Gegenteil: Der Autor rät sogar davon ab, die Substanzen auf eigene Initiative zu entsorgen, da in den wenigsten Fällen eine fachgerechte Entsorgung oder Vernichtung gewährleistet werden kann.

 

3. Drogentot

3. 1. Trifft mich eine Mitschuld an dem Drogentot eines Bekannten aufgrund einer Überdosis, wenn ich von dessen Drogenkonsum weiß, dieser sich aber weigert entsprechende Maßnahmen einzuleiten oder keinen Abstinenzwunsch hat?

Hierbei gilt es zu unterscheiden:

Sofern der jeweilige Konsument tatsächlich tot aufgefunden wurde, also der verständigte Arzt festgestellt hat, dass der Konsument bereits einige Zeit tot ist und auch nicht mehr durch ein rechtzeitiges Verbringen ins Krankenhaus gerettet hätte werden können, liegt kein Mitverschulden vor. Die bloße Kenntnis des Drogenkonsums vermag nicht zu einer Strafbarkeit zu führen. Schließlich erfolgt der Konsum eigenverantwortlich. 

Anders ist der Fall jedoch zu beurteilen, wenn der Konsument nicht bereits tot aufgefunden wird. Findet man also Konsumenten mit Anzeichen einer Überdosis, aber lebendig, könnte man sich durchaus strafbar gemacht haben, wenn man gebotene, mögliche und zumutbare Rettungshandlungen unterlässt. Da ein Laie niemals sicher den Tod eines Menschen feststellen kann, kann ein Laie daher auch nicht mit Sicherheit bestimmen, ob der Tod durch ein rasches Verbringen in ein Krankenhaus hätte verhindert werden können. Daher ist äußerte Vorsicht geboten. 

Denn zum einen kommt hier sogar eine Strafbarkeit wegen Tötungsdelikten in Betracht. Dies etwa dann, wenn man durch sein vorangegangenes Handeln eine Garantenstellung (sog. Ingerenz) einnimmt. Denkbar ist hier etwa das Gewähren einer Gelegenheit zum Konsum nach § 29 Abs. 1 Nr. 11 BtMG. Weißt man also einem Konsumenten einen bestimmten Raum für den Konsum zu oder lässt diesen wissentlich in eigenen Räumen konsumieren, um ihm so den Konsum zu erleichtern bzw. den Konsum zu fördern, nimmt man aufgrund dieses rechtswidrigen Verhaltens eine Garantenstellung ein. Man wird dadurch sozusagen zu einem Garanten für das Wohlbefinden des Konsumenten. Erleidet dessen Gesundheit nun aufgrund einer Überdosis einen Schaden, so hat man die Pflicht diesen Schaden bestmöglich abzuwenden. Dieser Pflicht kommt man schließlich nicht nach, wenn eine gebotene, mögliche und zumutbare Rettungshandlung (z.B. Herbeirufen eines Notarztes oder Krankenwagens) nicht vorgenommen wird und dieses Unterlassen zum Tode des Konsumenten führt; der Konsument also durch ein Verbringen ins Krankenhaus nicht verstorben wäre. In einem ähnlich gelagerten Fall hat der Bundesgerichtshof eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angenommen. 

Zum anderen kommt eine Garantenstellung auch dann in Betracht, wenn etwa Mitarbeiter einer Drogenhilfeeinrichtung in einem Erste-Hilfe-Kurs in der Ersten Hilfe, der Alarmierung eines Notarztes ausgebildet und im Einsatz mit einem Defibrillator geschult wurden. Denn dann ist der Drogenhelfer aufgrund der Übernahme von Schutzpflichten (Beschützergarantenpflicht) dazu verpflichtet, bei nicht rechtzeitigem Eintreffen des Notarztes eine Lebensrettung, etwa mit dem vorhandenen Defibrillator zu versuchen. Andernfalls kommt ebenfalls eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen in Betracht, sofern der Konsument anschließend verstirbt.

Doch auch wenn keine Garantenstellung aus den genannten Gründen besteht, so ist noch eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB möglich, da auch die Bewusstlosigkeit aufgrund Drogenkonsums einen zur Hilfeleistung verpflichtenden Unglücksfall darstellt. Denn auch wenn der Konsum der Drogen eigenverantwortlich erfolgt, so setzt man sich der Strafbarkeit aus, ab dem Zeitpunkt in dem der Konsument das Bewusstsein und damit die Möglichkeit der Selbstbestimmung verliert, wenn man keine lebensrettenden Maßnahmen (wie etwa das Herbeirufen eines Notarztes oder Krankenwagens) ergreift.

Folglich erscheint es stets angebracht, will man eine mögliche Strafbarkeit von vornherein ausschließen, in jedem Fall einen Notarzt oder Krankenwagen zu alarmieren und –sofern man hierzu ausgebildet wurde– geeignete lebenserhaltende Maßnahmen zu ergreifen. Dies bereits nicht zuletzt, da man nur auf diese Weise den Tod des Konsumenten sicher feststellen lassen kann. Sofern man aber vor der Überdosis den Konsum nicht gefördert hat und anschließend auch nicht tatenlos wegsieht, trifft einen kein Mitverschulden an dem etwaig eintretenden Tod des Konsumenten. Weder im strafrechtlichen noch im menschlichen Sinne, da der Drogenkonsum dann lediglich eine selbstbestimmte Eigengefährdung darstellt.

 

3. 2. Habe ich eine Mitteilungspflicht gegenüber der Polizei oder trifft mich eine Schweigepflicht? (Was muss ich sagen und was darf ich sagen?)

Eine Mitteilungspflicht hinsichtlich des Drogenkonsums eines Bekannten besteht zunächst gegenüber der Polizei nicht grundsätzlich. 

Genauso wie es keine Pflicht zur Anzeige oder Mitteilung eines Drogenfundes gibt, gibt es auch im Falle des Fundes eines Drogentoten keine Verpflichtung, von sich aus Angaben zum Drogenkonsum des Konsumenten zu machen. 

Vielmehr ist es sogar so, dass etwa staatlich anerkannte Sozialarbeiter und Sozialpädagogen gesetzlich nach § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, sofern sie von dem Drogenkonsum in ihrer Eigenschaft als Sozialarbeiter und Sozialpädagogen erfahren haben. Das heißt, diese dürfen von sich aus niemandem –einschließlich der Polizei– gegenüber Angaben über Tatsachen machen, von welchen sie in dieser Eigenschaft Kenntnis erlangt haben. Andernfalls würden sie sich strafbar machen. 

Dies gilt jedoch nur, solange diese staatlich anerkannten Sozialarbeiter und Sozialpädagogen nicht als Zeuge vernommen werden sollen, also nur bei sog. informatorischer Befragung durch die Polizei. Denn Sozialarbeitern und Sozialpädagogen steht kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3b StPO zu, sofern sie nicht zugleich als Berater für Fragen in Bezug auf Betäubungsmittelabhängigkeiten in Beratungsstellen, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, tätig sind.

Der Unterschied einer informatorischen Befragung und einer Vernehmung als Zeuge ist in der Praxis oft nicht besonders gut greifbar, sollte aber darin liegen, dass Zeugen sowohl über ihre Stellung als Zeuge, wie auch über ihre daraus resultierenden Rechte zu belehren sind. Bei einer rein informatorischen Befragung unterbleibt dies hingegen. 

Unabhängig davon machen sich jedoch auch staatlich anerkannte Sozialarbeiter und Sozialpädagogen nicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar, wenn sie als tatsächlicher Zeuge aussagen, da diese in diesem Fall nicht rechtswidrig handeln, weil für sie mangels Zeugnisverweigerungsrechts eine Zeugnispflicht besteht, die ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 34 StGB darstellt.


4. Sind die aus dem Internet bestellten Substanzen (z.B. Badesalze, Würzmischungen, Lufterfrischer, usw.) tatsächlich BtMG-Konform?

Theoretisch gesehen mögen einige Substanzen, welche man im Internet bestellen kann, tatsächlich BtMG-konform sein. Dies bedeutet jedoch in keiner Weise, dass diese Substanzen deshalb weniger bedenklich wären. Zumal diese Behauptung auf einem Trugschluss basiert.

Letzen Endes beruht diese BtMG-Konformität nur auf der Herangehensweise dieses Gesetzes. So unterliegen dem BtMG nur die in den Anlagen I-III nach ihrer konkreten chemischen Zusammensetzung genau definierten Stoffe. Das bedeutet: Verändert man die chemische Zusammensetzung eines Stoffes auch nur geringfügig, ist er, unabhängig von seiner psychoaktiven Wirkung, mangels expliziter Aufzählung BtMG-konform. Erst nach einer entsprechenden Änderung der Anlagen zum BtMG, kann der Stoff sodann mit ins BtMG aufgenommen werden.

Daher verwundert es wenig, dass findige Chemiker versuchten, die durch das BtMG drohende Strafbarkeit dadurch zu umgehen, dass sie Stoffe entwickelten, die sich zwar soweit von den bekannten Stoffen unterscheiden, dass sie nicht in den Anlagen zum BtMG genannt werden, sie aber dennoch ihrer Wirkung nach, die klassischen Drogen nachzuahmen versuchen. So macht seit 2005 eine besondere Form von Designerdrogen, die sog. Neuen psychoaktiven Stoffe, von sich reden. Diese werden dann als vermeintlich harmlose Kräutermischungen, Badesalze oder Lufterfrischer angeboten und als sog. Legal Highs angepriesen.

Mit dem am 26. November 2016 in kraftgetretenen Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (NpSG) soll gerade diese Strafbarkeitslücke geschlossen werden.

Danach sind der Besitz und der Erwerb dieser neuen psychoaktiven Stoffe zwar nach § 3 Abs. 1 NpSG verboten, jedoch nicht strafbar, sofern dadurch nicht ein selbstständiges Handeltreiben oder das Inverkehrbringen vorliegt.

Damit ist der reine Besitz, wie auch der reine Erwerb (und folglich auch der reine Konsum) dieser neuen psychoaktiven Stoffe zwar nicht strafbar, was zu der vermeintlichen BtMG-Konformität führt.

Vorsicht ist jedoch dennoch geboten. Denn ist auch nur einer der Inhaltsstoffe dieser Kräutermischungen in einer Anlage zum BtMG enthalten, bestimmt sich die Strafbarkeit alleine nach diesem Gesetz. Dies hat zur Folge, dass auch deren Besitz nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 BtMG strafbar ist. So ist dies etwa der Fall bei der Designerdroge „Spice“. Mit diesem Namen werden Kräutermischungen bezeichnet, denen das Aminoalkylindol JWH-18 (ein synthetisches Cannabinoid) beigefügt wurde. Dieses war einige Zeit BtMG-konform, bis es 2009 in der Anlage II des BtMG aufgenommen wurde und dadurch dessen Besitz strafbar wurde. Es dauerte jedoch auch nicht lange bis Nachfolgeprodukte wie etwa „Bombay-Blue“ (diesem war dann JWH-019 und JWH-073 beigefügt) gefunden wurden.

Somit mag es tatsächlich sog. Legal Highs geben, deren Besitz und Erwerb nicht strafbar ist und die dadurch derzeit BtMG-konform sind. Mit der Schaffung des NpSG, wurden jedoch auch hinsichtlich dieser Stoffe der Handel und das Inverkehrbringen unter Strafe gestellt. Folglich gibt es damit keine unbedenklichen psychoaktiven Stoffe mehr. Zumal es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Gesetzgeber auf neuartige Stoffe reagiert und auch diese dem BtMG unterstellt, so dass anschließend auch deren Besitz strafbar ist.

 

5. Wie habe ich mich zu verhalten, sollte ich den Verdacht habe, dass in meiner Einrichtung Handel mit Drogen betrieben wird?

Hier ist äußerste Vorsicht geboten, um eine mögliche Strafbarkeit wegen des Verschaffens oder Gewährens einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG zu vermeiden. 

Der Betreiber einer Einrichtung hat nämlich für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften Sorge zu tragen; er darf daher in seiner Einrichtung weder die Begehung von Straftaten noch von Ordnungswidrigkeiten dulden. Es gibt jedoch auch hier das oben gesagte: Grundsätzlich reicht die bloße Untätigkeit gegenüber der Abgabe und dem Erwerb allein nicht aus, sondern das Unterlassen muss der Abgabe bzw. dem Erwerb von Betäubungsmitteln förderlich sein. Ein derartiges Fördern kann jedoch bereits dann angenommen werden, wenn sich das Dulden des Handelns sozusagen „herumspricht“ und so der Handel gerade in dieser Einrichtung gefördert wird. Auch kann es ausreichen, dass der Betreiber es Dealern oder Abnehmern ermöglicht, über seinen Telefonanschluss Kontakte zu knüpfen.

Hat ein Betreiber also entweder positive Kenntnis von Straftaten nach dem BtMG oder waren die Rauschgiftgeschäfte für ihn oder seine Mitarbeiter erkennbar, hat er alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um künftig Verstöße gegen das BtMG zu unterbinden. Diese können darin bestehen, dass die Kontrollen verstärkt oder überhaupt eingeführt werden oder Eingangskontrollen durchgeführt werden bis hin zur Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei.

Eine Pflicht diese Straftaten zur Anzeige bei der Polizei zu bringen besteht hingegen –wie oben dargelegt– grundsätzlich nicht. Daher empfiehlt es sich in einem solchen Fall, den Handel zunächst durch stichprobenartige Kontrollen zu unterbinden, da hiervon Händler zumeist bereits abgeschreckt werden und verdächtige Händler darauf hinzuweisen, dass ein Handel in der Einrichtung nicht geduldet wird. Sollte dies nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, rät der Autor zur Hinzuziehung der Polizei, wobei hier zunächst eine gegebenenfalls bestehende Schweigepflicht (siehe oben) zu beachten ist.


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