Eintrittsberatung – Arzteintritt mit und ohne eigene Praxis (Ärztekooperation)

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1. Fall: Möglich ist der Eintritt und die weisungsgebundene feste Anstellung eines einzelnen Arztes (ohne eigene Praxis) in einer Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxis/MVZ.

Ein Arzt (ohne eigene Praxis) kann als Arbeitnehmer bei einem anderen Arzt mit eigener Praxis (Arbeitgeber) unter strenger Beachtung arbeits-, sozial- und berufsrechtlicher Regelungen (z. B. der Genehmigung des Zulassungsausschusses) weisungsgebunden angestellt werden. Dem Vertragsarzt stehen dabei vielfältige Formen der Anstellung offen – etwa die Weiterbildungs- und die Entlastungsassistenz, die Anstellung im freien Planungsbereich oder die Jobsharing-Anstellung im gesperrten Planungsbereich. Wir beraten Ärzte und erstellen Arbeitsverträge.

2. Fall: Möglich ist der Eintritt eines einzelnen Arztes (ohne eigene Praxis) als gleichberechtigter Gesellschafter in eine bereits bestehende Einzelpraxis und die gemeinsame kooperative ärztliche Fortführung durch zwei Ärzte.

Rechtlich betrachtet wird mit dem Eintritt eines Arztes in eine bestehende Einzelpraxiseine Personengesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (BAG = Berufsausübungsgemeinschaft, Gemeinschaftspraxis) gegründet. Beide sind Gesellschafter und ab dem Gründungszeitpunkt jeweils hälftig am Gesellschaftskapital beteiligt, sofern sie nichts Gegenteiliges vereinbaren.

Regelmäßig leistet der eintretende Arzt dem erfahrenen Altarzt eine Ausgleichszahlung, weil der Altarzt oft in jahrelanger mühevoller Arbeit seine Einzelpraxis geschaffen hat und dafür eine angemessene Entschädigung erwartet. Die Höhe der Ausgleichszahlung ist zwischen den Parteien individuell zu bestimmen, sie bemisst sich regelmäßig nach der Höhe des Verkehrswerts der Einzelpraxis (meist liegt ein KV-Gutachten vor) sowie der vorgesehenen Beteiligungsquote. Vereinbaren nun beide die Ausgleichszahlung, kann diese ins Privatvermögen des Altarztes geleistet werden.

Steuerlich ist bei Zahlung ins Privatvermögen des Altarztes ein möglicher Veräußerungsgewinn zu prüfen, dem als laufender Gewinn keine steuerliche Begünstigung zukommt und der demnach voll steuerpflichtig ist. Dies ist für den Altarzt oft nachteilig und nur im seltenen Ausnahmefall zu empfehlen, wenn die Steuerbegünstigung des Altarztes bereits verbraucht bzw. schon einmal in Anspruch genommen wurde oder die Progressionswirkung keine Auswirkung hat. Grundsätzlich wird deshalb in solchen Fällen das sog. Einbringungsmodell angewendet, das heißt der Altarzt bringt seine bisherige Einzelpraxis mit dem Buchwert in die (neue) Gesellschaft ein und der eintretende Arzt leistet die Ausgleichzahlung als Einlage in das gemeinsame Gesellschaftsvermögen, sodass Liquidität zur Verfügung steht. Dabei kann alternativ selbstverständlich die Einbringung der Einzelpraxis des Altarztes auch zu Zwischen- oder Teilwerten (Verkehrswert) erfolgen – was dann aber zu einer mehr oder minder großen Aufdeckung der stillen Reserven der Einzelpraxis führt und einen zu prüfenden Einbringungsgewinn verursacht. Wegen der Einzelrechtsnachfolge stellt auch der derivative Praxiswert ein aktivierbares Wirtschaftsgut dar, das zukünftig abgeschrieben werden kann.

3. Fall: Möglich ist die Aufnahme eines einzelnen Arztes (mit eigener Praxis) – unter Einbringung seiner bestehenden Einzelpraxis in eine bereits bestehende Gemeinschaftspraxis – und fortan die gemeinsame, kooperative ärztliche Fortführung durch alle Ärzte.

Durch die Aufnahme eines eintretenden Arztes unter Einbringungsverpflichtung seiner Einzelpraxis in eine bestehende Gemeinschaftspraxis erweitert sich die bestehende Personengesellschaft (regionale, überregionale BAG). Bei einer Einbringung seiner Einzelpraxis (= Betriebsvermögen) erhält er dafür Rechte an der neuen, größeren Gesellschaft („Tausch ohne Zuzahlung“). Möglich ist auch hier, dass der eintretende Arzt neben seiner Einzelpraxis noch eine Ausgleichszahlung ins Privat- oder ins Gesellschaftsvermögen erbringen muss („Tausch mit Zuzahlung ins Privat- oder ins Betriebsvermögen“). Das Umwandlungssteuergesetz erlaubt in diesen Fällen die steuerschonende Buchwerteinbringung der Einzelpraxis, wenn die übernehmende Gesellschaft dies wählt (steuerverschonter Einbringungsgewinn). Dann müssten die stillen Reserven und der Praxiswert nicht mit dem Vermögensübergang aufgedeckt werden und die intendierten Beteiligungsquoten lassen sich über steuerliche Ergänzungsbilanzen individuell abbilden.

Rechtlich zu prüfen ist die Anpassung vorhandener Verträge, möglicherweise die Neuerstellung. Neben den steuerlichen Gestaltungsfragen stellen sich vertragliche und sozialrechtliche Fragen. Darüber hinaus gilt es, betriebswirtschaftliche Fragen zur Praxisbewertung zu klären sowie zur Patientenkartei, zu übergegangenen Anstellungsverträgen, zum Praxismietvertrag und letztlich zu berufsrechtlichen Vorgaben zuverlässig Auskunft zu geben, sodass Verschwiegenheitspflichten, der Schutz von Patientendaten sowie besondere kassenärztliche Zulassungsvoraussetzungen (Nachbesetzung) erfüllt werden.

Gerne berate ich Sie zu Ihren Fragen der angestrebten Ärztekooperation und zu den steuerlichen, sozialrechtlichen, arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten, insbesondere den notwendigen Verträgen, den Gründungs-, Zulassungs- und Nachbesetzungsvoraussetzungen.

Ich weise darauf hin, dass die erteilten Informationen unverbindlich sowie nicht vollständig sind und sich die Rechtslage ändern kann. Eine individuelle Rechtsberatung ist im Einzelfall stets notwendig, eine Beratung der Besonderheiten durch einen Steuerberater ist nicht ausreichend – eine Beratung durch einen Fachanwalt für Steuer- und Medizinrecht dagegen empfohlen.

Oliver Wicher

Fachanwaltskanzlei für Medizinrecht



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