Einstweilige Verfügungen als Mittel gegen rechtswidrige Gesellschafterausschlüsse

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Von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*

Gesellschafter, dessen Geschäftsanteile zu Unrecht eingezogen wurden, können sich grundsätzlich mit einer sog. Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage gegen den Einziehungsbeschluss wehren. Eine rechtskräftige Entscheidung in dieser Sache kann aber dauern – währenddessen die GmbH bereits eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen kann.

Für den Gesellschafter kann das ein erhebliches Risiko darstellen, da er ab Hinterlegung der neuen Gesellschafterliste gegenüber der GmbH nicht mehr als Gesellschafter gilt. Er ist in dieser Zeit von der Entscheidungsfindung der Gesellschafter ausgeschlossen und verliert damit seinen Einfluss auf die GmbH und das zu einer Zeit, in der er noch nicht einmal eine Abfindungszahlung erhalten hat.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang das Urteil des Bundesgerichthofs (BGH) vom 24.01.2012 – II ZR 109/11:

Wenn ein Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird, wird die Einziehung mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung der Abfindung wirksam.”

Diese Rechtsprechung nehmen die ausschließenden Gesellschafter zum Anlass, den Geschäftsführer anzuweisen, den ausgeschlossenen Gesellschafter unmittelbar nach seinem Ausschluss aus der Gesellschafterliste auszutragen und die neue Liste beim Handelsregister einzutragen.

Was droht einem aus der Gesellschafterliste ausgetragenen Gesellschafter?

Nach der Fiktionswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG greift die Vermutung der Gesellschafterliste. Die in der Gesellschafterliste aufgeführte Person ist formal Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten. Den dort nicht Eingetragenen trifft die sog. negative Legitimationswirkung, d.h. er gilt nicht als Gesellschafter der GmbH und ihn treffen insoweit weder Rechte noch Pflichten. Auf die tatsächliche Eigentumslage der Beteiligung kommt es dabei nicht an.

Diese doppelte Rechtsfolge – Verlust der Gesellschafterstellung einerseits und andererseits noch keine Abfindung erhalten zu haben – ist für den ausgeschlossenen Gesellschafter besonders einschneidend. Wichtig: Viele Gesellschaftsverträge ordnen das Ruhen des Stimmrechts bis zur rechtskräftigen Entscheidung an und verwehren dem ausgeschlossenen Gesellschafter das Recht , von der Gesellschaft eine eine Sicherheit für seinen künftigen Abfindungsanspruch zu verlangen.

Ist dies der Fall, entfällt der Abfindungsanspruch und der Gesellschafter muss im Gegenzug wieder in die Gesellschafterliste aufgenommen werden. Allerdings birgt seine Rückkehr eine unangenehme Überraschung, wenn das Unternehmen in der Zwischenzeit ohne seine Mitwirkung grundlegend umstrukturiert wurde. Insbesondere wenn die Einziehung den Mehrheitsgesellschafter betrifft, führt die Änderung der Gesellschafterliste zu einem unmittelbaren Kontrollwechsel. Durch die veränderten Machtverhältnisse hat der Minderheitsgesellschafter plötzlich die Möglichkeit, weitreichenden Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Zusätzlich besteht die Chance die Geschäftsführerposition zu seinen Gunsten zu besetzen und folglich die Gesellschaft dauerhaft umzugestalten.

Zwar hat der betroffenen Gesellschafter auch die Möglichkeit, einen Widerspruch in der Gesellschafterliste einzutragen. Dieses Recht hilft ihm aber wenig, da dieser gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 GmbHG nur den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten verhindert.

Durch eine einstweilige Verfügung den Ausschluss verhindern

Der BGH hat in einer im Sommer 2019 ergangenen Entscheidung klargestellt, dass gerade in Einziehungskonstellationen der betroffene Gesellschafter in besonderer Weise auf einen Eilrechtschutz im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens angewiesen ist (BGH, Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17).

Der BGH will das Risiko eines abrupten Kontrollwechsels vermeiden und erkennt ausdrücklich das Recht des ausgeschlossenen Gesellschafters an, sich schon vor Hinterlegung einer aktualisierten (und ggf. unrichtigen) Gesellschafterliste gegen diese zu wehren. Die Gesellschaft bzw. deren Geschäftsführern ist per einstweiliger Verfügung die Einreichung einer solchen Gesellschafterliste zumindest bis zur Entscheidung über seinen Ausschluss in der Hauptsache untersagt.

Wenn die GmbH sich dann an diese einstweilige Verfügung nicht hält oder ein Notar versehentlich eine aktualisierte Gesellschafterliste einreicht, ist der von der Einziehung betroffene Gesellschafter geschützt – was nun der BGH im Urteil bestätigt. Wird der Gesellschafter in der Folge von der GmbH und seinen Tätigkeiten ausgeschlossen, führt dies zur Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse nach § 241 Nr. 1 AktG. Dies gilt analog, wenn der Gesellschafter zum Zeitpunkt der Abhaltung der Gesellschafterversammlung nicht in der Gesellschaftsliste eingetragen war.

Leider sind in der Praxis noch viele Detailfragen ungeklärt und die Hürden zur Wiedererlangung einer Gesellschafterstellung relativ hoch. In einer vom Autor erstrittenen Entscheidung hat das OLG München (Beschl vom 18.05.2021 – Az. 7 W 718/21 n.rk.) als erstes Obergericht entschieden, dass ein Gesellschafter auch vorgelagert im Wege und unter den Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes von der Gesellschaft die Korrektur einer zwischenzeitlich geänderten Gesellschafterliste verlangen kann. Das gelte in besonderem Maße bei Start-ups, bei denen in der Anfangsphase bedeutende Entscheidungen in schneller Folge gefasst werden und es deswegen für einen möglicherweise ausgeschlossenen Gesellschafter besonders misslich wäre, seine vorläufig zu verlieren.

Handlungsempfehlungen für den Ernstfall

Jede Veränderung der Rechtsposition eines Gesellschafters gilt es zu prüfen. Ob aufgrund eines Einziehungsbeschlusses, einer Abtretung, deren Wirksamkeit strittig ist, etc. – folgende Tipps für den Ernstfall:

  • Widerspruch gegen die Beschlussfassung einlegen
  • Fristgerechte Hauptsacheklage gegen den Gesellschafterbeschluss erheben
  • Einstweiligen Rechtsschutz auf Wiedereinräumung der Gesellschafterstellung beantragen (Details strittig)
  • Den neuen Gesellschafter und den Notar informieren und ggf. auch gegen diesen eine einstweilige Verfügung beantragen (strittig)!
  • Das Handelsregister benachrichtigen
  • Geschäftsführer auf Schadenersatz in Anspruch nehmen

Der einstweilige Verfügungsantrag ist dabei gegen die GmbH und Geschäftsführer und ggf. den Notar zu richten und beinhaltet:

  • Eintragung eines Widerspruchs in die Gesellschafterliste
  • Verbot der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste, auf welcher der alte Gesellschafter nicht mehr als Gesellschafter geführt wurde, zumindest bis zur Klärung, ob die Einziehung wirksam war oder nicht,
  • soweit bereits eine Änderung beim Handelsregister eingereicht wurde, diese zurückzunehmen bzw. eine Korrekturliste einzureichen.
  • Die Gesellschaft zu verpflichten, den Betroffenen einstweilen weiter als Gesellschafter zu behandeln. Hier kann es förderlich sein, den Anspruch auf Gewinnauszahlung von den Rechten auszunehmen.
  • Dem vom Ausschluss begünstigten, neu in die Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter die Ausübung der Gesellschafterrechte zu untersagen.

Durch seine Urteile hat der BGH eine Grundlagenentscheidung getroffen und Betroffenen im Gesellschafterstreit einen einstweiligen Rechtsschutz zugesichert. Gesellschafter müssen sich unbedingt im Vorfeld einer streitigen Gesellschafterversammlung mit dem Anwalt ihres Vertrauens abstimmen. Droht der Ausschluss, bieten die obigen Handlungsempfehlungen eine erste Hilfe. Für das weitere Vorgehen können Sie hier unverbindlich mit uns Kontakt aufnehmen.

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